𝕂𝕒𝕡𝕚𝕥𝕖𝕝 𝟙𝟡-𝕃𝕪𝕣𝕒

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Nicht nur mein Armband hatte den Duft nach Madge verloren.

Das war mein erster Gedanke in den Armen meiner Schwester nach Gott sei Dank. Auch sie selbst roch nicht mehr nach Distrikt 12, nach unserem Haus, unserer Familie, nach Sicherheit.

So viel ich auch suchte, außer dem Geruch nach Wald - interessanterweise besonders stark nach Farn - und einen Hauch von etwas, was ich nicht zuordnen konnte, war da nichts,was eine menschliche Nase hätte erfassen können.

Ein Schauer lief mir über den Rücken.
Sofort drückte Madge mich enger an sich. »Schsch, jetzt wird alles gut«, sagte sie . »Komm,leg dich hin,ich halte Wache.«

Ich war immer noch zu erschöpft, um zu widersprechen, also lehnte ich mich ohne ein Wort zu sagen mit dem Rücken gegen den Baumstamm und schlang die Arme um die Beine. Der Schlaf übermannte mich schnell, obwohl ich mich trotz Madges Anwesenheit nicht sicher fühlte und mich fragte, ob ich das wohl je wieder tun würde.



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»Lyra! Wach auf! Wir müssen weiter!« Bei dem Klang von Madges Stimme begann ich, langsam aus dem Schlaf in die reale Welt hinüber zu gleiten.

Kennt ihr diese wenigen Sekunden nach dem Aufwachen, in denen alles gut ist, bis einen die Realität einholt?

Diese Sekunden fühlten sich wunderbar an, dafür traf mich die Realität umso härter.

»Lyra!« Als meine Schwester mich zum zweiten Mal anspornte , schlug ich die Augen auf. So hoffnungslos und düster meine Gedanken auch gewesen waren, der Anblick war das Gegenteil.

Die orangerote Sonne kämpfte sich  langsam hinter den Baumwipfeln in den Himmel. Ihre Strahlen ließen den Himmel in roten bis rosafarbenen Farben aufleuchten und tauchten den Wald in orange - goldenes Licht.

Die Arena konnte wunderschön sein.

Aber unter Schönheit versteckt sich oft Gefahr. Madge hatte Recht , wir konnten nicht ewig hier bleiben.

Stöhnend rappelte ich mich auf.

Meine Schwester nahm meine Hand in ihre und ging sofort los. Ächzend stolperte ich hinter ihr her. Aber wenn ich das Wasser gestern überlebt hatte, würde ein kleiner Spaziergang mich schon nicht umbringen, oder?




Zu Mittag war ich mir da schon nicht mehr so sicher.  Von einem kleinen Spaziergang konnte man eigentlich auch nicht mehr sprechen, wir waren immerhin seit Sonnenaufgang unterwegs.  Meine Muskeln schrien, mein Magen kreischte, meine Lungen pfiffen. Noch so nette Folgen von gestern. Trotzdem hatte ich tatsächlich wieder Durst.

»Wo gehen wir überhaupt hin? Überall könnten andere Gefahren sein, weglaufen bringt in der Arena nichts.«,fragte ich Madge, die ein schnelles Tempo vorlegte und heute noch nie einen Schritt von der Richtung, die sie beim Weggehen eingeschlagen hatte, abgewichen war , missmutig. »Vertrau mir einfach.«, sagte diese und ging noch ein wenig schneller. Stöhnend stützte ich mich auf sie und taumelte weiter.

Irgendwann hatte ich genug . »Ich gehe nur noch bis zum nächsten Bach«, krächzte ich erschöpft und folgte meiner Schwester, die mir einen irritierten Blick zuwarf.

Bald betraten wir tatsächlich eine Lichtung am Fuße eines Berges mit einem See. Das Wasser war kristallklar und hellblau, ein kleiner Wasserfall floss den Berg hinab und erzeugte einen Regenbogen. »Hier bleiben wir«,sagte ich bestimmt und ging rasch zum See, um daraus zu trinken. Das Wasser war eiskalt und schmeckte sauber.

Die Tribute von Panem-Der Gesang der NachtigallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt