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Mickaël war bereits im Pausenraum des Kinos, als ich Sonntag gegen Mittag auf der Arbeit erschien. Er sass auf einem der Stühle, die um den kleinen runden Tisch in der Ecke herumstanden. Das Handy in der einen Hand und einen Apfel in der anderen, hatte er die Beine angewinkelt auf dem Stuhl der gegenüber dem auf dem er sass stand.

Mit einer Kopfbewegung begrüsste ich ihn und bahnte mir meinen Weg zu meinem Schrank. Ich öffnete diesen um meinen Jutebeutel hineinzustopfen und mein Poloshirt heraus zu ziehen. Ohne Mickaël gross Aufmerksamkeit zu schenken zog ich mein Longsleeve aus und stülpte das Poloshirt über meinen Kopf.

Als ich das Poloshirt in meine Jeans stopfte blickte ich zum runden Tisch. Doch Mickaël sass nicht mehr an diesem. Das einzige was von seiner Präsenz zeugte war der Rucksack welchen er auf einen der Stühle gestellt hatte.

«Alors», grinste Mickaël süffisant. Er lehnte am Schrank, der für ihn bestimmt war. Ich hatte keine Ahnung, wenn er sich von seinem Sitzplatz fortbewegt hatte, liess mich dadurch aber ziemlich zusammenschrecken.

«As-tu besoin de me faire peur comme ça?», fauchte ich als ich die Tür meines Schrankes zuschlug. Meine Hände lagen gefaltet über meinem Herzen, während ich ihn genervt anfunkelte.

Morganes Bruder grinste noch immer selbstgefällig, als ich ihn entgeistert anstarrte. «Toi et Morgane...», noch immer lehnte Mickaël am Schrank, der neben meinem stand. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt, welches freie Sicht auf die Tätowierungen auf seinen Unterarmen gab; um den rechten Unterarm schlang sich ein schwarzes Band, welches mit bunten Blumen im old school Stil gefüllt war, während am linken Unterarm ein ebenfalls genauso bunter Schmetterling und die Worte pura vida prangten.

«Du weisst, wenn du das so sagst, dass das so klingt, als ob ich mit deiner Schwester was am Laufen hätte?», mit hochgezogener Augenbraue musterte ich Morganes älteren Bruder. Er kratzte sich an den Bartstoppeln an seinem Kinn, ehe Mickaël nur mit den Schultern zuckte.

«Ich freu mich doch nur darüber, dass jetzt wieder alles so wie früher wird», sagte er noch immer am anderen Schrank lehnend, «Dann chillst du wieder mehr bei uns rum und... na ja... alles ist wieder wie früher.»

Krampfhaft zwang ich mich dazu nicht das Gesicht angespannt zu verziehen. Wie optimistisch Mickaël darüber war, dass nur, weil Morgane und ich uns ausgesprochen hatten, jetzt alles wieder wie immer war. Natürlich, er wusste wohl nichts davon was an Morganes Geburtstagsparty vorgefallen war und was Kevin zu mir gesagt hatte. Aber dennoch verstand ich nicht ganz, wie er davon ausgehen konnte, dass nach fast einem halben Jahr praktische Funkstille das einfach vergessen konnte?

Ich schob mich an Mickaël vorbei in die Richtung der Tür des Pausenraums. Auf dem Weg dahin griff ich nach einem der Kartons mit den Süssigkeiten die rumstanden und nur darauf warteten, dass man sie in das Verkaufsregal einräumten.

Ebenfalls nach einem der Kartons greifend folgte mir Mickaël nach draussen in das Foyer des Kinos. «Hey Coralie», rief er mir nach, «Hab ich was falsches gesagt?»

Ich hatte den Karton auf dem Boden abgestellt und mich bereits hingekniet um die Reihen mit den Süssigkeiten nachzufüllen. Etwas irritiert blickte ich hoch zu ihm. «Nein?»

«Du benimmst dich aber grad ziemlich ... bizzare?» - «Komisch», übersetzte ich das Wort für Mickaël, welches ihm nicht einfiel. «Und nein, ich benehme mich genauso wie immer», fügte ich hinzu.

«Und trotzdem gibst du mir das Gefühl, dass ich mit meiner Aussage irgendwas gesagt hab, was dich verärgert hat», brummte Mickaël. Er hatte noch immer den Karton, den er aus dem Pausenraum mitgebracht hatte unter dem Arm geklemmt.

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