11. Ein besonderes Abendessen

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Ich bemühte mich sehr, nicht völlig überrascht zu wirken, doch dann tauchte ganz schnell ein kleines, verstecktes Lächeln auf Leonard Moores Gesicht aus und ich wandte schnell den Blick ab und starrte stattdessen auf meinen Teller.

Mein Vater ging mit Mr Moore auf meine Stiefmutter zu.
„Meine Lieben, das ist Mr. Moore ein Privatdetektiv und in seinem Beruf sehr gut, wenn man sich auf die Meinung anderer Bürger Londons verlassen will", stellte er ihn vor.
„Und Mr Moore, das sind meine Frau Mrs Stephanie McKeene und meine Tochter Miss Audrey McKeene."

Leonard Moore ging einen Schritt auf meine Stiefmutter zu und küsste ihr die Hand, dann kam er zu mir, fing meinen Blick ein und küsste auch meine Hand.
Dann bot mein Vater ihm den freien Sitzplatz direkt gegenüber meinem an.
Als mein Vater sich als letzter an den Kopf des Tisches setzte, wurden schon die Vorspeisen gebracht.

Mein Vater begann sehr genau und detailliert die Ereignisse der letzten Tage zu schildern, erst die Morde an meinen Bewachern Franky und Jonathan, dann den an Mr Martin. Es lief mir immer noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich an das ganze Blut und die zerstückelten Leichen von meinen Bodyguards dachte, aber etwas neugierig war ich schon, unwissend, was mit Mr Martin passiert war.

Immer wenn ich von meinem Teller hochschaute fixierten mich Mr Moores Augen, woraufhin sich meine Wangen verräterisch erhitzten. Es war mir so unangenehm, weil keiner hier wusste, dass er und ich uns bereits kannten.

Als mein Vater zu Ende erzählt hatte, trat kurze Stille ein, aber nur, weil Mr Moore noch kauen musste. Als er runtergeschluckt hatte, räusperte er sich und sagte: „Schon verrückt, was alles in dieser Welt passiert. Erst letztens traf ich eine Dame, die auf der Flucht vor ihrem...Ehemann war und dabei fast von einem Auto überfahren worden wäre...sie war bei Nacht und Nebel ganz alleine unterwegs, stellen Sie sich das vor."

Er hörte auf zu sprechen und schaute besorgt zu mir, weil ich zu husten begonnen hatte, da ich mich an der Suppe verschluckt hatte. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, welchen er bloß mit einem amüsierten quittierte.
Mein Vater und Stephanie hatten dieser Anspielung zum Glück keine weitere Beachtung geschenkt.

So ging es noch das ganze Abendessen weiter. Leonard Moore versuchte und schaffte es leider auch viel zu oft mich in Verlegenheit zu bringen mit seinen unpassenden Bemerkungen.
Als mein Teller des Desserts abgeräumt und somit das Essen endlich für beendet erklärt war, erhob ich mich deshalb eilig, um auf mein Zimmer zu gehen.

Hinter der Tür zum Essenssaal blieb ich kurz stehen und ließ das Essen noch einmal im Schnelldurchlauf Revue passieren... So unangenehm war selten ein Essen gewesen.
Ich ging den Gang weiter und am Ende der Treppe, die ich hoch musste, näherten sich Schritte.
Ich drehte mich um und ein bisschen zu nah, nur eine Treppenstufe entfernt, stand Leonard Moore.

„Ich wusste, ich würde Sie hier wieder sehen, als Ihr Vater mich anrief und seinen Namen sagte", gab er zu.

„Ich würde an ihren beruflichen Fähigkeiten zweifeln, wenn dies nicht der Fall wäre" , sagte ich kühl und war schon im Inbegriff, die Treppe hochzusteigen, doch er hielt mich auf.

„Warten Sie doch!
Ich wollte mich eigentlich bloß erkundigen, wie es mittlerweile um ihre Verlobung steht. Und wie geht es eigentlich ihrer Verstauchung?" 
Er deutete auf meinen Fuß.

„Ich wüsste nicht, was sie das angeht. Vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe. Und überhaupt," ich funkelte ihn wütend an,
„was fiel ihnen eigentlich ein, mich beim Essen in so eine unangenehme Lage zu bringen? Ich habe echt keine Lust mir noch eine Moralpredigt von meinem Vater anzuhören, wenn er herausfindet, dass ich bei einem völlig fremden Mann im Wohnzimmer gesessen habe, nachdem ich fast umgekommen wäre."

Ja. Ich hatte wirklich genug um die Ohren. Allein wenn ich daran dachte würde ich mich am liebsten in irgendeiner Ecke verkriechen.
Es kam auf mich zu, mein Vater wollte, dass ich einen Mann heirate, den ich 10 Jahre nicht mehr gesehen hatte...
Ich ignorierte den Gedanken wieder und sagte: „Sie können mich doch vor meinem Vater und Stephanie nicht so bloßstellen!
Und danke, meinem Fuß geht es schon deutlich besser. Er war wohl glücklicherweise doch nicht verstaucht" fügte ich hinzu.

Er blickte mich einfach nur mit seinen blaugrauen Augen an. Auch ich blickte ihn an und erneut überkam mich das komische Bedürfnis ihm die kleinen störrischen Haarsträhnen, die sich offensichtlich nie in seiner Frisur halten wollten, wegzustreichen.

Doch zum Glück bevor ich etwas tat, was ich bereuen würde, erweckte er uns beide aus dem Moment.
Er räusperte sich und meinte: „Ich sollte nochmal zu Ihrem Vater zurück und mit ihm die weiteren Schritte der Ermittlungen besprechen... Auf Wiedersehen Miss Audrey und eine Gute Nacht. Wir werden uns demnächst wiedersehen."

Ich stutze. Diese Worte klangen schön, ausgesprochen mit seiner rauen Stimme.
„Gute Nacht, Mr Moore."
Ich drehte mich um und ging möglichst würdevoll die Treppe hoch.

>Thannie<

Schwarz ist die Farbe der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt