17. Unfreiwillige Entscheidungen

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Den ganzen Weg lang plauderten wir über dies und jenes und nach einer Kurzen Zeit der Eingewöhnung ging mir das Du so leicht über die Lippen, als hätte ich ihn schon immer so persönlich angesprochen.
Es war leicht, sich mit ihm zu unterhalten. Auch wenn ich mich manchmal etwas schwer tat, weil mir etwas unangenehm war, ermunterte er mich, meine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Ich öffnete mich ihm mehr, als ich es vorgehabt hatte, wahrscheinlich war das sein Berufsgeheimnis.
Er schien sich nicht daran zu stören, dass meine Ansichten zu dem ein oder anderen Thema nicht ins gesellschaftliche Idealbild passten, und teilweise wirkte es so, als unterstützte er mich dabei sogar.
Mit jeder Minute, die vergang, verlor ich meine anfängliche Scheu, sodass bei unserer Ankunft regelrecht niedergeschlagen war, dass unsere Konversation ein Ende fand.

Beim Betreten des Buchladens bimmelte sanft eine kleine Glocke. Hinter mir schlüpfte Leo durch die Tür und schloss sie leise wieder. Im Raum war es, trotz der handvoll Kunden, außergewöhnlich still. Leo gebot mir den Weg in Richtung einer eher einsamen Ecke, die mir zuvor noch nie aufgefallen war. Kein Wunder, die Bücher in den Regalen dort sahen wie die Verkörperung von Unbedeutsamkeit aus.
Ich ließ meine Finger über die Buchrücken gleiten, über einen Einband nach dem anderen. Von den allermeisten Werken hier hatte ich nie auch nur ein Wort gehört. Anhand der Staubschicht auf meinem Seidenhandschuh schloss ich, dass der Großteil hier auch schon etwas länger stand.

„Sie sehen vielleicht etwas schäbig aus, aber hier sind wahre Goldschätze vergraben. Das hier zum Beispiel", meinte Leo und zog einen verhältnismäßig neu wirkenden Band aus der oberen Regalreihe.

„Ein Wunderwerk, hatte ich auch auf deine Liste gesetzt. Von einer Schriftstellerin, Frauenliteratur verdient viel mehr Aufmerksamkeit", bestimmte er. Ich nahm ihm das Buch aus den Händen und fuhr mit dem Finger die Kante entlang, bevor ich es aufschlug. Ich blätterte die ersten Seiten um und fing an den Prolog zu lesen. Schon nach den ersten Sätzen wusste ich, es würde mir gefallen. Und Leo hatte es anscheinend auch gewusst, er lächelte mich erwartungsvoll an.

„Ja. Wird mitgenommen." Mit einem Schmunzeln klappte ich das Buch wieder zu. „Sonst noch was?"

„Oh la la, du bist ja ganz schön motiviert! Was haben wir denn hier..."

Und so ging es eine Weile weiter. Leo zeigte mir ein Werk nach dem anderen, beschwerte sich, wenn eines nicht verfügbar war und vorallendingen offenbarte er mir einen Teil seiner Welt. Doch auch ich hatte mir im Laufe der Jahre einiges an Wissen abgelesen, das ich nun mit ihm teilte. Es war viel mehr als ein Geben und Nehmen, eher ein ebenbürtiger Austausch zwischen zwei lebendigen Seelen.

Auf dem Rückweg führten wir unser lebhaftes Gespräch fort und als Leo sich vor der Tür von mir verabschiedete, wurde ich zugegebenermaßen etwas wehleidig. Nachdem er um die Ecke verschwunden war, drehte auch ich mich um und betrat das Anwesen. Sitzend legte ich meine Errungenschaften, es waren vier Stück geworden, auf die Kommode im Eingangsbereich. Noch während ich meinen Mantel auszog, dröhnte jedoch der Bariton meines Vaters durch das halbe Haus.

„Audrey, du kommst jetzt her! Jetzt!"

Ich schloss die Augen, wollte nicht, was nun passieren würde. Seufzend erhob ich mich, es hatte schließlich keinen Zweck, es herauszuzögern.
In dem Moment, als ich die Tür hinter mir schloss, erschallte die Stimme von Mr. McKeene erneut.

„Audrey! Ich bitte dich nicht zweimal!"

Nun gut, dann würde ich mich eben beeilen. Kurz darauf stand ich dann auch schon im Rahmen zum Salon.

„Setz dich, wir haben ein bisschen mehr zu besprechen, es wird etwas dauern."

Den Blick meines Vaters meidend, ließ ich mich behutsam nieder.

Schwarz ist die Farbe der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt