16. Charmante Bücher und Brunch

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Nachdem ich aus meinem rätselhaften Traum aufgewacht war, rieb ich mir frustriert die Augen. Meine Träume waren immer so seltsam, wenn ich mich an sie erinnern konnte, und während mich die Unklarheit meines schlafenden ebenfalls im Wachzustand stresste, war ich auch darüber erleichtert, dass ich nicht einen der Alpträume hatte, die mich noch bis vor ein paar Wochen heimgesucht hatten.
Trotzdem konnte ich nicht umhin, mich zu fragen, was der Traum wohl bedeuten mochte. Vor allem, warum ausgerechnet Leonard dort war! Oder überhaupt, warum ich von diesen Männern träumte!

Ich setzte mich langsam auf und streckte mich, während ich mich an das kleine Stück Papier erinnerte, das Leonard mir am Abend zuvor gegeben hatte. Ich warf einen Blick auf den zerknitterten Zettel auf meinem Nachttisch und blickte dann hinüber zu dem unordentlichen Bücherregal in meinem Zimmer.

Ich stieß einen verschlafenen Seufzer aus, rieb mir noch einmal die Augen und fuhr mir durch die zerzausten Locken.

Als ich vor meinem Spiegel stand, schloss ich für einen Moment die Augen. Dann bürstete ich mir die Haare und ließ meine Gedanken zu den Ereignissen von gestern schweifen.

Mein Gespräch mit Ernest, das erste richtige Gespräch, das wir seit dem peinlichen Vorfall im Restaurant wirklich geführt hatten, ging mir durch den Kopf.
Ich hatte das Gefühl, ihn mehr zu respektieren, obwohl ich es ziemlich bemitleidenswert fand, so an eine Ehe heranzugehen, wie er es tat.
Dann war da noch Leonard, der irgendwie überall zu sein schien, wo ich hinging. Einerseits ärgerte es mich, dass er dachte, er könne einfach mit mir reden und mich necken, wann immer er wollte! Aber andererseits...

Ich öffnete die Augen wieder und blickte von meinem schläfrigen Spiegelbild weg und hinüber auf seine handgeschriebene Notiz.

Vielleicht war es gar nicht so schlecht, einen Freund wie ihn zu haben...

Daisy war großartig, aber es fühlte sich einfach anders an, wenn ich mit Leonard zusammen war. Obwohl unsere ersten Interaktionen nicht so banal waren, wie ich es mir gewünscht hätte, schien es ihm nie wirklich etwas auszumachen, dass ich praktisch sein Boss bin, und obwohl er nicht weiß, wie er sein verdammtes Haar richtig kämmen soll.

Mein Spiegelbild errötete leicht, ich schaute schnell weg und beeilte mich, mit meiner Frisur fertig zu werden.

Vielleicht könnten wir Freunde sein... Ich hatte nie viele Freunde, da Vater mich nie mit den anderen Kindern spielen ließ. Und außerdem... war er gestern Abend und die meisten Male davor so nett zu mir. Vielleicht ist das ein guter Weg, um mich von den Dingen abzulenken.

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Ich betrat den Speisesaal, um den seltenen Anblick meines Vaters beim Frühstück zu sehen. Der Tisch war mit den Lieblingsfrühstücksgerichten meines Vaters dekoriert, und der Duft seines Kaffees war allgegenwärtig. Ich war fast geblendet von dem Licht, das aus den großen Fenstern strömte, und fühlte mich plötzlich wieder ein wenig schläfrig. Der Klang der leisen Unterhaltung wurde für mich deutlicher, als ich am Eingang stand und niemand anderen als Leonard Moore neben meinem Vater sitzen sah. Sein unbekümmertes Lächeln, als er mit meinem Vater sprach, nehme ich an, um ihm von seinen Plänen zu erzählen. Vor ihm lagen ein paar Papiere neben seiner Kaffeetasse und seinem kaum angerührten Croissant.

„...Also glaube ich wirklich, dass ich eine Spur gefunden habe, Mr. McKeene. Natürlich sammle ich immer noch die Beweise und achte darauf, dass ich mich nicht zu sehr auf einen einzigen Hinweis fixiere, aber ich mache auf jeden Fall Fortschritte."

„Für einen Anfänger in der Detektivarbeit sind Sie wirklich gut in Ihrem Job, Mr. Moore. Machen Sie weiter so! Aber geben Sie Acht, dass Sie nicht zu übermütig sind. Auch in einer Zeit des Friedens kann man nie zu sicher sein."

Mein Vater lachte, als er etwas von seinem Kaffee trank, und Leonard nickte höflich und nahm selbst einen Schluck. Ich lächelte da ich sah, wie angespannt er im Vergleich zu unseren Begegnungen schien. Natürlich konnte Vater seinen Eingestellten gegenüber einschüchternd sein, aber er war ein guter Mann. Ich wünschte nur, er wäre auch so ein Guter mit der Familie zusammen.

„Guten Morgen, Vater", begrüßte ich ihn, als ich mich beiläufig zu ihnen an den Tisch setzte und Mrs. Adams davon abhielt, mir eine Tasse Tee einzugießen.

„Guten Morgen, Audrey, mein Liebling. Wie kommt es, dass du dich schon beim Frühstück herausgeputzt hast? Normalerweise muss Mrs. Adams dir aus dem Bett helfen", lachte mein Vater. Mrs. Adams lächelte mich an, als ich mir meinen eigenen Tee eingoss und einen vorsichtigen Schluck nahm. Leonard nickte mir zu und hörte höflich zu, er wollte seinen Chef nicht unterbrechen.

„Nun, gestern Abend fiel mir auf, dass ich schon lange kein gutes Buch mehr gelesen habe, also dachte ich, ich muss mir noch ein paar Exemplare suchen, um mich zufrieden zu stellen. Ich habe vor, in den Buchladen zu gehen, wenn es dir nichts ausmacht, natürlich."

„Hast du vor, allein zu gehen, meine Liebe?", fragte mein Vater.

„Vater, es ist hell draußen und es werden sicher viele Leute da sein."

„Exakt, ich denke, dass sie alleine zurechtkommen würde, Sir.", fügte Leonard hinzu. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, als mein Vater ihn sichtlich überrascht ansah.

„Genau. Aber davon abgesehen hatte ich überhaupt nicht vorgehabt allein zu gehen."
Ich warf einen Blick zu Leonard.
„Mr. Moore kommt mit mir."

Er zog die Augenbrauen hoch.
„Wirklich? Tue ich das?"

Wieder schaute Vater ihn mit einem überraschten Gesichtsausdruck an und Leonards Gelassenheit war ebenfalls für einen Moment am schwanken. Ich sah ihn eindringlich an und gestikulierte ihm, er solle bitte mitspielen. Mrs. Adams lächelte belustigt neben mir.

„Haben Sie das schon vergessen? Ich fragte Sie gestern Abend, erinnern Sie sich? Sie sagten mir, dass Sie kommen würden, um Vater Ihre Fortschritte vorzustellen, und ich dachte, Sie könnten mich genauso gut in den Buchladen begleiten, wenn Sie schon hier sind."

„Ich meine - natürlich habe ich es nicht vergessen. Die Wünsche von ihnen Miss McKeene sind genauso wichtig wie die Untersuchung." Er versuchte, geschickt zu sein, und ich rollte mit den Augen, leicht darüber verärgert. Andererseits fiel es mir schwer, mein Lächeln zu unterdrücken.

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Nachdem wir ein Brötchen abgeholt hatten, machten Leonard und ich uns auf den Weg zur Buchhandlung. Auf den Straßen war viel los, alle eilten zur Arbeit. Leonard hielt unser Frühstück in einer kleinen Papiertüte, die Mrs. Adams sauber verpackt hatte, da ich darauf bestand, vor dem Frühstück zu gehen, und Leo seinen Teller kaum angerührt hatte.

„Wie kommt es, dass Sie so schüchtern waren, Mr. Moore? Sie sind immer ganz anders, wenn wir unter uns sind. Aber eben-"

„Leonard", unterbrach er mich. „Oder Leo, wenn es Ihnen besser gefällt. Und ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen, Audrey.
Ich darf Sie doch Audrey nennen, oder?"

Ich nickte zögerlich.
„Jedenfalls, Sie waren ziemlich förmlich, als Sie mit Vater sprachen. Sie - du wirktest so angespannt, dass du deinen Teller kaum angerührt hast! Mrs. Adams war bestimmt schon besorgt, dass Ihnen das Frühstück nicht schmeckt."

„Ich könnte unmöglich Mrs. Adams beleidigen. Ich war nicht schüchtern! Ich war nur... professionell."

„Mr. Moore, ich bin mir ziemlich sicher, dass Ihr unordentliches Haar nicht gerade professionell ist."
Mein Gesicht rötete sich bei meinen eigenen Worten. Ich bedeckte einen Augenblick später noch meinen Mund. Ich räusperte mich und hob den Kopf und versuchte mein Bestes, nicht einmal einen Blick mit ihm zu wagen... Aber er lächelte, und verdammt, ich konnte es nicht ertragen.

„ Lass uns nicht förmlich sein und ich lasse es durchgehen"

„Aber Mr. Moore..."

„Dir gefällt also meine Frisur, hm?", sagte er mit einem frechen Schmunzeln auf den Lippen.

„Nein, Leo, red keinen Unsinn", lächelte ich.

Kitty

Schwarz ist die Farbe der SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt