Ich ging zurück in mein Zimmer und schmiss mich erneut rücklings auf mein Himmelbett und augenblicklich schweiften meine Gedanken zurück zum zufälligen Gespräch mit Leo.
War es überhaupt so zufällig gewesen?
Oder hatte er mich beobachtet?Bei dem Gedanken, dass es möglicherweise so gewesen war, breitete sich ein seltsam kribbeliges Gefühl in mir aus.
Ich erinnerte mich an seine strahlenden Augen, die mich fixierten.
Unbemerkt schlossen sich meine Hände fester um den Zettel, den mir Leonard Moore gerade gegeben hatte.
Seine Haarsträhnen kamen mir als Nächstes in Erinnerung, wie sie ihm widerspenstig ins Gesicht fielen und wie es meine ganze Kraft brauchte, mich zurückzuhalten, sie nicht zu berühren.
Meine Fingernägel, die sich schon schmerzhaft in meine Handfläche bohrten, holten mich aus meinen Gedanken.
Noch nie hatte ich so von einem Mann gedacht und es passte auch gar nicht zu mir, denn schließlich hatte ich gerade einen Heiratsantrag abgelehnt, um mich selbst zu verwirklichen und unabhängig zu sein.
Als ich an den Heiratsantrag dachte, wurde mir etwas mulmig zumute, denn ich hatte immer noch nicht darüber nachgedacht, wie ich meinem Vater beibringen sollte, dass Ernest und ich uns nicht verlobt hatten.
Und ich wusste, dass mein Vater insgeheim gehofft hatte, dass wir genau das bei unserem gemeinsamen Aufenthalt auf dem Land endlich taten.Um mich davon abzuhalten, noch mehr zu denken, entschied ich mich, ein Buch zu lesen und erst jetzt fiel mir auf, dass ich vollkommen vergessen hatte, mir eins aus der Bibliothek zu holen, wie ich es ursprünglich geplant hatte.
Um jedoch der Gefahr zu entgehen, Leonard Moore nochmals zu treffen, musste ich wohl oder übel ein mir bereits bekanntes aus meinem Zimmer lesen.
Ich schlug einen Kriminalroman auf und las die ersten Wörter, doch schon da erwischte ich mich dabei, wie meine Gedanken wieder abschweiften.
Warum konnte ich nicht aufhören, an ihn zu denken?
Wie schaffte er es, jedes Mal, wenn wir uns unterhielten, mich so durcheinander zu bringen?
Wie konnte ich mich so wohl fühlen, über ihn nachzudenken, und trotzdem in seiner Nähe so aufgeregt und verlegen sein?
Und warum, um alles in der Welt, kam es so rüber, als investigierte er gar nicht, obwohl er schließlich nur dafür hier war?Frustriert klappte ich das Buch wieder zu und starrte an die Wand. Ich war viel zu durcheinander, um mich auf die Worte konzentrieren zu können.
Und nach einer Weile schlief ich schließlich ein.....
Ich befand mich auf einer Wiese. Ich schloss meine Augen und genoss die Sonne auf meiner Haut, sie wärmte mich.
Ich fühlte mich wohl und plötzlich erkannte ich warum. Dies hier war die Wiese direkt am Anschluss an unseren Landsitz. Auf dieser Wiese sammelte ich viele meiner schönsten Kindheitserinnerungen.
Ich schlug die Augen auf um alles zu betrachten.Glücklich und unbeschwert lief ich über die Wiese. Ich lächelte.
Doch dann sah ich mich um und blieb abrupt stehen. Mein eben noch glückliches Lächeln verwandelte sich in eine Mischung aus Verwirrung und leichter Panik.
Ich blickte nach rechts und sah... mich.
Aber es schien nicht mein gegenwärtiges Ich zu sein, sondern irgendwie eine ältere Version von mir.
Um mich herum standen drei Kinder und dort, in leichter Entfernung... erkannte ich da Ernest Wakefield?
Er rief nach mir und und wir vier winkten ihm lächelnd.Ich schaute nach links und erblickte eine dritte Audrey. Diese sah mehr aus wie ich. Sie hockte auf der Erde, angelehnt an einen Zitronenbaum, las in einem Buch und wirkte konzentriert, bis ein Mann sich von hinten näherte und sich zu ihr setze. Dabei erkannte ich sein Gesicht. Es war das von Leonard Moore.
Ich wandte meinen Blick zurück zu der Version mit Ernest und dann wieder zu der Version mit Leonard.
Was hatte das zu bedeuten?Plötzlich näherten sich mir die beiden und fingen gleichzeitig an, auf mich einzureden.
Dann verwandelten sich ihre Stimmen in ein einziges, surrendes Gemurmel. Ich drehte mich um und fing an zu laufen. Einfach geradeaus. Einfach weg. Doch mit jedem Schritt den ich tat wurde es kälter und als ich nach unten schaute merkte ich, dass meine nackten Füße bereits im Zentimeter hohen Schnee einsanken, der nun in dicken Flocken auf mich nieder rieselte...Ich schlug die Augen auf und keuchte. Es war ein Traum gewesen! Aber was hatte dieser zu bedeuten?
> Thannie<
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Schwarz ist die Farbe der Seele
Mystery / ThrillerLondon, 1923: Eine Reihe grausamer Morde betrübt zunächst nur das Anwesen der McKeenes, doch bereits nach kurzer Zeit erwecken die Vorfälle in der ganzen Stadt Aufsehen. Und mittendrin entbrennt die verzweifelte Liebe zweier junger Personen. Was zu...