Ich warf einen Blick zu Ernest der mir aufmunternd zulächelte.
Natürlich war er der Meinung, dass ich das Richtige tat. Und vielleicht war das auch so.
Trotzdem wollte ein großer Teil von mir kehrtmachen und einfach weglaufen. Vor der Heirat, den Morden, einfach allem. Sogar vor Leonard. Vor allem vor Leonard
Aber ich wusste, dass es keinen Sinn machte darüber nachzudenken, denn letzten Endes blieb mir nichts anderes übrig. Ich würde das beste daraus machen müssen. Soweit das möglich war.„Nur, um das noch einmal klarzustellen", wandte ich mich an Ernest, „zwischen uns wird sich nichts ändern, egal ob wir verheiratet sind oder nicht. Ich werde meinen Weg gehen und du deinen und unsere Beziehung dient dabei lediglich der Öffentlichkeit. Wir lassen uns also nur gelegentlich zusammen sehen und tun so, als wären wir ein verliebtes Ehepaar, damit die Leute nicht reden und mein Vater zufrieden ist."
Ich konnte in seinem Ausdruck sehen, dass er immer noch nicht genau wusste, was er davon halten sollte. Verständlich, schließlich wären wir beide unseren Ruf los, wenn herauskäme, das wir eine untreue Ehe führen würden.
Dennoch nickte er.
„So hatten wir es gestern besprochen."„Richtig."
Wir bogen um eine Ecke, hinter der sich das Foyer öffnete.„Möchtest du, dass ich dich begleite, Audrey?", fragte Ernest als wir an der Tür zum Speisesaal halt machten.
Ich schüttelte den Kopf.
„Danke, aber ich sollte besser alleine mit Vater sprechen. Wir sehen uns morgen?"„In Ordnung"", willigte er ein. Dann gab er mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang.
Mein Vater strahlte, als ich ihm von meinem Entschluss in Kenntnis setzte.
„Ich freue mich, dass du doch noch zur Vernunft gekommen bist, Audrey Schätzchen"", sagte er und tätschelte meine Hand.
„Du wirst sehen, du hast die richtige Entscheidung getroffen."Er sagte das so, als hätte ich eine andere Wahl gehabt und mich freiwillig für die Heirat mit Ernest entschieden. Wie es zu meinem plötzlichen Sinneswandel gekommen war, schien ihn dennoch nicht zu interessieren. Warum auch? Er hatte sein Ziel erreicht.
Ich bemühte mich, ein überzeugendes Lächeln aufzusetzen und fing an zu essen.
***
Ich hatte gedacht, dass die Sache damit erledigt war und ich bis zur Hochzeit von all dem verschont bleiben würde. Zu meinem Bedauern war es jedoch nicht so.
Denn kaum drei Tage später verkündete mir mein Vater, dass er eine Verlobungsfeier für Ernest und mich organisiert hatte. Um es „ganz offiziell zu machen".
Und mein Bedauern wurde noch größer, als ich erfuhr, dass er so gut wie halb London dazu eingeladen hatte. Plus meine Tante aus Edinburgh.Nichtsdestotrotz war ich entschlossen, mein Vorhaben durchzuziehen und meine Rolle zu spielen, weswegen ich mich am Tag der Feier geduldig von Mrs Adams frisieren ließ und mir extra viel Mühe bei meinem Make-up gab.
Als ich mich im Spiegel betrachte musste ich zugeben, dass ich wirklich sehr schön aussah. Wenigstens etwas.Auf dem Flur traf ich auf Ernest, der wohl gerade auf dem Weg zu meinem Zimmer gewesen war.
Als er mich sah hob er anerkennend die Augenbrauen.„Meine Liebste, täuschen mich meine Augen oder bist du heute gar noch schöner als sonst?", fragte er in einem überschwänglichen Ton.
Ich verdrehte die Augen und hakte mich bei ihm ein.
„Fang bloß nicht damit an", erwiderte ich, woraufhin sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen stahl. Und da wusste ich, dass doch noch mehr vom alten Ernest in ihm steckte, als ich gedacht hatte.
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Schwarz ist die Farbe der Seele
Mystery / ThrillerLondon, 1923: Eine Reihe grausamer Morde betrübt zunächst nur das Anwesen der McKeenes, doch bereits nach kurzer Zeit erwecken die Vorfälle in der ganzen Stadt Aufsehen. Und mittendrin entbrennt die verzweifelte Liebe zweier junger Personen. Was zu...