Kapitel 1

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Eigentlich sollte es ein Tag werden wie jeder andere auch. Wir sollten langweiligen Unterricht haben, in welchem wir noch weniger lernen, als in den letzten Jahren schon. Weil wir gefühlt alles schon mindestens einmal gehört haben.

Doch aufgrund unerwarteter Ereignisse wurde der Unterricht abgesagt und wir haben eine Art Hausarrest bekommen. Es sollen sich spontan ein paar Werwölfe angekündigt haben, die wir nicht sehen dürfen. Normalerweise würde mich das nicht interessieren, doch heute ist irgendwie alles anders. Daher habe auch ich mich in einem der Gemeinschaftssäle eingefunden und warte gespannt auf Neuigkeiten.

„Sie kommen!", höre ich viele Mädchen aufgeregt flüstern, kann darüber jedoch nur die Augen verdrehen. Die sind alle noch so naiv! Anders als die letzten Male wurden wir auf unsere Zimmer geschickt und nicht im großen Saal zusammengerufen. Natürlich haben sich alle in den Gemeinschaftsräumen zusammengefunden und spekulieren wild darüber, was hier wohl gerade los ist. Das hier irgendwas faul ist, daran habe ich jedoch keinen Zweifel. Die Lehrer sind nervös und sogar der Direktor persönlich ist die ganze Zeit wild umher gelaufen.

Genervt verlasse ich den Gemeinschaftsraum und gehe auf mein Zimmer. Diese ganzen Wünsche und Vorstellungen einiger Mädchen gehen mir tierisch auf die Nerven. Besonders, wenn ich bedenke, dass ich früher genauso gewesen bin. Doch nun ist alles anders. Ich bin nicht mehr so blauäugig und glaube an das Gute in der Welt.

In meinem kleinen Zimmer angekommen öffne ich das Fenster und klettere hinaus aufs Dach. Das ist das Gute an einem Zimmer ganz oben. Man kann unbemerkt aufs Dach und darüber bis zu den Dachfenstern der großen Halle laufen. Was ich auch genauso mache. Schnell komme ich an meinem Ziel an. Das immer leicht geöffnete Dachfenster der großen Halle.

Unten in der Mitte steht der Direktor und um ihn herum stehen die meisten unserer Lehrer. Leise flüstern sie untereinander, weshalb ich es leider von hier aus nicht verstehen kann. Doch mein Einsatz wird trotzdem belohnt, da lautstark die große Tür aufgestoßen wird, welche mit einem lauten Knall gegen die Wand donnert. Das nenne ich mal einen dramatischen Auftritt! Mehrere dunkel gekleidete Personen betreten den Raum und stellen sich in einer Gruppe zusammen auf, auch wenn sie auf einen gewissen Abstand zu den Anderen zu achten scheinen. Einerseits sehen sie aus wie ein Rudel, andererseits auch wieder nicht.

„Was wollt ihr hier? Ihr wurdet nicht eingeladen!", ergreift unser Direktor das Wort und richtet sich gerade auf. Wahrscheinlich um seine Autorität hervorzuheben. Doch dem leisen Lachen der dunklen Gestalten nach scheint das nicht zu funktionieren. „Wir brauchen keine Einladung. Wir laden uns selbst ein und ein nichtsnutziger Mensch wie du kann uns nicht aufhalten.", gibt eine Stimme aus der Gruppe von sich und die anderen geben zustimmende Laute von sich. Doch unser Direktor zieht sich nicht zurück. „Vielleicht seit ihr Stärker als ich. Aber dies ist eine Schule für Mädchen, die später Mates in Rudeln auf aller Welt werden. Und diese Rudel werden uns immer verteidigen. Auch gegen euch!" Eins muss ich ihm ja lassen, Rückgrat hat er ja. Auch wenn die Stimmung der Eindringlinge bei dieser Aussage merklich in Anspannung gewechselt ist.

„Du drohst uns also.", meint nun ein Mann, welcher durch die Menge nach vorne tritt. Bereitwillig machen ihm alle Platz und weichen zurück. Er wirkt sogar von hier aus noch aggressiver und bedrohlicher als die Gruppe an sich schon. „Du willst uns unsere Mates vorenthalten." Nun ist er vorne angekommen und baut sich vor der Gruppe von Lehrern auf, die alle ziemlich ängstlich wirken. Sogar unser Direktor. „Du willst dich also mit uns anlegen!" Bei jedem Satz wird er lauter und das Knurren am Ende ist laut und deutlich zu hören.

„Nein, dass will ich nicht. Aber ich habe Verantwortung für meine Schülerinnen und der muss ich nachkommen. Ihr seid Omegas und daher steht euch eine Mate nicht zu!", gibt er zurück, auch wenn seine Stimme etwas zittert. Nun wird es ja interessant. Was ist ein Omega? Wir haben viel über Rudel gelernt. Alphas, die Anführer und Stärksten ihrer Art. Die Betas, ihre rechte Hand und Berater. Die normalen Wölfe, welche sich auf verschiedene Gebiete spezialisiert haben, um dem Rudel bestmöglich von Nutzen zu sein. Die Luna, die Mutter des Rudels und Mate des Alphas. Und die Rouges. Die ausgeschlossenen, verbannten und meist nur auf das sinnlose Töten fokussierten Werwölfe. Aber von Omegas ist niemals die Rede gewesen.

„Nur, weil ihr das so beschlossen habt entspricht das noch lange nicht der Wahrheit!", knurrt wieder ein Wolf aus der hinteren Reihe, dessen Anspannung beinahe mit den Händen zu greifen ist. Doch der Mann an der Spitze lacht nur trocken auf. „Es stimmt, die Rudel haben beschlossen, dass wir an euren Mate-Bällen nicht teilnehmen dürfen. Doch auch wir besitzen Mates, welche die Mondgöttin für uns vorgesehen hat. Und wir werden nicht hinnehmen, dass ihr uns diese vorenthaltet. Wir haben lange gewartet und uns geduldet. Doch unsere Geduld ist am Ende. Wir holen uns, was uns rechtmäßig zusteht."

Zustimmendes heulen ertönt aus den Reihen hinter ihm, was mir einen Schauer über den Rücken jagt. Und auch unsere Lehrer wer-den deutlich blass, als sie das hören. „Das könnt ihr nicht tun! Die Mädchen sind nicht auf euch und eure Lebensweise vorbereitet! Sie werden daran sicherlich zu Grunde gehen!", gibt unserer Direktor bestürzt von sich und wirkt direkt verzweifelt. Wahrscheinlich hat er wirklich nicht die Macht dieser Gruppe etwas entgegen zu setzen. Doch diese Aussage scheint die Eindringlinge wieder zur Vernunft zu bringen. Denn zumindest sind sie nun ruhig. Einige haben den Kopf schief gelegt, als würden sie sich angeregt unterhalten. Manche wedeln sogar mit den Händen, als wäre sie in einer angeregten Diskussion. Wahrscheinlich unterhalten sie sich gedanklich gerade miteinander.

Dann hebt der vordere Mann die Hand und alle stellen sich wieder aufrecht und ruhig auf ihren Platz. „Wir haben beschlossen, dass ihr einen Monat Zeit habt, um die Mädchen auf uns vorzubereiten. Dann sind wir wieder hier und werden jene mitnehmen, welche als unsere Mates auserwählt worden sind. Doch seid gewarnt. Wenn ihr sie wegschafft, dann werden wir es erfahren. Wenn ihr die Rudel gegen uns aufbringt, dann werden wir kämpfen. Und wenn ihr euch mit uns anlegen wollt, dann werdet ihr sterben. Denn wir sind Omegas und schrecken vor nichts zurück. Niemand kann uns aufhalten!"

Damit wenden sich alle um und gehen wieder den Weg, des sie gekommen sind. Zurück bleiben erschrockene Lehrer und ein völlig verzweifelt aussehender Direktor, der sich die Haare rauft. „Was sollen wir nur tun?", bricht eine Lehrerin das Schweigen und scheint damit alle aus ihrer Starre zu holen. Wilde Diskussionen beginnen, wobei eine Idee merkwürdiger scheint als die nächste. Doch schließlich schaltet sich der Direktor ein. Er hat lange mit sich gerungen und scheint auch nicht glücklich über seine Entscheidung, doch mit gestrafften Schultern sorgt er nun für Ruhe.

„Wir haben vier Wochen, um die Jahrgänge drei und vier auf die Möglichkeit vorzubereiten die Mate eines Omegas zu sein. Die derzeitigen Lehrpläne lassen wir außen vor und werden den Mädchen alles beibringen, was sie zum überleben gebrauchen können. Ich werde zusätzliche Lehrkräfte anreisen lassen, die ein Spezialtraining mit ihnen durchführen. Besonders Selbstverteidigung und Überleben in der Natur werden nun die wichtigsten Themen sein." Erschrockenes einatmen ist zu hören und Empörung macht sich breit. „Sie können die Kinder doch nicht einfach so einem Omega mitgeben!" „Was haben wir denn für eine Wahl?"

Wieder gehen die Diskussionen los, doch da es langsam kalt wird entferne ich mich vorsichtig vom Fenster und laufe zurück zu meinem Zimmer. Ich habe genug gehört, um in Ruhe erstmal darüber nachdenken zu können. Doch kaum bin ich in meinem Zimmer und habe das Fenster wieder hinter mir geschlossen, geht meine Zimmertür auf und meine Klassenkameradinnen kommen herein. „Also, Kaily, was hast du herausgefunden?"

Ausbildung zur Mate - Omegas LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt