Kapitel 8

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Gemeinsam verlassen wir die Hütte. Elias läuft links von mir und scheint ein wenig mit sich zu ringen. Vielleicht bereut er seine Frage bereits? Doch das ist mir egal. Ich will wirklich gerne etwas mehr über den Ort erfahren wo die anderen Mädchen und ich nun leben.

Es ist heller als ich erwartet habe. Hier stehen die Bäume nicht so dicht und mehr Sonnenstrahlen finden den Weg durch die Baumwipfel. Überrascht sehe ich mich um. Gestern, im Dunkeln, konnte man ja kaum etwas erkennen.

Überall sind kleinere Beete angelegt, wo diverses Gemüse und Kräuter angebaut sind. Mit jeder Minute fühle ich mich wohler. „Wenn du diesen Weg weiter gehst kommst du zu den Tieren. Wir haben Hühner und Ziegen. Solltest du Eier oder Milch benötigen, dann müsstest du dir dort alles holen können.", beginnt Elias schließlich mit einigen Erklärungen und lässt mich interessiert in die jeweilige Richtung schauen.

„Ein Brunnen mit frischem Wasser befindet sich dort hinter der Baumreihe, sollte mal das Wasser ausfallen. Über die Solaranlagen auf dem Dach wird jedes Haus mit Strom versorgt. Aber im Winter reicht es meist nicht aus. Dazu haben wir überall einen Kamin und Holz an einer Seite des Hauses gestapelt."

Wir laufen weiter durch den Wald und kommen näher an eine Hütte, welche sich scheinbar am Rand befindet. Hier stapeln sich diverse Baumstämme und Holzscheite. „Hier sollte genügend Holz sein, falls es dir ausgeht. Oder du fragst einfach jemanden und dann füllen wir es auf. Ich sorge schon dafür, dass hier immer genügend Scheite vorhanden sind."

Zustimmend nicke ich und versuche mir den Weg zu merken, den wir bereits zurückgelegt haben. Doch mir ist schon jetzt klar, dass ich mich mehr als einmal verlaufen werde. Trotz unseres Unterrichts sieht für mich hier beinahe alles gleich aus. Elias scheint meine Orientierungsprobleme zu bemerken und stößt ein raues Lachen aus.

Es klingt schön, weshalb ich ein eigenes Kichern nicht mehr unterdrücken kann. Stumm gehen wir nebeneinander weiter. „Wenn du noch ein paar Pflanzkübel brauchst, dann sag bescheid. Ich baue eigentlich immer irgendetwas aus Holz."

Nun beginnen wir eine Runde zu laufen und Elias erläutert mir, wer bei den Omegas für was zuständig ist. Drei gehen einkaufen, zwei kümmern sich um die angebauten Pflanzen. Einer um alle elektronische Geräte und Elias selbst um alle handwerklichen Dinge. Jeder hat seine Aufgabe und geht dieser Gewissenhaft nach, was ich beeindruckend finde. Niemand ist überflüssig oder drückt sich vor seinen Aufgaben.

Nun halte ich es für meine Pflicht auch die Talente der Mädchen zu nennen. „Finja kennt jedes einzelne Kraut und wofür es verwendet werden kann. Mit Sarah wird man sich nirgends verlaufen. Ich weiß nicht wie sie das anstellt, doch so ist es.", gebe ich lachend von mir und folge Elias einen schmalen Pfad entlang.

„Madeline und Jessica haben einen grünen Daumen und schaffen es noch jede tot geglaubte Pflanze zu retten. Christin interessiert sich unglaublich für das Heilen und weiß genau, was man bei welcher Verletzung zu tun hat. Rebecca kann aus den einfachsten Hilfsmitteln ein Feuer entfachen."

Wir kommen an einem kleinen See an, welcher traumhaft aussieht. „Yasmin kann super angeln und wenn du Helena einen Speer oder einen Bogen in die Hand drückst, erlegt sie dir jedes Tier. Das wird dann meist zu Lydia gebracht, welche die Tiere hervorragend auseinander nehmen kann."

Nun kommen wir auf wundersame Weise wieder vor meiner Hütte an und mir ist nicht ganz klar, wie wir das gemacht haben. Doch mit einem leichten Kopfschütteln akzeptiere ich diese Tatsache einfach. „Und was ist dein großes Talent?", fragt Elias leise nach und mustert mich genau. Ich will gerade antworten, da kommen aus allen Richtungen meine ehemaligen Mitschülerinnen angerannt, welche ein Kampfgeschrei ausstoßen.

Lachend wende ich mich ihnen zu und wehre ihre Schläge alle nacheinander ab. Konzentriert weiche ich ihnen aus und ziehe einer nach der anderen die Füße unter dem Körper weg, bis alle stöhnend am Boden liegen. „Ihr versucht es auch immer wieder!", lache ich laut auf und will gerade Finja vom Boden hochhelfen, als ich plötzlich den Boden unter den Füßen verliere und mit einem mädchenhaften Kreischen irgendwo in der Luft hänge.

„Das musst du aber noch etwas üben. Man kann sich hervorragend an dich anschleichen.", höre ich Elias unter mir brummen und weiß nun, auf wessen Schulter ich mich gerade befinde. „Offensichtlich.", gebe ich missmutig von mir und zappele etwas rum. Doch der Wolf lässt mich einfach nicht runter. „Dafür machst du uns allen Abendbrot. Und ich zeige dir noch einige Tricks." Überrascht von diesem Angebot halte ich absolut still. „Heute gibt es Pizza und ihr stellt hier Stühle und Bänke auf. In der Hütte ist es zu klein.", gebe ich bestimmend von mir und die anderen brechen in lautem Jubel aus.

Sofort werde ich wieder auf dem Boden abgesetzt, was mich etwas ins straucheln bringt. Reflexartig halte ich mich an dem T-Shirt vor mir fest und spüre warme Hände auf meiner Hüfte, welche mich festhalten. Langsam lösen Elias und ich uns wieder voneinander. Die Mädchen sind bereits dabei zu planen, was alles auf die Pizza kommen soll und laufen schon los, um das ein oder andere aus ihren Kühlschranken zu besorgen.

„Mit uns herrscht hier sicherlich sehr viel mehr Leben.", gebe ich grinsend von mir und beobachte den Hühnerhaufen, welchen ich als meine Freundinnen bezeichne. „Zweifellos. Aber das ist gut so.", brummt es hinter mir und auch wenn ich nicht weiß wie es vorher war, finde ich es jetzt viel besser. Es wirkt lockerer und familiärer, auch wenn die Wölfe noch sehr reserviert sind.

Doch meine Freundinnen scheinen glücklich zu sein. Ihre Mates kann ich zwar noch nicht so richtig einschätzen, doch ich habe das Gefühl das ihr komplettes Auftreten eher Fassade ist, um die Rudel abzuschrecken. Morgen will ich mal mit Layla und vielleicht auch noch dem ein oder anderen Mädchen aus anderen Rudeln telefonieren, um nachzufragen, wie es ihnen so geht. Dabei darf ich jedoch nicht verraten, wie nett und freundlich die Wölfe hier wirklich sind. Wir würden wohl zu Zielscheibe aller Rudel werden.

Nachdenklich schaue ich in den Himmel. In wenigen Tagen ist Vollmond und dann bin ich gespannt, wer danach noch nicht mit seinem Gefährten verbunden ist. Wir haben in der Schule gelernt, dass die Wölfe in der Nähe ihrer Mates immer um ihre Selbstbeherrschung kämpfen müssen. Der Drang diese mit einem Biss zu markieren und dann mit ihr zu schlafen muss besonders stark sein, wenn Vollmond ist.

Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen und muss die Mädchen mal fragen, wie sie sich damit fühlen. Ob sie dahingehend irgendwelche Bedenken oder Ängste haben. Nachdenklich gehe ich in meine Hütte und überlege, wie ich die Mädchen so fragen kann, dass sie ehrlich antworten können ohne, dass ihre Mates es hören. Es wird schwierig.

Ausbildung zur Mate - Omegas LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt