Kapitel 2

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Nachdem ich meinen Freundinnen erzählt habe, was ich auf dem Dach gehört und herausgefunden habe, haben wir noch eine ganze Weile diskutiert. Und sind zu dem Entschluss gekommen, dass wir abwarten was unsere Lehrer uns mitteilen werden, ehe wir genauer nachhaken. Denn ich bezweifle stark, dass sie direkt mit der Wahrheit rausrücken werden.

Und genauso ist es. Als wir fünf uns am nächsten Tag zum Unterricht einfinden, taucht unsere Lehrerin, Frau Gerhardt, mit einigen Arbeitsblättern auf, welche sie uns kommentarlos austeilt. Und dann lese ich die Überschrift und kann ein lautes Auflachen nicht mehr zurückhalten. ‚Projektwoche' steht groß und breit darauf, worüber ich nur die Augen verdrehen kann. „Kaily, möchten sie sich dazu äußern?", fragt meine Lehrerin spitz, weshalb ich jedoch nur ein breites Lächeln aufsetzen kann. Wenn das mal keine Vorlage ist! Entspannt lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und schaue Frau Gerhardt herausfordernd an. „Was ist denn ein Omega?" Keine meiner Freundinnen verzieht eine Miene. Wir alle sehen dabei zu, wie Frau Gerhardt langsam blass wird und mich mit offenem Mund anstarrt. „Woher weißt du davon?", fragt sie entsetzt nach und kann scheinbar nicht glauben, was sie gerade gehört hat.

„Nun erzählen sie schon, oder müssen wir ihnen alles aus der Nase ziehen?", frage ich leicht genervt nach und verschränke die Arme vor meinem Körper. Auch meine Freundinnen sehen Frau Gerhardt abwartend an, welche schließlich mit einem deprimierenden Kopfschütteln aufgibt. "Ich hole den Direktor. Es ist schließlich seine Verantwortung." Damit hat sie schon den Raum verlassen. Kurz wechseln wir alle bedeutungsvolle Blicke, bleiben aber erstmal ruhig und warten ab.

Bis unser Direktor endlich erscheint, mit einigen Sorgenfalten im Gesicht und deutlich blass. Erschöpft setzt er sich auf den Lehrer-tisch und mustert uns, bis sein Blick an mir hängen bleibt. Ein schwaches Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. "Ich hätte wissen müssen, dass du an jede Information kommst, Kaily. Auch, wenn ich mich jedes Mal aufs neue frage, wie du das anstellst." "Das bleibt mein Geheimnis, Herr Direktor. Und jetzt erzählen sie schon, statt uns abzulenken.", verlange ich ernst und unnachgiebig.

Nun gibt unser Direktor ein nachgiebiges Seufzen von sich und atmet noch einmal tief durch, ehe er uns ernst ansieht. "Zunächst einmal muss ich euch sagen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, das ihr einen Omega als eure Gefährten habt. Also hört bitte genau zu." Nun kann ich ein Lächeln nicht mehr zurückhalten. Als würde das nicht jede Einzelne von uns wissen.

"Omegas sind Einzelgänger. Ursprünglich waren immer ein oder zwei von ihnen auch in jedem Rudel zu finden, lebten jedoch nur am Rand und hatten kaum Kontakt zum Rest. Bis sie sich schließlich abspalteten und eine Art eigenes Rudel gründeten. Wie sie heute leben ist allerdings nicht bekannt. Deshalb werdet ihr alles lernen müssen, was ihr zum Leben im Ernstfall benötigt."

Noch immer habe ich nicht ganz verstanden, warum diese Omegas so gefährlich sind, dass man ihren keine von uns Mädchen mitgeben kann. Und das frage ich auch direkt.

"Omegas sind schneller und stärker als normale Wölfe. Meist können sie es sogar mit einem Alpha aufnehmen. Deshalb sind sie so gefährlich. Sie sind leichter reizbar und nicht sonderlich kompromissbereit. Das solltet ihr euch immer vor Augen halten. Legt euch nicht mit ihnen an."

Das ist wirklich eine neue Erkenntnis, überrascht mich jedoch nicht sonderlich, nach allem was ich habe beobachten können. Sie haben aus der Ferne schon bedrohlich und stark ausgesehen. Dann hat mein Eindruck mich also nicht getäuscht.

Nachdenklich musterte ich die verschrecken Gesichter meiner Freundinnen. Angst können wir überhaupt nicht gebrauchen, wenn wir zu den Omegas gehen. Das wird uns nur behindern. "Was ist dann der Plan? Wie wollen sie uns vorbereiten?" Die beste Waffe gegen Ungewissheit ist Wissen. Und je mehr wir davon haben, desto sicherer werden wir uns fühlen.

"Ihr werdet in den nächsten vier Wochen den kompletten Vormittag Pflanzenkunde und medizinisches Wissen vermittelt bekommen. Außerdem habt ihr ab sofort auch Samstag Unterricht, wo ihr lernen werde aus allem etwas zu kochen, was es in der Natur zu finden gibt.", erklärt unser Direktor seinen Plan und zeigt damit, wie ernst er die Situation nimmt.

"Nachmittags habt ihr dann Unterricht in Selbstverteidigung und Überlebenstraining. Dort lernt ihr euch so gut zu verteidigen, wie wir es euch beibringen können. Mit einem Omega werdet ihr es nicht aufnehmen können, doch gegen einen normalen Wolf werdet ihr euch zur Wehr setzen können."

Irritiert sehe ich unseren Direktor an. "Wieso lernen wir sowas erst jetzt? Und nur unter diesen Umständen? Das wäre notwendig, noch bevor der erste Mateball stattfindet. Selbstverteidigung ist immer wichtig. Auch in einem normalen Rudel." Ich habe noch genügend Kontakt zu anderen Mädchen, um genau diese Problematik zu kennen. Viele klagen mir ihr Leid. Das sie sich gegen andere im Rudel oder ihren Gefährten überhaupt nicht wehren können. Sie eine allem einfach ausgeliefert.

"Das war ein Beschluss der Alphas.", gibt der Direktor zu und scheint sich in seiner Haut nicht wohl zu fühlen. Nun werde ich gleich wirklich wütend. "Auf wessen Seite sind sie eigentlich? Sollten sie uns nicht beschützen und alles tun, um uns auf das Rudelleben vorzubereiten? Stattdessen sind alle Mädchen den Wölfen ausgeliefert! Wissen Sie überhaupt, was in den anderen Rudeln manchmal los ist?", rege ich mich auf und kann nicht einmal auf meinen Stuhl sitzen bleiben.

"Wieso muss immer erst etwas passieren? Wissen Sie eigentlich wie viele Mädchen unglücklich sind, weil sie überhaupt kein Mitspracherecht haben? Wie können sie das verantworten?" Ich merke, wie mein Temperament mit mir durchgeht und atme erstmal mehrfach tief durch, um mich zu beruhigen. Mein Direktor sieht mich mit aufgerissenen Augen an und auch meine Freundinnen wirken erstaunt. Davon wussten sie nämlich nichts. Ich wollte ihnen nicht sagen, was manchmal passieren kann, wenn man seinen Mate trifft. Sie sollten keine Angst haben.

"Du hast Recht, Kaily. Wir haben Fehler gemacht, die andere nun ausbaden müssen. Ich werde umgehend den Lehrplan anpassen und den nächsten Ball verschieben.", meint der Direktor nun noch etwas müder und erschöpfter als zuvor. Wahrscheinlich hat er nun einige Diskussionen mit den anderen Rudeln vor sich, doch das hat er sich selbst zuzuschreiben.

Nach diesem Zugeständnis schaffe ich es mich langsam wieder zu beruhigen. Ich setze mich sogar wieder auf meinen Platz. Stille entsteht, wo jeder seinen eigenen Gedanken nachgeht. Bis es schließlich zur Pause klingelt. Wenig später bekommen wir dann unseren neuen Stundenplan und werden unseren neuen Lehrern vorgestellt. Das kann ja was werden.

Ausbildung zur Mate - Omegas LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt