Baby

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„Wir sind da." sagt Harry und hält mir die Hand hin. Wir gehen zum Fahrstuhl und fahren in den dreizehnten Stock. Er schließt die Tür auf und wir gehen hinein. Sofort ziehe mir die Stöckelschuhe aus und gehe in die Küche. Ich setze mich auf die Kücheninsel und sehe Harry abwartend an. „Was denn?"

„Ich habe Hunger." Als wäre es selbstverständlich, dass er mir etwas zu essen gibt, sitze ich da und warte. Verdammt sei der Alkohol.

„Worauf hast du Lust?" Harry macht den Kühlschrank auf und wartet auf meine Antwort. ‚Joghurt' antworte ich knapp. „Du hast Hunger? Und Joghurt wird deinen Hunger stillen?" Ich nicke nur. Er nimmt einen Löffel heraus und hält ihn mir hin. Ich nehme ihn, doch in der Sekunde fällt er auf den Boden.

„Erdanziehungskraft." sage ich und lache. Harry mustert mich komisch und holt einen neuen Löffel heraus. Dann stellt er sich vor mich hin und beginnt mich zu füttern, als wäre ich ein kleines Kind. Doch im Moment stört es mich nicht. „Ich bin dein Baby, oder?" sage ich und grinse ihn an.

„Ja." flüstert er. „Du bist mein Baby." Er legt den leeren Becher zur Seite und streicht mit dem Daumen über meinen Mundwinkel. „Du hast da einwenig Joghurt." sagt er und zeigt mir seinen Daumen. Ich nehme seine Hand in meine und führe seinen Daumen zu meinem Mund. Mit der Zunge streiche ich über sie und nun ist kein Joghurt mehr drauf.

„Tadaaaaah." sage ich und lächle, doch Harry schaut todernst. Er zieht die Augenbrauen zusammen und sieht weg. Dann atmet er tief aus. „Woran denkst du?" frage ich und nehme sein Gesicht zwischen meine Hände um ihn zu mir zu drehen. Ich weiß nicht genau, ob es falsch oder richtig ist, was ich gerade tue, doch das spielt keine Rolle.

Er schaut auf meine Lippen und dann in meine Augen. „Du bist betrunken, Cataleya." er versucht zurückzuweichen, doch ich lege die Hände um seinen Nacken und ziehe ihn wieder zu mir.

„Nein, bin ich nicht." flüstere ich und sehe auf seine Lippen. Natürlich bin ich das, aber das ist doch egal, oder? Ich will ihn küssen. Hier und jetzt.

Langsam lege ich meine Lippen auf seine und küsse seine Unterlippe, danach seine Oberlippe und dann fahre ich mit den Händen durch seine Haare und beiße ihn sanft in seine Unterlippe. Dann weicht er abrupt einen Schritt zurück. Als hätte er sich verbrannt.

„Wir sollten schlafen gehen." er zieht mich runter und wir gehen die Treppen hinauf, ohne miteinander zu reden. Er macht meine Tür auf und drückt mich sanft hinein. „Gute Nacht." flüstert er und dreht sich um, um seine Tür zu öffnen. Doch er geht nicht hinein. Er steht einfach davor. Mit dem Rücken zu mir.

„Dir auch." Ich gehe in mein Zimmer und sperre die Tür ab. Ich setze mich auf mein Bett und lege den Kopf in die Hände. Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Ich ziehe mir das Kleid aus und lege es auf den Armstuhl, danach lege ich mich hin und schließe die Augen. Ich hasse es geschminkt schlafen zu gehen, doch gerade habe ich wichtigeres im Kopf. Zum Beispiel, dass ich mich gerade zum Affen gemacht habe. Ich versuche mir einzureden, dass der Alkohol an allem schuld ist, doch tief im inneren weiß ich, dass das einwenig gelogen ist. Ich wollte Harry küssen. Nicht weil ich betrunken bin, sondern einfach um wieder seine Lippen zu berühren. Wieder das zu fühlen, was ich mit sechzehn gefühlt habe. Doch wir sind keine sechzehn mehr. Wir sind erwachsen. Wir sind befreundet. Und das schlimmste ist, dass Harry vergeben ist. Auch wenn ich Melissa nicht ausstehen kann, empfinde ich gerade Mitleid. Man küsst keine Männer die vergeben sind.

Irgendwann merke ich, dass ich die Augen nicht länger offen halten kann und lasse mich in den Schlaf fallen.

Für immer? Vielleicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt