(Un-)angenehme Nebeneffekte

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Als Sesshomaru die Augen öffnete, sah er eine große Baumkrone über sich und den blauen Himmel. Er war bei Bewusstsein, spürte aber seinen Körper nicht, sodass er sich nicht bewegen konnte.
Ein schwarzhaariger Haarschopf schob sich in sein Blickfeld. Kagome schaute ihn völlig rot im Gesicht an. Von Haruna war nichts zu sehen, aber das könnte daran liegen, dass er seinen Kopf nicht bewegen und deshalb nur nach oben sehen konnte. Die Schwarzhaarige sprach zu ihm, aber er verstand alles nur wie durch eine dicke Wand aus Watte. Er sah wie sie ihre langen, schmalen Finger nach ihm ausstreckte, jedoch konnte er diesen nicht ausweichen, egal wie er sich auch anstrengte.

Als die junge Higurashi ihre warme Handfläche auf seine Brust abglegte, brachen mehrere Gefühlsregungen gleichzeitig über ihn herein. Zumal war es Verwunderung. Warum spürte er ihre Hand auf seiner NACKTEN Brust?!?
Dies führte unwillkürlich zu Stolz...Er war stolz auf Haruna, denn das hieß ja, dass die kleine Hexe es geschafft hatte.
Dass er vollkommen nackt auf einem öffentlichen Hof in Tokyo lag, kümmerte ihn da nur wenig.
Aber etwas war seltsam. Ein beinahe schmerzhaftes Kribbeln durchfuhr ihn von Kopf bis Fuß und ein stetiges Stechen suchte sein Herz heim.
Aber die gute Nachricht war, dass er aufgrund dieser Regungen seinen Körper wieder bewegen konnte, da machten ihm diese minimalen Schmerzen doch nichts aus.
Als er sich aufrichtete, sah er Haruna, knallrot, von ihm abgewandt am Baum stehen.
Im zweiten Moment wusste er auch warum.
Er lag kurz vorher wohl noch splitterfasernackt am Boden. Aber jetzt bedeckte ein Häufchen Stoff seine Mitte.

,,Die sind für dich zum Anziehen.", sagte die ebenfalls errötete Miko zu ihm.
Er nickte nur.

Er trat aus dem Schatten des Baumes hinter dem er sich umgezogen hatte, wieder hervor.
Die beiden Mädchen, deren Gesichtsfarbe wieder einigermaßen gesund geworden war, schauten ihn erwartungsvoll an. Keiner wusste wie es weitergehen sollte.
,,Wie gehen.", war seine knappe Anweisung und es war allen Anwesenden klar, dass er Haruna damit meinte.
Ohne große Worte des Abschieds wollte er also in die Vergangenheit zurück.
Bevor Kagome sich beschweren konnte, hielt sie inne.
Was hatte sie erwartet? Er war nicht Inuyasha...glaubte sie etwa er würde sie fragen, ob sie mit ihm gehen wollte oder ihr danken würde, für die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten.
Weiter spekulieren konnte sie nicht mehr, denn Sesshomaru, der gerade mal gute fünf Schritte gegangen war, blieb abrupt stehen.
Er zog die Augenbrauen zusammen, hob die Hand und... spielte Pantomime....
Nein, wirklich! Er tat so, als würde er mit aller Kraft gegen eine Wand drücken.

,,Sesshomaru, was machst du da?", fragte Haruna verwirrt.
,,Ich komme nicht weiter!", knurrte er.
Die Braunhaarige schaute verdutzt und ging an ihm vorbei ohne von irgendwas gestoppt zu werden. Er hob eine Augenbraue. Was sollte das denn jetzt?
Er drückte abermals, jedoch blieb die Situation unverändert.
Jetzt setzte sich auch Kagome in Bewegung...und lief an ihm vorbei ohne von einem Hindernis aufgehalten zu werden.
Er ging einen Schritt zurück, lief an und verlor beinahe das Gleichgewicht. Wollte man den Lord des Westens etwa zum Narren halten? Denn die Barriere war verschwunden.
Die Frauen schauten ihn perplex an.
,,Geht es dir wirklich gut?", fragte die Higurashi.
Der Daiyokai schnaubte nur.
Bevor ein abfälliger Kommentar seinerseits hätte fallen können, wurde er durch ein Kichern unterbrochen.
Aus dem Hause Higurashi trat Kasumi heraus.

,,T-Tante?", stotterte Kagome.
Diese bedachte sie nur mit einem eiskalten Blick. Die Schwarzhaarige zuckte zurück.
,,Was machst du hier?"
,,Ich wollte eigentlich nach dem kleinen Akito sehen, doch dann muss ich feststellen, dass er mit meiner missratenden Nichte ausgezogen ist und obendrein auch noch zurückverwandelt wurde. Aber dank der Inkompetenz der kleinen Hexe da", sie zeigte auf Haruna, ,,gibt es wohl amüsante...Nebeneffekte. Ein kleiner Tipp meinerseits: Immer schön zusammen bleiben, man weiß ja nie, wann man die Hilfe des jeweils anderen benötigt."
Erst jetzt schien sich der Kleinsten in der Gruppe der Beleidigung bewusst zu werden.
Sie schnaubte, stampfte auf die Rothaarige zu und schob sich dabei die ausladenden Ärmel hoch. ,,Na warte, du!..."

Jedoch wurde sie von Sesshomaru am Kragen gepackt und hoch gehoben, sodass sie mit ihren Beinen kraftvoll über dem Boden strampelte.
,,Halt dich zurück!", waren seine gewisperten Worte.
Er brauchte sie noch, schließlich schien sie den Grund für die Barriere von vorhin zu kennen und ein Blutbad hier zu veranstalten, wäre auch nicht von Vorteil.

,,Kagome!", schrie plötzlich jemand aus dem Haus und die Mutter der Miko trat heraus.
,,Du bist ja wieder da! Und wer ist das junge Mädchen und der gutaussehende Mann?"
Dabei beäugte sie Sesshomaru sehr genau. Da er größer und muskulöser als Hojo war, saßen Hose und Shirt sehr, sehr eng. Seine breiten Schultern und seine muskulöse Brust, wurden durch das schwarze Muskel-Shirt hervorgehoben, sein Hintern sah in der dunklen engen Jeans wirklich...verführerisch gut aus. Und dieser wurde auch noch von ihrer Mutter angestarrt.
Kagome war sprachlos. Sie betete inständig, dass Sesshomaru nicht wütend sein würde und dann was anstellt.
,,Hallo Mama... was macht denn Tante Kasumi hier?", lenkte sie vom Thema ab.
,,Ach, sie wohnt hier für eine Weile. Durch die Verletzung muss sie immer wieder zu Untersuchungen ins Krankenhaus fahren und da wir näher zur Innenstadt wohnen, ist es, so, einfacher."
,,Ach ja, klar! Natürlich..."
,,Eigentlich wollte ich nur Kasumi zum Tee rein holen. Wollt ihr denn nicht auch bleiben? Ich habe auch Kekse da!"
Da wurden Harunas Augen leuchtend, groß und sie nickte eifrig.
Kagomes Mutter kicherte und ging mit der kleinen Hexe schon mal ins Haus.
Nun blieben erstmal nur sie drei dort.
Kasumi grinste: ,,Mein Lord, ihr solltet auch mitkommen.", sagte sie spöttisch, ,,Es muss doch gefeiert werden, dass Ihr den Tee nicht mehr aus dem Futternapf schlecken müsst! Und der Tee, den meine Schwägerin macht, ist wirklich wunderbar."
Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging hinein. Die feuerroten Locken wippten erheitert im Takt ihrer Schritte. Diese Gelassenheit trieb Kagome zur Weißglut.
Sesshomaru, der eigentlich gar nicht auf die Einladung eingehen wollte, machte schon Anzeichen zugehen, als ihm einfiel, dass Haruna ja der Menschenfrau gefolgt ist.
Alleine lassen, kam nicht in Frage, denn schließlich war das rote Monster auch anwesend und wer wusste, was da passieren würde.
Außerdem lockte es ihn. Was hatte es mit der Barriere auf sich? Und von was von einem Nebeneffekt hatte das grünäugige Biest gesprochen? Was hatte Haruna diesmal wieder verpatzt?
Widerwillig ging er, gefolgt von Kagome, ins Haus. Sie hätte nicht gedacht, dass er die Einladung annehmen würde. Schließlich hasste er Menschen. Auch wusste sie nicht, was noch geschehen würde, denn sie konnte den Daiyokai überhaupt nicht einschätzen.
Er würde wohl kaum einen netten Plausch mit ihrer Mutter anfangen, aber würde auch kein Blutbad im Wohnzimmer veranstalten...hoffte sie zumindest.

Die Stimmung war angespannt, sehr angespannt.
Durch einige Missverständnisse, Kagomes Mutter wusste zwar von der Sengoku Jidai und Inuyasha Bescheid, hatte aber keine Ahnung, dass ihre Schwägerin ein Nachfahr von Nekoyokais war, fand man nicht so leicht ein gemeinsames Gesprächsthema. Denn die wahre Identität von Kasumi sollte bestmöglich geheim bleiben.
Deshalb saß die Rothaarige die ganze Zeit auch nur da rum und grinste vor sich hin. Das einzige Geräusch, welches die Stille durchbrach, war das Kauen und Krümeln Harunas mit den Keksen.

Da Frau Higurashi keine Ahnung davon hatte, dass Kasumi von den Zeitreisen, Dämonen und Magie wusste, war es ihr nicht möglich das Thema ,,Gutaussehender-Typ-der-aussieht-wie-Inuyasha-aber-irgenwie-auch-nicht" anzuschneiden. Obwohl es sie zutiefst interessiert, was auch kein Wunder war.
Da zog die Tochter noch nicht mal vor einer Woche aus, kam sie auch schon mit einem mysteriösen Mann, der wie ihr ehemaliger Hanyo-Freund mit dem sie Dämonen bekämpft hatte aussah, zu Besuch.
Welche Mutter bei gesundem Verstand würde da wohl keine Fragen haben?
Den jungen Mann selbst fragen, wollte sie nicht und das auch aus gutem Grund.
Er saß die ganze Zeit nur stoisch auf seinem Platz und schaute eiskalt in die Runde.
Wenn man nicht grad suizidgefährdet war, sollte man ihn wohl lieber nicht ansprechen.

,,Higurashi-san, die Kekse schmecken wirklich wunderbar." Die Mutter errötete aufgrund der höfliche Anrede.
,,Du kannst ruhig öfters vorbei kommen. Ich backe immer so viel und seit Kagome hier nicht mehr wohnt, schafft Sota alles auch nicht mehr allein."
,,Ich denke, das wird nicht von Nöten sein, aber danke für ihr freundliches Angebot, Higurashi-san."
Alle waren wie erstarrt, denn nicht das junge Mädchen antwortete, sondern der Lord erhob das Wort.
Kagome wunderte sich, dass er überhaupt den Mund öffnete und dass er dann auch noch so höflich sprach, hätte sie nicht gedacht.
Und ihre Mutter schmolz nur so dahin, wie Eis in der Sonne. Sie war so hin und weg von seiner dunklen, tiefen, angenehmen Stimme, dass sie den Sinn seiner Worte erst gar nicht wirklich realisierte.
Haruna mampfte währenddessen munter weiter.
,,Und wie lange bleibt Tante Kasumi hier?", fragte Kagome, ein Versuch ihre Mutter aus ihrer Starre zu befreien. Erfolgreich wie es schien, denn Frau Higurashi löste endlich ihren bewundernden Blick vom Lord des Westens und bat ihre Tochter die Frage zu wiederholen.
Beim zweiten Versuch verstand sie dann endlich auch.
,,Ehm...So lange wie nötig, denke ich. Onkel Tsubasa kommt ja auch täglich um nach ihr zu sehen und dein Zimmer ist ja eh frei."
,,Ja genau und dahin werde ich mich jetzt auch begeben.", sagte Kasumi und erhob sich. Mit einem letzten amüsierten Blick an Sesshomaru, verließ sie den Raum und begab sich langsamen Schrittes nach oben in ihr neu bezogenes Zimmer.

,,Also ich will ja nicht unhöflich sein, aber es interessiert mich wirklich: Wer sind Sie?"
Der Weißhaarige machte keine Anstalten zu antworten, also ergriff Kagome das Wort:
,,Das ist Sesshomaru. Er ist der Lord des Westens und Inuyashas Bruder."
Die Augen ihrer Mutter wurden noch größer.
,,L-L-Lord?! Seid ihr...ihr beide ein..naja...ein..."
Der Miko war schon worauf sie hinaus wollte.
,,Nein, nein! Wir wollten sowieso gleich gehen. Ich komme dich ein andern Mal besuchen."
Und so standen die drei auf und verließen stillschweigend das Haus.
Ihre Mutter sagte nichts weiter, denn sie war immer noch geschockt, dass ihre Tochter sich mit einem adligen Fürsten abgibt und sich so schnell von Inuyasha losreißen konnte.
Wohl oder übel musste sie aber feststellen, dass der wortkarge Mann nicht sehr interessiert an seiner Umgebung zu sein schien und dadurch recht isoliert, kalt und arrogant wirkte.
Jedoch wurden diese Tatsachen durch sein atemberaubendes Aussehen wett gemacht, das jede Frau und auch so manchen Mann unweigerlich in Sprachlosigkeit versetzt hätte.


Im Taxi war es eng...sehr eng. Der großgewachsene Sesshomaru, welcher rechts am Fenster saß , nahm beinahe die Hälfte der gesamten Rückbank ein.
Kagome, die als erste eingestiegen war, fühlte sich leicht erdrückt.
>Warum hat sich denn keiner von den beiden auf den Beifahrersitz gesetzt?<
Haruna schien sich wohl daran nicht zu stören. Während der Fahrt, zog sie immer wieder einige Kekse aus ihren großen Ärmeln, die sie augenscheinlich aus der Küche von Kagomes Mutter stibitzt hatte. Nach etlichen Minuten kamen sie endlich an. Und wieder wurde ihre Brieftasche um einiges an Bares erleichtert. Sie brauchte endlich einen Job.

Eine viertel Stunde später saßen die drei mit einer Tasse Tee im Wohnzimmer. Nach einer Weile ergriff der Lord das Wort.
,,Haruna, morgen reisen wir ab."
Mutig, oder eher unbedacht entgegnete die Schwarzhaarige:
,,Hn...und wie wollt ihr das hinkriegen? Der Brunnen ist versiegelt."
Entgegen ihrer Erwartung bekam sie auch eine Antwort. Der Daiyokai blitzte sie an.
,,Ich bin der Lord des Westens, da hindern mich diese mickrigen Bannsprüche nicht im geringsten."
Bei dem eiskalten Blick, traute sich Kagome nicht mehr etwas zu sagen.
>Wenn er meint.<
Sie stand auf um ihre Tasse in die Spüle zu legen, als sie, ungefähr erst sieben Schritte gegangen, von etwas abprallte und auf den hintern fiel. Unter Schmerzen rappelte sie sich auf und ließ die, glücklicherweise heil gebliebene Tasse, auf dem Boden stehen.
Sie wollte weiter gehen, aber wieder war da diese Wand. Kagome wurde von ihrer Tätigkeit unterbrochen, als Harunas Tasse scheppernd auf den Boden fiel. Ihr Blick ging entsetzt ins Leere.
,,Oh mein Gott...Jetzt weiß ich, was es ist!"

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