"I would give everything I own. Give up my life, my heart, my home" - Everything I Own, Boy George
Je näher ich meinem Haus und somit meiner Mutter komme, desto nervöser werde ich.
Wer hat ihr erzählt, dass ich nicht bei Zayn bin und vor allem, was hat sie zusätzlich noch erfahren?Ist mein neu gewonnener Freund vielleicht doch nicht so nett, wie ich gedacht habe, dass er nach seiner Entschuldigung wäre? Hat Charlotte sich verplappert? War ihr mein Nachtisch nicht mehr genug, um den Mund zu halten? Oder hat es Eleanor vor Sorge nicht mehr ausgehalten und sich meiner Mutter anvertraut?
Was auch immer geschehen ist, es macht mich furchtbar nervös und als ich die Eingangstür zu meinem Zuhause öffne, liegen meine Nerven endgültig blank.
Irgendwie stellt man sich in solchen Situationen die spannungsaufbauende Stille aus Filmen vor, doch mir hallt das Lachen von Félicité entgegen und aus dem oberen Stock ertönt Phoebes Schrei und wildes Gezanke mit Daisy. In der Küche sitzt Daniel mit einer Tasse Kaffee, weil er diesen Samstag frei hat, und liest eine Zeitung, während meine zweitälteste Schwester aufgeregt von ihrem Schulfreund erzählt und meine Mutter am Herd steht und ihr aufmerksam zuhört. Noch bevor ich meine Schuhe ganz ausgezogen habe, trampelt Charlotte die Treppen hinunter und wird von den zwei jüngsten Mitgliedern der Familie verfolgt.
"Mir reicht es jetzt, dann darf eben keine mit meinen Puppen spielen", schimpft sie gerade und als sie mich erblickt, tritt ein fröhliches Grinsen auf ihre Lippen. "Hallo, Louis!"
"Hey", erwidere ich und streiche sie in Gedanken von meiner Liste der Verräter. Sie würde sich bestimmt anders verhalten, wenn sie es unserer Mutter erzählt hätte.
"Louis?", ertönt es aus der Küche und als ich diese betrete, starren mich drei Augenpaare an.
"Ich bin wieder da", sage ich und schlucke unwohl, auch wenn keiner der Anwesenden mir sofort den Kopf abbreißt, wie ich es zumindest bei meiner Mutter vermutet habe.
Wortlos kommt diese auf mich zu und schließt mich in ihre Arme, um mich fest an sich zu ziehen. Ich habe das Gefühl erdrückt zu werden, doch ich wage es nicht, mich zu beklagen, weil ich nach wie vor angespannt darauf warte, was sie denn nun dazu veranlasst hat, mir die Nachrichten zu schreiben und mich anzurufen.
"Wieso sollte ich nach Hause kommen?", bringe ich mit trockenem Mund hervor, sobald sie mich losgelassen hat und ein paar Schritte zurückmacht.
"Deine Mutter-", will Daniel sagen, doch sie unterbricht ihn, bevor er seinen Satz auch nur ansatzweise beendet hat.
"Was tust du über Nacht bei deinem Schwimmtrainer zu Hause?", fragt sie mit bebender Stimme und in der Küche hält eine Stille Einzug, die vermutlich eisiger als jeder Tag am Nordpol ist.
"Ich war bei Zayn", setze ich zu meiner Verteidigung an, doch sie schüttelt den Kopf und zeigt anklagend mit dem Finger auf mich.
"Lüg mich nicht an, Louis. Wieso lügst du?", entgegnet sie mit aller Beherrschung, die sie noch zusammenbringt, doch es ist mir klar, dass es nicht mehr viel braucht, bis sie explodiert.
Mein Blick trifft auf Charlotte, die total verschreckt aussieht, wie sie da so neben Daisy und Pheobe steht, die mich beide mit großen Augen anblicken.
"Ich habe nichts gesagt", flüstert sie zittrig und plötzlich wenden sich alle ihr zu.
"Du hast es gewusst?" Meine Mutter sieht aus, als würde sie gleich völlig vom Glauben abfallen und die Elfjährige schluckt merklich.
"Louis hat gemeint, ich soll es für mich behalten", wispert sie mit roten Wangen und sieht mich entschuldigend an, doch ich bin ihr nicht böse. Jetzt ist es eh schon zu spät, denn meine heimlichen Treffen sind aufgeflogen, wieso auch immer, und alles zu leugnen, würde die Situation wahrscheinlich einfach nur verschlimmern.
"Was soll das denn? Wie lange geht das schon?", richtet meine Mutter sich wieder an mich und sieht mich aus geröteten Augen an. "Ist er derjenige der dich damals so zugerichtet hat?"
"Nein, Harry würde mir nie auch nur ein Haar krümmen", verteidige ich ihn augenblicklich und hole tief Luft, ehe ich meiner gesamten Familie preisgebe, was ich so lange vor ihnen verborgen habe. "Ich bin schwul."
Keine fünf Sekunden nachdem ich fertiggesprochen habe, bricht meine Mutter in Tränen aus und kommt abermals auf mich zu, um mich in eine Umarmung zu ziehen.
"Wieso hast du mir das nicht früher gesagt?", schluchzt sie und lässt mich los, um ihre Hände an meine Wangen zu legen und mich verheult anzusehen. "Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, weil du in letzter Zeit kaum noch zu Hause gewesen bist. Wie lange hättest du uns alle noch belogen, wenn ich dich nicht gestern am Parkplatz mit diesem Harry im Auto gesehen hätte? Bin ich nicht die Mutter, die ich zu sein geglaubt habe? Habe ich dir nicht das Gefühl gegeben, mir alles erzählen zu können?"
Hiermit hat sich auch die Frage geklärt, woher sie weiß, dass ich bei ihm gewesen bin. Wahrscheinlich wollte sie mir wieder einen Gefallen tun und mich vom Training abholen, damit ich nicht mit dem Bus fahren muss, und hat dort mitansehen müssen, wie mein Trainer und ich zu dessen Auto laufen und uns dort näher kommen, als es ihr wahrscheinlich lieb gewesen wäre.
"Doch, Mum, du warst immer für mich da. Ich hatte einfach Angst, auf angewiderte Gesichter zu stoßen, wenn ich euch sage, dass ich auf Männer stehe", bringe ich mühsam und mit klopfendem Herz hervor, was meine Mutter nur noch mehr zum Weinen bringt.
"Aber Louis, wir lieben und akzeptieren dich doch genauso, wie du bist", sagt sie eindringlich und wischt sich energisch über die Augen. Was ihr momentan mehr zusetzt, als dass ich mich auf einen älteren Mann eingelassen habe, scheint die Tatsache zu sein, dass ich ihr und dem Rest meiner Familie zugetraut habe, dass sie mich aufgrund meiner Sexualität verstoßen oder zumindest anders behandeln.
Doch jetzt, nachdem ich es ausgesprochen habe, wird mir bewusst, was für ein Glück ich mit meinem Umfeld habe, denn weder meine Freunde noch meine Familie reagieren schlecht auf mein Outing.
Nach und nach beruhigt sich meine Mutter wieder und als die Tränen versiegt sind, lässt sie sich erschöpft auf einen Stuhl sinken und Daniel ist sofort zur Stelle, um ihr über den Rücken zu streichen.
"Keiner hier würde dich je weniger mögen, nur weil du schwul bist", sagt er dann mit einem aufmunternden Lächeln zu mir und als meine Schwestern beinahe im Einklang nicken, fällt mir ein Stein vom Herzen.
"Und", fängt meine Mutter an, wischt sich noch einmal übers Gesicht und räuspert sich dann. "Was ist das mit deinem Schwimmlehrer?"
Meine Beziehung mit Harry ist das nächste Geständnis, das auf Missfallen treffen könnte, doch jetzt, wo ich schon alle Geheimnisse loswerde und meine Mutter uns gesehen hat, kann ich auch das noch beichten.
"Ich habe mich in ihn verliebt und wir sind zusammen", erkläre ich mit belegter Stimme und darauf folgt erst einmal betretenes Schweigen.
"Wie alt ist der Mann?", fragt mein Stiefvater dann als erster und ich senke den Blick für einen Moment auf meine Füße.
"Er ist sechsundzwanzig", antworte ich schließlich und sehe dabei möglichst selbstsicher zu meiner Mutter und Daniel hinüber, um ihnen nicht das Gefühl zu vermitteln, dass mich dieser Fakt irgendwie verunsichert.
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Ich hoffe, ihr habt eine schöne Woche :)
Bis bald
Maybe[1208 Wörter]
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Fearless || larry stylinson fanfiction
FanfictionWieso schämt man sich für etwas, das absolut nicht peinlich ist? Wieso ist es schlecht, anders als die anderen zu sein? Weil uns die Gesellschaft suggeriert, dass gewisse Dinge "richtig" und andere "falsch" sind? Weil man schlank und hübsch sein m...