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Mittlerweile war es Nachmittag und ich hatte den Schultag relativ unbeschadet überstanden. Einmal war ich Cedric über den Weg gelaufen, der war jedoch einfach weitergegangen. Ich hatte mich definitiv nicht beschwert.

Jetzt war ich auf dem Weg zum Hause der White's. Ich ging die Straße entlang, bis ich in der Ferne das weiße Haus mit dem davor stehenden Apfelbaum sehen konnte. Ich klingelte. Nach kurzer Zeit öffnete mir ein kleiner Wirbelwind die Tür.

Tommy sah mich erfreut an. "Oh, endlich bist du da, Ari. Ich hab dich ja soo vermisst. Komm, wir spielen Lotti Karotti." Er nahm mich an der Hand und zog mich die Treppe hinauf, wo wir Ryan begegneten, der gerade aus dem Badezimmer kam.

Er begann zu grinsen, als er mich erblickte. Tommy blickte zwischen uns hin und her. Dann entschied er sich mit einem "Beeil dich" schon mal in sein Zimmer zu huschen und mich mit seinem großen Bruder allein zu lassen. Dieser beugte sich vor. "Ich wusste doch, dass wir uns heute noch sehen würden."

"Ist ja auch nicht so schwer. Schließlich komme ich jeden Montag Nachmittag hierher." Ich sah in sein Gesicht und erst als ich das leicht wütende Funkeln in seinen Augen erkannte, wurde mir bewusst, was für einen Fehler ich gerade gemacht hatte. Er betrachtete mein Gesicht. Dann hob er seine Hand und ich zuckte erschrocken zusammen, um daraufhin meine Arme schützend vor meinem Gesicht zu verschränken. Als jedoch nach mehreren Sekunden nichts geschah, ließ ich meine Deckung vorsichtig sinken und sah in Ryans verwirrtes Gesicht.

"Dachtest du, ich würde dich schlagen?"
Ich schluckte und schaute weg. Er musterte mich und beugte sich dann nach vorne, zu mir. Meine Wangen färbten sich, als sein Atem mein Ohr kitzelte. "Ich schlage keine Mädchen. Niemand mit Ehre schlägt Unvorbereitete oder Mädchen."

Plötzlich schoss Tommy zwischen uns hindurch. "Ryry, Ari ist wegen mir hier. Also geh alleine spielen." Ryan lachte leise.
"Natürlich, viel Spaß euch zwei." Er betrat sein Zimmer, das gegenüber von Tommys lag. Nachdem Tommy seine Zimmertür geschlossen hatte, beugte ich mich zu ihm herunter und flüsterte: "Danke." Er sah mich verwirrt an, woraufhin ich in sanft in den Bauch kniff und fragte: "Also, was machen wir denn heute alles?"

~~

Mittlerweile war es 18:30 Uhr. Seit knapp vier Stunden war ich nun bei den White's und hatte mit Tommy Auto und Brettspiele gespielt und Bücher gelesen. Bis seine Eltern ankamen. Mrs. White klopfte kurz an, bevor sie ihren Kopf ins Zimmer steckte.

"Tommy, ich glaube Arija muss langsam los. Außerdem essen wir jetzt Abendbrot. Oder möchtest du gerne mitessen?" Sie sah mich an.
"Das ist wirklich freundlich, Mrs. White, aber ich glaube, ich gehe jetzt besser nach Hause."
"Natürlich, aber nenn mich doch bitte Ella. Das hab ich dir doch schon so oft gesagt." Sie lächelte mich freundlich an.

Traurigkeit überfiel mich. Würde meine Mutter noch leben, würde sie mich immer so angucken. Mit diesem Stolz und der Freude in den Augen.
Wir gingen ins Erdgeschoss, wo ich mich von Tommy und Mrs. White - Verzeihung, Ella - verabschiedete.

Ich schulterte gerade meinen Rucksack, als Ryan den kleinen Flur betrat.
"Von mir willst du dich gar nicht verabschieden?" Er lächelte.
"Lieber nicht. Sonst habt ihr morgen wieder was zu lachen. Obwohl... ihr macht euch ja immer über dieselbe Scheiße lustig. Wie komme ich bloß dazu, euch so viel Kreativität zuzumuten?" Ryan begann lauthals zu lachen. Verwirrt starrte ich ihn an. Ich hatte mit allem gerechnet, aber damit nicht. Ich schüttelte meinen Kopf und drehte mich um, um die Haustür zu öffnen. Eine Hand an meiner Schulter hielt mich auf.

"Warum dachtest du, ich würde dich schlagen? Hat dir mal jemand wehgetan? War es dein Ex?"
Ich sah ihn an, ahnungslos, was ich sagen sollte. Schließlich entschied ich mich für eine schnippische Antwort. "Wüsste nicht, was dich das angeht."

Seine Augen verengten sich und er legte seinen Kopf leicht schief. Seine schwarzen Haare fielen ihm leicht auf die Stirn. Auch wenn ich es eigentlich niemals zugeben würde... er sah gerade extrem gut aus. Vor allem als er zu grinsen begann.

"Ich kenne dieses Taktik. Diese Hinhaltetaktik. Ich werde es herausfinden. Dein Geheimnis. Irgendwann wirst du es mir sagen. Den Grund, warum du so..."
"So was? Dumm? Hässlich bist?" So hatte Stacy mich schon häufig genannt.
"Warum du so interessant bist."
"Hör auf, mich zu verarschen."
Er lachte. "Aber es macht so Spaß."

"Lass mich in Ruhe", flüsterte ich. Ich hasste es, so schwach zu sein. Ich hasste es, mich nicht verteidigen zu können. Ich hasste es, nicht meine eigene Meinung sagen zu können. Aber ich konnte es nicht ändern.

Er grinste mich nur an. Dann ging er langsam und extra nah an mir vorbei, öffnete die Haustür und deutete mit einer angedeuteten Verbeugung zur Tür.
"Die Dame."
Ich kniff die Augen zusammen und ging wortlos hinaus.
"Du verabschiedest dich wieder nicht?"
Er lachte, als ich ihn daraufhin meinen Mittelfinger zeigte und weiter nach Hause ging.

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