Es war Samstag Nachmittag. Die letzten Tage war ich Ryan und Stacy stets aus dem Weg gegangen. Stattdessen verbrachte ich die Pausen mit Maggie und Cedric, auch wenn ich mir dabei manchmal wie das fünfte Rad am Wagen vorkam. Aber das störte mich nicht. Die beiden waren das süßeste Pärchen der ganzen Schule. Obwohl sie beide zusammen waren, waren sie immer ziemlich schüchtern zueinander. Sie kuschelten gemeinsam und gaben sich leichte, süße Küsse. Zusammen hatten sie versucht, mich aufzumuntern. Manchmal gelang es ihnen. Meistens blieb ich jedoch ein Schatten meiner Selbst.
Laut Cedric war auch Ryan nur körperlich in der Schule anwesend. In Gesprächen mit Schülern oder Lehrern, ja selbst mit seinen Freunden, war er aggressiv und leicht reizbar. Oder er redete gar nicht.
Doch was interessierte es mich. Sollte er doch machen, was er wollte.Jetzt war ich auf dem Weg zum Hause der White's. Ella White hatte mich im Laufe der Woche immer mal wieder angerufen, um nachzufragen, ob ich auf Tommy aufpassen konnte. Jedes Mal lehnte ich mit einer fadenscheinigen Ausrede ab. Ella akzeptierte diese immer. Bei unserem gestrigen Telefonat teilte ich ihr mit, dass ich morgen vorbeikommen würde, um etwas mit ihr zu besprechen.
Ich war mir immer noch nicht hundertprozentig sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Schließlich konnte Tommy nichts für meinen Streit mit Ryan und dennoch würde er der Leidtragende dieser Entscheidung sein. Aber ich hatte keine Wahl. Niemals könnte ich mir vorstellen, mit Ryan so nah beieinander zu sein, nachdem er mich verarscht hatte.
Schließlich stand ich vor Mrs. White. Sie hatte mir nach meinem ersten Klingeln direkt die Tür geöffnet und lächelte mich jetzt an.
"Hallo, Arija. Komm doch rein!" Sie hielt die Haustür für mich offen.
Mit einem schweren Schlucken trat ich in das Haus und folgte Ella ins Wohnzimmer.Dieses Haus. Es barg so viele Erinnerungen in sich. Hier hatte Ryan von meiner toten Mutter erfahren, hier hatten wir uns geküsst und hier hatten wir miteinander geschlafen. Und jetzt würde es hier zu Ende gehen. Was für eine Ironie!
Ich kam Ellas Aufforderung, mich auf die Couch zu setzen, nach, während sie sich mir gegenüber in einen Sessel setzte.
"Möchtest du etwas essen oder trinken?"
Ich lächelte leicht und schüttelte den Kopf. "Nein, danke."
Ella faltete die Hände in ihrem Schoß und sah mich auffordernd an. "Ich vermute, du willst mir etwas mitteilen."Noch bevor ich antworten konnte, stürmte Tommy ins Zimmer und schmiss sich auf mich. Lachend hielt ich ihn fest und presste den Kleinen dann ganz fest an mich. Ich schob ihn etwas von mich und strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht.
Mit traurigen Augen fragte er mich: "Warum warst du nicht bei mir? Ich hab dich vermisst." Er verschränkte schmollend die Arme. "Mit Ryan zu spielen, macht auch keinen Spaß mehr. Der ist immer blöd drauf."Ich ignorierte den letzten Satz und verwuschelte Tommy die Haare. "Ach, weißt du, Großer? Das ist echt kompliziert und ich wollte das gerade mit deiner Mama besprechen." Ich nickte mit dem Kopf leicht zu ihr. Dann lächelte ich Tommy an und kniff ihm in die Nase. "Verstehst du das?"
Er sah mich an und nickte dann. Schließlich stieg er von meinem Schoß und ging. Anhand der knarrenden Treppenstufen nahm ich an, er würde zu seinem Zimmer gehen.
Ich wendete mich wieder Ella zu. "Es tut mir wirklich leid, aber ich kann nicht mehr auf Tommy aufpassen. Es liegt auch gar nicht an ihm oder ähnliches-"
"Ihr habt Streit", unterbrach sie mich. "Du und Ryan, hab ich recht? Deswegen wolltest du nicht herkommen, weil du ihn nicht sehen wolltest. Und das ist auch der Grund, warum Ryan schon die ganze Woche schlecht drauf ist oder sich in seinem Zimmer betrinkt, nicht wahr?"Ich sah die Mutter der White-Kinder mit großen Augen an. Ich hatte ganz vergessen, wie gut diese Frau im Kombinieren war und was sie für eine erstklassige Menschenkenntnis besaß. Mit ehrlichen Augen sah ich Ella an und nickte dann.
Seufzend lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. "Ich wusste es. Was hat er denn dieses Mal ausgefressen?"
"Das ist nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass ich ihm das, was passiert ist, nicht verzeihen kann. Außerdem möchte ich jeden Kontakt mit ihm vermeiden." In der Hoffnung sie würde mich verstehen, sah ich sie an.
Aber die Frau vor mir blickte einfach nur nachdenklich in die Ferne und ließ sich erst nach mehreren verstreichenden Minuten zu einer Antwort herab. "Ich kenne meinen Sohn. Er mag dich. Ich bin mir sicher, dass er, egal was passiert ist, es nicht so gemeint hat."
Ich knirschte mit den Zähnen. Wieso stellte sich jeder auf Ryans Seite?
"Nur leider kann ich ihm das nicht verzeihen."
Eine Tür fiel ins Schloss. Erschrocken drehte ich mich um und sah Ryan im Türrahmen stehen. Er sah mich mit großen, hoffnungsvollen Augen an. "Arija."Rasch drehte ich mich zu seiner Mutter um. "Ich sollte dann jetzt wohl gehen."
Sie verzog den Mund, nickte dann jedoch. "Ich akzeptiere deine Entscheidung und hoffe, wir werden uns trotzdem mal sehen."
Ich nickte ihr zu und machte mich dann auf den Weg zur Haustür. Ryan ignorierte ich dabei geflissentlich.Bevor ich aber hinaustreten konnte, packte Ryan mein Handgelenk und zog mich zu sich. "Bitte, Arija! Lass mich dir nur eine Sache sagen."
Ich schüttelte den Kopf und wollte gehen.
"Bitte, nur ein paar Worte und wenn du dann gehen willst, lasse ich dich für immer in Ruhe." Ryan kniff die Lippen zusammen. "Bitte!"
Ich schloss kurz die Augen. Vielleicht waren es Maggie, Kai und Ella, die mich mit ihrer Zuversicht dazu brachten. Oder es war mein schlechtes Gewissen, das Ryan noch eine Chance zum Erklären geben wollte. Jedenfalls nickte ich einmal.
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Try to Love Me
RomanceArija lebt kein einfaches Leben, zumindest in der Schule. Doch ist sie Zuhause, bei ihrer Familie, kann sie sie selbst sein. Ebenso wie bei bei dem Jungen, den sie babysittet. Tommy ist ein kleiner Engel, ganz anders als sein größerer Bruder. Ryan i...