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"Da lieber noch eine Spange?" Fragend sah Kai im Spiegel über dem Waschbecken zu mir.
"Keine Ahnung, schließlich weiß ich nicht, wie meine Frisur von hinten aussieht."
Er nickte und schob dann sachte eine weitere Haarspange in meinen Dutt. Dann schnippte er ein paar Mal dagegen und war sichtlich zufrieden, als meine Frisur nicht auseinander fiel.

Ich ging zum großen Spiegel in den Flur und drehte mich dann im Kreis, um dann zufrieden stehen zu bleiben. Ich sah wunderschön aus.
Kai hatte meine Augen schwarz umrandet und mit Hilfe von Mascara ein Meisterwerk aus meinen Wimpern gezaubert. Er hatte sich aus meinem Schmuckkästchen eine kleine silberne Kette genommen, welche jetzt meinen Hals zierte. Dazu noch kleine silberne Ohrstecker.
Meine Lippen hatte er mit einem hellen Rosa angemalt, sodass sie ein wenig glänzten. Und das war's auch schon. Dennoch fühlte ich mich ein wenig wie eine Prinzessin. Jetzt noch passende Schuhe und meinen Mantel und dann war ich bereit.

Kai und ich hatten viel zu früh begonnen, mich fertig zu machen, was jetzt dazu führte, dass wir uns gelangweilt neben unseren Vater ins Wohnzimmer setzten und mit ihm eine Talkshow guckten.
Dass meinem Dad mein schickes Auftreten nicht bemerkte, war weder verwunderlich noch störte es mich. So etwas hatte ihn noch nie interessiert.

~~

Mittlerweile war die Talkshow zu Ende und Ryan war immer noch nicht aufgetaucht. Ich schaute auf die Uhr und begann nervös meine Hände zu kneten. 17:42 Uhr.
Mitleidig lächelte mein Bruder mich an. "Er kommt bestimmt gleich."
Ich stimmte ihm zu und konzentrierte mich auf die nun laufende Dokumentation über Zebras.

~~

Es war 20:17 Uhr. Kai war mit Freunden unterwegs, mein Vater leicht angetrunken und ich saß in der Küche in Gammelklamotten und aß eine Tiefkühlpizza.
Ryan war nicht aufgetaucht. Er hatte auch nicht auf meine Nachrichten geantwortet, ob denn bei ihm alles okay wäre oder ob ihm etwas dazwischen gekommen war.

Maggie wusste ebenfalls Bescheid. Jedoch hatte sie die Hoffnung an Ryan noch nicht aufgegeben. Sie war sich sicher, dass er für das hier eine gute Erklärung haben würde, wenn ich ihn darauf ansprach.
Wobei ich mir nicht sicher war, ob ich das tun würde. Für mich war es ganz klar. Ryan hatte mich verarscht. Wahrscheinlich saß er jetzt irgendwo mit seinen Freunden und machte sich über mich lustig. Denn ich hatte ihm wirklich geglaubt. Hatte wirklich gedacht, er wolle sich mit mir treffen und auf ein Date gehen.

Langsam erschienen auf meinem Gesicht die Tränen, die ich so lange erfolgreich verdrängt hatte.
Ich schniefte einmal und schüttelte dann meinen Kopf. Mit dem Handrücken wischte ich mir die Tränen von den Wangen und biss trotzig in meine Pizza.

Dann erhielt ich eine Nachricht. Von Ryan.
'Kannst du mal bitte raus kommen?'
Verwirrt legte ich mein angebissenes Stück wieder auf den Teller und schaute dann aus dem Fenster, was wirklich sehr hilfreich war, da es draußen ziemlich dunkel war.
Ich linste kurz ins Wohnzimmer. Mein Vater war auf der Couch eingeschlafen und dann in eine bequemere Position gerutscht. Ich schaltete den Fernseher aus und ging dann zur Haustür.

Tatsächlich fand ich dort Ryan in einer dunklen Jeans und einem zerknüllten Hemd sitzen. Er schaute mich nicht an, sondern starrte auf die Straße.
Verärgert ging ich um ihn rum. "Was glaubst du eigentlich wer du bist, dass du dich jetzt hier blicken lä-? Oh Gott!" Erschrocken hielt ich mir eine Hand vor den Mund und hockte mich vor ihn.
Ryans gesamtes weißes Hemd war nicht mehr weiß, sondern rot. Überall waren Blutflecken verteilt und auch sein Gesicht war eine Mischung aus rot, lila und gelb.

"Hast du dich geprügelt?"
Ich bekam keine Antwort. Ryan schaute einfach weiterhin an mir vorbei und bewegte seinen Kiefer, sodass seine Zähne aufeinander knirschten. Vorsichtig versuchte ich sein linkes geschwollenes Auge zu berühren, aber er drehte seinen Kopf rechtzeitig weg.

"Bist du zu Fuß hergekommen?" Ich konnte sein Auto nirgends entdecken.
Er antwortete mit einem kurzen Nicken.
Nachdenklich sah ich ihn an, bis ich mich erinnerte, dass ich stinksauer auf ihn sein sollte.
"Willst du mir dann vielleicht sagen, was passiert ist? Wieso bist du hier?"
Er ballte wütend die Hände zu Fäusten, kurz danach sprang er ruckartig auf. Erschrocken zuckte ich zusammen. Augenblicklich wurde sein Blick weicher.

"Es tut mir leid, aber es ist besser, wenn du es nicht weißt." Ryan sah nach oben, in Richtung Mond.
"Nein, das finde ich nicht gut. Du sagst mir jetzt was passiert ist oder du kannst gehen!"
"Weder werde ich dir erzählen, was passiert ist, noch werde ich gehen. Dafür ist es hier viel zu gemütlich." Damit setzte er sich wieder hin.
Wütend funkelte ich ihn an und stapfte dann in Richtung Tür. Ich wollte sie eigentlich zuknallen, als mir dann jedoch einfiel, dass mein Vater immer noch schlief, ließ ich sie leise ins Schloss fallen. Daraufhin ging ich in die Küche und aß meine Pizza auf.

~~

Es waren 10 Minuten vergangen und ich beschloss durch den Türspion zu gucken, um sicherzugehen, dass Ryan gegangen war. War er aber nicht. Er hockte genauso jämmerlich, wie ich ihn zurückgelassen hatte, vor meiner Tür.
Seufzend lehnte ich den Kopf gegen die Tür und murmelte: "Du hast echt ein zu weiches Herz, Arija."
Ich öffnete die Tür und sagte zu Ryan: "Komm rein. Aber sei bloß leise, mein Vater schläft."

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