~12~

15.4K 496 99
                                    

"Warum müssen wir beide nochmal shoppen gehen? Also versteh mich nicht falsch, aber ich hätte nicht gedacht, du würdest beim Klamottenkauf mich Maggie vorziehen?" Kai hakte sich bei mir ein.
"Maggie ist mit ihrer Mutter beschäftigt, die fahren, soweit ich weiß, ins Möbelhaus. Und hätte ich nicht ein Date morgen, würde ich heute auch nicht freiwillig einkaufen gehen. Jedoch hab ich gestern versucht, irgendetwas Passendes zu finden und bin komplett gescheitert. Außerdem hast du einen ziemlich guten Geschmack, was Kleidung angeht."

Mein Bruder zog mich zu einer Fressbude. Dort kaufte er sich einen Hotdog, übertrieb mit dem Ketchup und biss dann herzhaft hinein. Auf meinen ausdruckslosen Blick hin, schmatzte er bloß etwas wie "Man muss sich doch stärken."
Nach drei Mal abbeißen, war sein Snack weg und er kaute den Rest hinunter. Wobei ich mir sicher war, dass er seinen Hotdog eher heruntergeschlungen hatte.

Kai wischte seine Hände an meinem Jackenärmel ab und ignorierte dabei das Taschentuch, welches ich ihm vor das Gesicht hielt.
"So, also los." Und damit zog er mich ins erste Geschäft.

~~

"Warum denn nicht? Das ist doch voll sexy!"
"Kai, das ist ein fucking Negligé."
"Ja und?"
Fassungslos sah ich ihn an. Dann deutete ich nochmal auf das rote Negligé in meinen Händen, in der Hoffnung er würde mich dann vielleicht verstehen.
"Hör mal, Ari, dann lass uns einen Kompromiss eingehen. Du ziehst das Negligé an und darüber noch ein hübsches Kleid oder so?"

"Wolltest du etwa, dass ich nur das hier anziehe?"
"Ich weiß, was die Männer wollen und das würde Ryan bestimmt gefallen. Zumindest würde es mir gefallen, wenn die..."
"Nah-nah-nah, das will ich gar nicht wissen." Ich nahm den Bügel, an dem die knappe Unterwäsche hing und packte es wieder an seinen rechtmäßigen Platz. Dann seufzte ich. "Kai, das wird das erste Mal sein, dass ich mich mit einem Jungen treffen werde, richtig mit Date und so. Ich möchte ein elegantes Kleid tragen und mich passend gekleidet fühlen. Ich möchte mich wertvoll fühlen."

Ich hob meinen Blick und sah in das lächelnde Gesicht meines Bruders.
"Sag das doch gleich. Dann wären wir auch gar nicht hierhin gegangen."
Er überlegte kurz und nickte dann. Anschließend nahm Kai meine Hand und zog mich aus dem Laden Hunkemöller hinaus in ein gegenüberliegendes Geschäft.

Kai wusste anscheinend genau, wo er hin wollte,  denn er schleifte mich schnurstracks in die hintere Abteilung, die voll von Kleidern war.
Abendkleider, Partykleider und Alltagskleider.
"Du scheinst dich hier ja auszukennen", hechelte ich, jetzt schon völlig außer Atem.
Kai überging meinen Kommentar. "Ryan hat nicht gesagt, was ihr machen werdet, richtig?"
Ein Kopfnicken meinerseits.
"Aber du willst ein Kleid?"
Wieder ein Kopfnicken.
"Hmh, okay. Also brauchst du ein Kleid, welches für alle Situationen passend ist."

Obwohl das keine Frage war, nickte ich.
Fachmännisch stellte er sich vor die riesige Auswahl und wies gleichzeitig die Anfrage einer Mitarbeiterin, ob wir denn Hilfe benötigten, zurück. Mich schob er auf einen kleinen Hocker, der neben einem Schmuckregal stand.
"Also, da hätten wir einmal das bordeaux-farbene lange Abendkleid mit einem Schlitz am..." Er drehte das Kleid zuerst nach links und dann nach rechts. "Am rechten Bein."
Dann griff Kai nach einem weiteren Kleid.
"Hier hätten wir ein schwarzes knielanges Kleid mit einem spitz zulaufenden Ausschnitt, welcher mit kleinen Edelsteinen verziert ist." Kai nickte anerkennend. Er drehte sich im Kreis und nahm ein cremefarbenes Kleid. "Uh lala. Dann wäre hier ein sexy Kleid." Er hielt es probeweise an meinen Oberkörper. "Eng anliegend, sehr gewagter Ausschnitt und vermutlich ziemlich kurz." Das Ende des Satzes ging in seinem Gemurmel beinahe unter. "Ich bin für dieses."
Ich lachte laut auf.

Kai war schon immer so gewesen. Auch wenn er  beschützend sein konnte, wollte er dennoch, dass ich immer das tat, was ich wollte. Laut ihm sollte ich mich zeigen und der Welt präsentieren, dass ich nicht immer das schüchterne Mädchen war, welches ich meist abgab.

Ich nahm alle drei Kleider und ging dann zu den Umkleidekabinen. Kai fläzte sich auf die davor stehende Couch.
Ich probierte das Abendkleid zuerst an. Es schmiegte sich eng an meinem Körper und der hohe Schlitz am rechten Bein verlieh dem sonst so elegant aussehenden Kleid einen frechen Touch.
Ich trat aus der Kabine. Kai besah das Kleid und mich zuerst von Weitem, kam dann aber näher und drehte mich einmal, sodass er das rückenfreie Hinterteil des Abendkleides sehen konnte.

"Ja, sehr schick, wenn ihr in ein Luxusrestaurant gehen wollt. Erstmal die anderen." Damit schob Kai mich zurück in die Umkleide.
Nun zog ich das cremefarbene an. Das Kleid ging mir bis knapp unter den Hintern, betonte meine Oberweite und war am Rücken mit Spitze besetzt. Auch dieses Kleidungsstück präsentierte ich meinem Bruder.
"Uii!" Er klatschte in die Hände. Als er jedoch meinen zweifelnden Gesichtsausdruck sah, während ich mich im Spiegel betrachtete, wurde Kai wieder ernst. "Vermutlich auch nicht das Richtige. Letzte Hoffnung!" Er deutete auf das schwarze Kleid.

Dieses Kleid lag bis zur Taille eng an und fiel dann locker in leichten Falten bis zu meinen Knien. Am Rücken wurde es von ein paar Bändchen geschnürt. Der leichte Ausschnitt wurde von (vermutlich unechten) Kristallen verziert, die dem Kleid einen teuren Look verschafften.
Kai musterte mich von oben bis unten. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Klatschend meinte er: "Das ist es! Das ist toll! Du kannst es zu einem Restaurantbesuch anziehen, aber auch zu einer Wanderung. Es ist einfach und doch schick und sexy. Perfekt! Das nehmen wir, einverstanden?"
Zu einer Wanderung würde ich wohl eher etwas anderes anziehen müssen. Aber ich ging davon aus, dass wir essen gehen würden. Deshalb sah ich lächelnd an mir herunter und entschied: "Ja!"

Try to Love MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt