Drei

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Das kühle Holz in meinem Rücken hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Langsam normalisierte sich mein Gehör wieder und die Umgebungsgeräusche wie das Rauschen der Wasserleitung und das Sirren der Leuchtstoffröhre über dem Spiegel hatten aufgehört, mich um den Verstand zu bringen. Die Gespräche der Gäste im Café vernahm ich nur leise, wie Gemurmel. Ich saß zusammengekauert an die Badezimmertür gelehnt – wie ich hierher gekommen war, hatte ich vergessen – und hatte den Kopf in den Händen vergraben. Ich wollte die Welt nicht sehen. Obwohl schon einige Minuten vergangen sein mussten, seit ich die Flucht ergriffen hatte, zitterte ich noch immer unkontrolliert. Nicht von der Kälte, die der Schweißfilm auf meiner Haut verursachte. Wahrscheinlich kam es mehr von meinem Inneren. Von der Angst, die darin lebte und sich von meiner Erinnerung nährte wie ein hungriger Vampir von Blut.

Eigentlich war ich der Überzeugung gewesen, dass ich die Flashbacks endlich hinter mir gelassen hatte. Falsch gedacht. Nur die harmloseste Frage katapultierte mich zurück in die Vergangenheit. Und nicht nur das. Entgegen meiner Erwartungen ging es mit meiner Psyche ganz offensichtlich wieder abwärts. Ich hatte doch tatsächlich geglaubt, zu sehen, wie eine Reihe Stühle wie von Zauberhand zu allen Seiten um mich herum von mir weg geschossen war.

Das Zuschlagen einer Tür ließ mein Herz stolpern und ich presste meine Handflächen fest an den Boden. Obwohl der Gedanke völlig irrational war, erhoffte ich mir von den glatten, weißen Fliesen ein wenig Halt.

»Jules?« Ich erkannte Duncans Stimme. Shit.

Mit einem Blick zur Tür vergewisserte ich mich, dass sie versperrt war. Natürlich würde ich früher oder später mein Versteck verlassen und mich der Welt stellen müssen, aber für den Moment wiegte ich mich seltsamerweise in Sicherheit, solange ich den Raum verschlossen wusste. Meine Hand tastete nach dem Lichtschalter. Ich brauchte Dunkelheit, um zur Ruhe zu kommen. Wie paralysiert starrte ich in den Schleier aus pechschwarzer Dunkelheit, der mich einhüllte wie ein Vorhang. So hatte ich es am liebsten. Finster. So finster wie möglich. Die Dunkelheit war stets ruhig und gelassen. Sie ließ ihre Fragen unbeantwortet im Raum stehen, ohne auf mich einzureden. Sie war einfach nur da und hüllte mich in eine warme, gemütliche Decke. Und vor allem verwehrte sie mir die Sicht auf die Welt. Auf die Welt, die vorgab, bunt zu sein, obwohl wir doch letztendlich alle gleich waren. Grau und farblos und tief in unserem Herzen gebrochen.

»Jules!« Duncans Stimme näherte sich mir, aber ich würde den Teufel tun und ihm eine Antwort geben. Zu groß war meine Angst vor seiner Reaktion auf das, was mit mir passiert war.

»Bist du da drin?« Nun schien er direkt vor der Tür zu stehen. »Jules, was war das bitte gerade eben?«

Ich presste die Lippen fest aufeinander und drückte meine Faust an meinen Mund, um sicher zu gehen, dass mir kein verräterischer Mucks entweichen konnte.

»Du kannst dich nicht ewig auf dem Klo verstecken«, rief er mir in Erinnerung. Es schien für ihn bereits außer Frage zu stehen, dass ich es war, die hinter der abgeschlossenen Tür saß.

Eine Weile lang war es vollkommen still. Erst glaubte ich, Duncan wartete auf eine Antwort, doch als die Sekunden verstrichen und er nicht weiter nachhakte, zog ich in Erwägung, dass er von mir abgelassen haben könnte. Ich verlagerte mein Gewicht so, dass ich das Ohr fest gegen das Holz pressen und lauschen konnte. Kein noch so kleines Geräusch ließ sich vernehmen. Erleichtert atmete ich auf und ließ meinen Kopf gegen die Tür sinken.

»Ich höre dich atmen.«

Erschrocken schnappte ich nach Luft. Er war also noch immer da. Shit. Mir hätte auffallen müssen, dass ich keine sich entfernenden Schritte gehört hatte, als es plötzlich still um ihn geworden war.

The Curse - Das Spiel um Hass und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt