Mein Kollege stand mit dem Rücken zur Wand, der Restaurantkritiker vor ihm. Seine beiden Hände umfassten Duncans Hals und drückten so fest zu, dass die Adern und Sehnen unter der Haut hervortraten. Duncan versuchte sich aus dem Griff zu winden, doch trotz der Hiebe, die er dem Mann vor ihm gegen Schienbeine und Oberkörper versetzte, gelang es ihm nicht sich zu befreien. Und das, obwohl der Restaurantkritiker nicht unbedingt dünn war und das Fitnessstudio bisher wahrscheinlich nur von außen gesehen hatte. Dennoch drückte er Duncan mit einer beängstigenden Leichtigkeit gegen die Wand.
Mein Herz krampfte sich vor Angst zusammen. Ich musste ihm helfen. Sofort. Schnell. Nur wie?
Duncans Blick schoss zu mir und für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte er. Dann deutete er mit den Augen eindringlich in Richtung Tür. Ich verstand. Aber ganz bestimmt nicht würde ich mich jetzt einfach auf und davon machen. Ich konnte nicht.
Hemingway flüsterte etwas und Duncan wandte hastig den Blick ab, um zu verhindern, dass er mich bemerkte. Was der Fremde gesagt hatte, ging in dem lauten Piepsen in meinen Ohren unter.
Die Pistole kam mir wieder in den Sinn. Durch mein vernebeltes Sichtfeld scannte ich Hemingway und erkannte tatsächlich eine Wölbung unter seinem Jackett. Als ich meinen Blick weiter durch den Raum schweifen ließ, entdeckte ich die Waffe jedoch auf dem Boden, direkt neben den beiden Männern. Es schien, als habe Duncan versucht, sie ihm aus dem Halfter zu entwenden.
Ein weiteres Röcheln erklang. Duncans Gesicht hatte mittlerweile eine beunruhigend rote Farbe angenommen. Diesmal zögerte ich nicht. Ein plötzlicher Energieschub schoss durch mich hindurch und drückte mich in Richtung der beiden Männer; so stark, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob ich den Weg aus eigener Kraft zurücklegte. Meine Fingerspitzen kribbelten immer stärker, das Piepsen wurde intensiver, unerträglich.
Heftig prallte ich gegen Hemingway. Der Überraschungsmoment war auf meiner Seite und so taumelte der Mann verwundert nach hinten und löste seine Hände von Duncans Hals. Dieser ging röchelnd in die Knie und versuchte zu Atem zu kommen. Das Piepen verebbte, die schablonenartigen Muster vor meinen Augen hingegen blieben.
»Was zur Hölle -« Hemingway starrte mich entgeistert an und auch ich konnte nicht glauben, was allein meine Kraft soeben bewirkt hatte. Langsam richtete er sich wieder zu seiner vollen Größe auf. Seltsamerweise flößte mir diese Geste nicht einmal im Ansatz Furcht oder auch nur Respekt ein. Auch nicht, als er die Augen zu schmalen Schlitzen verengte und mich wütend anfunkelte. Denn ich sah eindeutig die Angst darin. Angst vor ... mir?
»Verschwinden Sie«, zischte ich. Ein unbekanntes Gefühl breitete sich in mir aus. Macht? Genugtuung? Jedenfalls fühlte es sich gut an, Duncans Angreifer die Stirn geboten zu haben. Mehr als gut. Auch wenn ich mir nicht erklären konnte, woher meine plötzlichen Kampfkünste rührten. Besonders elegant konnte ich mich dabei jedenfalls nicht angestellt haben.
Der Mann rührte sich noch immer nicht. »Sofort!« Obwohl ich leise sprach, schienen meine Worte die gewollte Wirkung zu erzielen. Und nicht nur das. Sowie ich die Stimme erhoben hatte, entzündete sich eine Flamme des Zorns in meinem Körper, die sich in Sekundenschnelle weiter ausbreitete. Schließlich gelangte die pulsierende Hitze bis hin zu meinen Fingerspitzen, wo sie sich in einer gewaltigen Welle entlud, die durch den gesamten Raum brandete. Es knallte, Glas splitterte. Geistesgegenwärtig schlug ich die Hände vor die Augen und wandte meinen Körper vom Fenster ab, um mein Gesicht vor den Scherben zu schützen, die nur einen Wimpernschlag später zu Boden rieselten. Einige Splitter trafen mich am Hinterkopf und an meinem Nacken. Wie Nadelstiche pikste das Glas in meine Haut.
Wieder erschallte ein Piepsen. Diesmal war es jedoch nicht in meinem Kopf. Es kam von dem Rauchmelder, der oben an der Decke angebracht war. Als ich die Hände von den Augen nahm, regnete eine Flüssigkeit auf mich herunter. Das kühle Nass war eine willkommene Abwechslung zu der Hitze, die sich zuvor in meinem Inneren angestaut hatte. Jetzt waren sogar die letzten züngelnden Flammen erloschen.
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The Curse - Das Spiel um Hass und Liebe
Paranormal• ᴡᴇɴɴ ᴅᴜ ɪʜɴ ʟɪᴇʙꜱᴛ, ᴡɪʀᴅ ᴅɪᴇ ᴡᴇʟᴛ ꜱɪᴄʜ ʜᴀꜱꜱᴇɴ. • Jules hat keine großen Erwartungen, als sie nach einem Jahr voller Turbulenzen einen Aushilfsjob im Café der Kleinstadt Gloamwood antritt. Doch schon in der Nacht nach ihrem ersten Arbeitstag ereilt...