Helens schwarze, auf Hochglanz polierten Boots erschienen in meinem Sichtfeld. Sie ging neben mir in die Hocke.
»Hey, Jules, was ist los?« Auf ihrer Stirn bildeten sich Sorgenfalten.
»Oh Gott, das tut mir so leid!«, krächzte ich. Zum Glück waren wir etwas abseits der vielen Menschen, denn bestimmt gab ich ein erbärmliches Bild ab, wie ich in der Straßenrinne zwischen Pfützen und Matsch, Zigarettenstummeln und verschüttetem Popcorn hockte und verzweifelt auf das Rost des Abwasserkanals starrte.
»Was denn? Was ist passiert?«
»Die Karten«, presste ich heraus. »Sie sind weg.«
Sie runzelte die Stirn. »Wie, weg? Die können doch nicht einfach weg sein. Wir müssen nur ein bisschen suchen. Ist ja nicht schlimm.«
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Sie sind durch den Ritz gefallen.« Ich deutete um Fassung ringend auf die besagte Stelle und atmete zittrig ein und wieder aus.
»Oh.« Sie folgte meinem Finger und kratzte sich am Kopf. »Bist du dir sicher?«
»Sie lagen die ganze Zeit auf dem Gitter und als ich nach vorne gestürzt bin, waren sie plötzlich nicht mehr da.«
»Aber vielleicht wurde sie ja doch woanders hin geweht?«, mutmaßte Helen hoffnungsvoll. Ich wusste nicht, wem von uns beiden sie etwas vormachen wollte. Dennoch zückte sie ihr Handy und schaltete die Taschenlampe an. Mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen starrte sie durch die Ritzen des Gitters und leuchtete erst die Innenseiten des Rohrs ab und schließlich bis ganz nach unten.
Nach einigen Sekunden richtete sie sich wieder auf und grinste schief. »Ich hatte eh keine Lust auf einen Marvel Film.«
Na toll. »Ich bezweifle nur, dass der Rest das genauso sieht«, gab ich zu bedenken. »Wir haben schließlich alle Geld dafür bezahlt und jetzt... Scheiße, das tut mir wirklich leid. Die Karten sind mir aus der Hand gefallen und dann...«
»Ist doch kein Problem«, winkte Helen ab. Sie bemühte sich sichtlich um eine unbeschwerte Miene, aber sie konnte nicht gänzlich über die Enttäuschung hinwegtäuschen, die für den Bruchteil einer Sekunde in ihren Augen aufflackerte. »Sie werden es schon verstehen. Genau genommen sind wir sowieso beide Schuld daran. Wenn ich dich nicht so erschreckt hätte, wäre das nicht passiert. Und so teuer waren die Karten nicht mal.«
Ich nickte zögerlich und kaute auf der Innenseite meiner Unterlippe. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie die anderen – insbesondere Duncan – darauf reagieren mochten. Den guten ersten Eindruck hatte ich spätestens jetzt ruiniert.
»Komm.« Helen streckte mir lächelnd die Hand entgegen und half mir auf die Beine. Sie wollte mich zurück zum Kino ziehen, doch ich konnte mich nicht von der Stelle bewegen. »Hey, was ist?«
Ich habe Angst. »Ich...« Ich unterbrach mich. Auf einmal war es ein Ding der Unmöglichkeit weiterzusprechen; all die Worte, die sich in meinem Kopf formten, konnte ich beim besten Willen nicht über die Lippen bringen.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir erklären es ihnen, okay? Das sind alles keine Unmenschen.«
Duncan schon, wenn er schlechte Laune hatte. Und dies war nach diesem Desaster unausweichlich.
Ich wollte ihr nicht erzählen, was los war. Andererseits konnte ich mich auch nicht weigern, den anderen gegenüberzutreten, ohne eine plausible Erklärung zu liefern. Nachdenklich betrachtete ich Helen; ihre weit geöffneten, ehrlichen Augen, den leicht schief gelegte Kopf, die besorgt gehobenen Augenbrauen, gepaart mit dem mitfühlenden Lächeln, das ich auf ihren Lippen zu erahnen meinte. Konnte ich ihr vertrauen? Ihr klarer, direkter Blick sprach eindeutig dafür, allerdings kannte ich sie noch nicht besonders lange. Wenn ich im vergangenen Jahr eine Sache gelernt hatte, dann war es, niemandem zu trauen. Nicht einmal den engsten Freunden. Wenn sie einmal von einem Geheimnis Wind bekommen hatten, stürzten sie sich wie Hyänen darauf. Und wenn sie den toten Kadaver hinter sich ließen, gingen sie sicher, dass möglichst viele ihrer Gefährten ebenfalls eingeweiht wurden, in das Geheimnis, das kein Geheimnis mehr war; in das Massaker. Ich wusste nicht, ob Helen eine Hyäne war, aber ich war mir auch nicht sicher, ob ich es schon jetzt herausfinden wollte.
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The Curse - Das Spiel um Hass und Liebe
Paranormal• ᴡᴇɴɴ ᴅᴜ ɪʜɴ ʟɪᴇʙꜱᴛ, ᴡɪʀᴅ ᴅɪᴇ ᴡᴇʟᴛ ꜱɪᴄʜ ʜᴀꜱꜱᴇɴ. • Jules hat keine großen Erwartungen, als sie nach einem Jahr voller Turbulenzen einen Aushilfsjob im Café der Kleinstadt Gloamwood antritt. Doch schon in der Nacht nach ihrem ersten Arbeitstag ereilt...