Sieben

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Ich war so durch den Wind, als ich das Café verließ, um zu meinem Fahrrad zu stürmen, dass ich geradewegs in jemanden hineinlief. Meine Stirn knallte gegen ein Kinn; der Kopf meines Gegenübers wurde nach hinten gerissen. Erschrocken machte ich einen Satz nach hinten. Mein Blick schnellte nach oben und im nächsten Moment ging ein beinahe schmerzhafter Ruck durch meinen gesamten Körper, bis hin in die Zehenspitzen. In meiner Brust krampfte sich etwas zusammen, nur einen Wimpernschlag lang, aber beinahe schmerzhaft, als wäre mein Herz soeben stehengeblieben, nur um anschließend mein von Adrenalin durchsetztes Blut noch schneller durch meinen Körper zu pumpen. Als wollte es wertvolle Zeit wieder wettmachen. Noch nie in meinem Leben hatte ein einziger Blickkontakt ein solches Gefühl in mir ausgelöst.

Duncan und ich starrten uns sekundenlang an, ohne dass jemand etwas sagte. Er wirkte ebenso erschrocken wie ich, aber ich vermutete eher, dass das an seinem roten Kinn lag. Davon abgesehen sah er noch so aus wie gestern, doch irgendetwas hatte sich verändert. Nicht an ihm, sondern vielmehr an der Art, wie ich ihn sah. Ihn anzuschauen, war mit mehr Gefühl verbunden. Mit Erinnerungen.

»Hi?« Falls Duncan Schmerzen hatte, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Dafür war sein Tonfall eine Spur misstrauisch. Oder belustigt. Vielleicht eine Mischung aus beidem, wenngleich definitiv der Argwohn dominierte.

»Sorry«, krächzte ich und beeilte mich, zur Seite zu schauen, auch wenn das meine roten Wangen nicht vor ihm verbergen konnte.

»Wo willst du hin?«

»Zu dir«, platze es aus mir heraus.

Nun war der amüsierte Zug um seinen Mund unverkennbar. »Ach, hast du mich jetzt doch vermisst?«

Inzwischen musste mein Kopf lodern wie eine Feuerkugel. Ich malte mir meine Chancen für eine Karriere als Feuerakrobatin nicht unbedingt schlecht aus.

»Helen hat mich geschickt«, sagte ich schnell. Mir war jetzt nicht nach Kontern zumute. »Die Kaffeemaschine macht Probleme.« Ich konnte nicht anders, als ihn abermals zu mustern. Einmal mehr bewunderte ich das menschliche Gehirn dafür, dass es so viele Sinneseindrücke auf einmal aufnehmen konnte. Da war Duncans Stimme, die sich in meiner Wahrnehmung seit gestern so sehr verändert hatte und mir seine Worte von heute Nacht in Erinnerung rief. Und da war er selbst, das gelbe T-Shirt, das ihm zugegebenermaßen kein Bisschen stand, ihn aber dennoch nicht hässlicher zu machen schien; die Jeans, welche er auch gestern getragen hatte; die dunkelbraunen Haare, die ihm in die Stirn fielen. Die Verwirrung über sein Auftreten reichte beinahe an die heran, die ich heute Morgen direkt nach dem Aufwachen verspürt hatte. Er kam mir vor wie eine andere Person. Seine Ausstrahlung war eine komplett andere, dabei konnte er sich doch nicht von gestern auf heute grundlegend geändert haben. Dennoch ließ mich ihn das in einem völlig anderen Licht sehen. Seine Erscheinung und auch sein Charakter hatten sich nicht geändert. Wie ich das genau beurteilen konnte, wo ich ihn doch erst seit gestern kannte, war mir ein Rätsel. Nichtsdestotrotz glich Duncans Persönlichkeit in diesem Moment einem Unterwasserlabyrinth, in das ich immer tiefer eintauchte, bis ich nicht mehr nur das Salzwasser auf meinen Lippen schmeckte und das Wasser auf meiner Haut spürte, sondern auch die bunt schillernden Korallenriffe in all ihren Facetten erblickte, sobald ich um die nächste Ecke bog.

»Also, was ist mit der Kaffeemaschine?«, durchschnitt Duncan die kurze Stille. Seine Stimme war scharf und klar wie ein Messer, aber ein schönes Messer. Eines mit einem hölzernen, kunstvoll geschnitzten Griff, das mit Ornamenten verziert war.

»Sie ist kaputt.«

Er runzelte die Stirn. »Wie, kaputt

In einer hilflosen Geste warf ich die Arme in die Luft. »Keine Ahnung, ich kenne mich mit dem Ding nicht aus. Kaputt halt. Helen hat versucht, sie wieder zum Laufen zu bringen, aber bis jetzt hatte sie noch keinen Erfolg.«

The Curse - Das Spiel um Hass und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt