Fünfzehn

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Von Duncans Plänen hörte ich in den nächsten Tagen nichts mehr. Entweder er war zu keiner Lösung gekommen, oder aber er hielt es nicht für nötig mich einzuweihen. Beides erschien mir realistisch. Auch Hemingway blieb glücklicherweise verschwunden. Dafür lief ich meiner Lieblingspsychologin nun immer öfter über den Weg. Ob es sich dabei tatsächlich um Zufall handelte, konnte ich nicht sagen, allerdings schien Samantha in letzter Zeit auffällig oft zum Einkaufen aufzubrechen. Wenn ich mir wegen eines Stalkers Sorgen machen musste, dann vermutlich weniger wegen Hemingway, sondern vielmehr wegen meiner eigenen Nachbarin. Immerhin ihr Grund dafür kristallisierte sich allmählich heraus.

Als ich am Donnerstagmittag meinen freien Tag nutzte, um ausgiebig nach meiner Silberkette zu suchen und gerade im Vorgarten zwischen den Ästen einer Magnolie kniete, stand Samantha schon wieder draußen vor dem Gartentor und winkte mir fröhlich zu. Seufzend erhob ich mich und stieß dabei mit dem Hinterkopf gegen einen besonders dicken Ast. Fluchend rieb ich mir über die schmerzende Stelle und kroch dann vorsichtig aus dem Gebüsch hervor. Diese Frau brachte wirklich nur Unglück.

»Hallo«, begrüßte ich sie.

»Hallihallo. Wie geht es dir, Jules?«

»Ich dachte, dafür haben wir die Therapiesitzungen?«, entgegnete ich.

»Natürlich, natürlich. Es hat mich doch nur interessiert, Liebes«, beeilte sie sich zu sagen. »Du wirkst ein wenig neben der Spur. Kann man dir helfen?«

»Nein, danke. Außer Sie haben ein kleines Silberkettchen gesehen«, murmelte ich und sah mich auf dem Rasen vor dem Haus um, ohne wirklich zu suchen.

»Nun ja, eigentlich nicht.« Sie zögerte einen Moment, ehe sich ein geheimnisvolles Lächeln auf ihre Lippen legte. »Aber ich habe meine Methoden, Dinge ausfindig zu machen. Hast du ein paar Minuten?« Sie deutete auf ihr Haus.

Unwillkürlich schob sich das Bild einer leuchtenden Hexenkugel vor mein inneres Auge. Wie Samantha die Hände darüber bewegte und die Augen zu Schlitzen zusammenkniff, um zu beobachten, wie sich der Nebel langsam lichtete und den Blick freigab auf das Bild hinter dem Glas. Die Vorstellung war so absurd, dass ich fast laut losgeprustet hätte. In dem Versuch, mir mein Lachen zu verkneifen, entwich mir ein leises Grunzen.

Ein verwirrter Ausdruck trat auf Samanthas Gesicht, doch im nächsten Moment war er wieder verschwunden und machte ihrem fast schon unnatürlichen Lächeln Platz. Diese Frau war nicht echt. Niemand konnte so oft glücklich sein, wie sie vorgab zu sein. »Also, was sagst du? Ich bin mir sehr sicher, dass ich dir weiterhelfen kann.«

Innerlich stieß ich einen gequälten Seufzer aus. Samantha in ihrem eigenen Haus zu besuchen, war nicht unbedingt, wie ich mir meinen Nachmittag vorgestellt hatte. Aber vielleicht motivierte gerade meine abweisende Art sie noch mehr zu ihrer Aufdringlichkeit. Ja, vielleicht musste ich nur einmal auf ihr Angebot eingehen, sie in ihren sensationellen hellseherischen Kräften bestätigen, damit sie mich endlich in Frieden ließ.

»Na gut, wenn es nicht allzu lange geht«, gab ich mich geschlagen.

»Nein, nein, nur keine Sorge«, versicherte sie mir eifrig und bedeutete mir, ihr zu folgen.

In ihrem Haus roch es genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Nach Räucherstäbchen – Weihrauch und Rose waren definitiv eine gewöhnungsbedürftige Mischung – und Gewürzen, darunter Nelke und Rosmarin. Wie auch in ihrer Praxis zierten Pflanzen jeden freien Platz und schlängelten sich um Treppengeländer, Vorhangstangen, über Spiegel und unter Stühlen und Tischen hindurch. Ihr gesamtes Haus glich einem Urwald und ich erwartete, jeden Moment einen Tiger aus dem Dickicht hervorkriechen oder einen Koala von einer der großen Yucca Palmen springen zu sehen. Die Möbel waren aus dunklem Mahagoniholz gefertigt und verliehen der sonstigen Ausstattung trotz der Unordnung etwas Edles.

The Curse - Das Spiel um Hass und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt