Ich muss das tun! (Aber lohnt sich das?)

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Ich saß gerade im Flugzeug und dachte darüber nach, was mich erwartete. Werde ich meine Mutter wiedersehen? Was ist mit meinen Geschwistern? Was würden sie dazu sagen, dass ich gekommen bin? So viele Fragen und ich werde darauf erst eine Antwort haben, wenn ich dort bin.

Ich hatte riesige Angst, was mich erwartet, aber ich wusste ganz genau, dass ich es bereuen würde, wenn ich es nicht täte.

Nach Stundenlangem Fliegen landete das Flugzeug endlich. Die Dauer des Flugs war unerträglich. Endlch bin ich da. Mit meiner Tasche lief aus dem Flughafen raus und orientierte mich. Ich war schon seit zwei Jahren nicht mehr in Russland, aber ich kannte mich trotzdem hier blendend aus und ich wusste auch wo meine Mutter und meine Geschwister waren. Ich lief durch die Dorfstraßen zu dem Haus. Nach circa Zwanzig Minuten war ich angekommen. Es war das Haus von meiner Tante. Zwar sah es äußerlich genau so aus wie die anderen Bauernhäuschen, aber es war größer, mit Zwei Etagen und einem Dachboden. Wird meine Mutter dort sein? >>Worauf wartest du denn<<, meckerte Lilly. Ja genau, worauf warte ich? Ich weiß es nicht.

Ich nahm meinen Mut zusammen und ging auf das Haus zu. Ich klopfte und meine Tante machte die Tür auf. Sie sah mich an, als würde sie nicht glauben, dass ich da stand. Naja würde ich an ihrer Stelle wohl auch tun. ,,Hey", versuchte ich die beengende Stille zu beenden. Doch sie sah mich immernoch ungläubig an. Dann sagte sie endlich was:,,Suchst du deine Mutter?" Ich nickte hastig und sie stellte sich zur Seite. Irgendwas in ihrer Mimik war merkwürdig, sie schaute so aus, als hätte sie Mitleid mit mir. Ich zögerte ein wenig bevor ich reinging. Meine Mutter war da, Freude stieg in mir auf, aber trotzdem stimmt hier etwas nicht. Ich ging in das kleine Wohnzimmer rein und die Freude verschwand blitzartig. Meine Mutter saß auf dem Sofa und weinte. Ich ging vorsichtig auf sie zu und als sie mich sah, hatte sie die selbe Reaktion wie meine Tante. Dann stand sie auf und zog mich in ihre zitternden Arme. Was ist passiert? Eine Gänsehaut durchfuhr mich. ,,Liebes, ich...es tut mir Leid. Es ...ist etwas schreckliches passiert. Dein Bruder Taylor ist...." Ich erstarrte. Nein, nicht Taylor, nicht mein Bruder. Ich hab diese Gabe, ich hätte es doch gespürt. Das kann nicht sein. ,,Es tut mir so Leid, Liebes. Ich...es ist gestern passiert." Ich vergrub mich in der Schulter meiner Mutter, da ich den Tränen sehr nahe war. Ich versuchte ruhig zu sprechen:,,Was ist passiert? Mama" Die erste Träne lief meine Wange runter. ,,Dein Bruder ist in den Wald gelaufen und hat sich dort verirrt. Wir haben ihn den ganzen Tag gesucht, aber am Abend aufgegeben." Sie stockte kurz und erzählte langsam weiter:,,Als wir am nächsten Morgen weiter gesucht haben, haben wir ihn gefunden....blutrünstig zerstückelt." Die Wörter brannten sich in meinem Kopf ein: Mein kleiner Bruder zerstückelt? Diese Vorstellung war undenkbar. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hab, hat er mich geknudelt und mich angegrinst. Er kann jetzt doch nicht...tot sein. Ich werde ihn nie wieder sehen, nein das stimmt nicht, aber ich werde ihn aufjedenfall nicht mehr lebend wieder sehen. Meinen Bruder gibt es in der Welt der Lebenden nicht mehr. Er war mein kleiner Bruder, er war doch so klein. Er durfte nicht so jung sterben, das ist so unfair. Er konnte noch nicht richtig leben. Er war doch noch so klein. Und ich durfte mich noch nicht einmal von ihm verabschieden.

Erst jetzt bemerkte ich, dass mein Gesicht total nass war. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerckt wie sehr ich geweint habe. ,,Was ist mit Luna?", wagte ich es etwas zu sagen. Sie schwieg darauf. Ich wiederholte meine Frage:,,Was ist mit Luna? Und wo ist sie?" Sie antwortete gequelt:,,Luna ist bei deinem Vater. Er hat sie mitgenommen." Ich verstand nichts mehr. Warum hat mein Vater Luna mitgenommen, und wo ist er überhaupt? Ich wollte aber die Situation jetzt nicht mit meinen Fragen verschlimmern, also beließ ich es dabei.

Ich dufte bei meiner Tante in einem Gästezimmer übernachten übernachten, da morgen die Beerdigung stattfinden würde. Am Abend konnte ich nicht einschlafen, diese Situation überwältigte mich. Zwar war ich müde und erschöpft, aber dennoch konnte ich kein Auge zumachen. >>Hey es tut mir echt Leid wegen deinem Bruder. Zwar bin ich tot, aber ich wusste echt nicht, dass er gestorben ist<< ,,Keine Sorge, ich habe das gar nicht gedacht. Lilly" >>Soll ich für dich ihn suchen gehen? Wird es dir helfen, wenn ich ihn finde?<< Daran habe ich gar nicht gedacht. Wird es mir helfen, wenn ich ihn wiedersehe? Wird es mir helfen ihn zu sehen? ,,Kannst du das?" >>Na, klar! Also soll ich?<< Soll sie? ,,Ich weiß nicht. Welche Erscheinungsform haben Geister eigentlich? Sehen sie so aus wie sie gestorben sind?" >>Nein, also nicht hauptsächlich. Es ist unterschiedlich. Würde ich so aussehen, wie ich gestorben bin, hätte ich einen abgerrissenen Kopf. Genau weiß ich es zwar nicht, aber in all den Jahren habe ich eine Vermutung bekommen. Ich denke, dass die Geister genau so aussehen, wie sie sich selber definieren, wie sie denken, wie sie aussehen oder manchmal auch so wie man gerne aussehen würde. Falls du wegen deinem Bruder fragst, ich denke nicht, dass er in Einzelteilen als Geist existiert<< ,,Okey, dann könntest du ihn für mich suchen?" Schon verschwand sie. Oh mann, das hier passiert mir viel zu schnell. Das ist irgendwie alles so unwirklich. Ich kann nicht glauben, dass hier das passiert.

Gegensätze sind füreinander bestimmtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt