Kapitel 1

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Kapitel 1

Sturmgraue Augen beobachteten die junge Königin Stella aufmerksam dabei, wie sie über einer Karte grübelte. Sie war blass und wirkte müde, aber es kam kein Laut der Beschwerde über ihre Lippen. Das schwarze Samtkleid, welches sie in der letzten Zeit immer trug, ließ sie noch blasser aussehen. Ihr kleiner Finger in ihrem Mund verschwunden. Ein sicheres Indiz, dass sie stark überlegte. "Was meinst du Taik?", fragte sie den Blitzdrachen mit den grauen Augen und grauem, kinnlangen Haar, der mit verschränkten Armen an ihrem Tisch im kleinen Salon stand und sich geräuspert hatte. Er war ein Berater Draakons. Zuständig für Handelsbeziehungen.

Genau wie der andere Drache, der am Fenster stand und den dunklen, wolkenverhangenen Himmel beobachtete. Niska, der Erddrache, schien zu warten, bis Stella etwas von sich gab. Auch er war ein Berater von ihrem Ehemann und er schien sein Handwerk zu verstehen. Wahrscheinlich hatte Draakon deshalb die beiden gebeten, seiner Frau etwas unter die Arme zu greifen, da sie sich seit dem Gespräch mit Daver auf dem Abendball sehr dafür interessierte.

"Ich habe mich nur geräuspert, Eure Hoheit", erklärte Taik. In der letzten Zeit passierte es Stella oft, dass sie so in Gedanken versunken war, dass sie bei jedem kleinem Geräusch aufschreckte oder fragte, was los war.

Seit der Beisetzung ihres gesamten Dorfes war Stella sehr ruhig geworden. Viel zu ruhig für die quirlige, junge Frau, die Draakon geheiratet hatte. Die Diskussionen zwischen ihnen waren weniger geworden, auch wenn es oft aussah, als würde Stella protestieren wollen. Jedoch schien sie keine Kraft mehr dazu zu haben und nahm es dann einfach hin.

Die Entdeckung, dass ihr Dorf Opfer von Stammeskämpfen geworden waren, hatte die Braunhaarige völlig aus dem Konzept gebracht. Draakon hatte sehr lange gebraucht, um seine Ehefrau zu beruhigen, damit sie wieder in der Lage war, etwas klarer zu denken.

Stella nickte Taik zu und verfiel dann wieder in Schweigen. Draußen hatte es zu regnen begonnen und es sah aus, als würde ein Sturmtief über das Schloss hinwegfegen. Die Bewegung, die Niska am Fenster machte, entging ihr nicht, weshalb sie wieder aufsah. "Was ist los?", fragte sie den Erddrachen.

Dieser machte eine abwinkende Handbewegung. "Nichts. Es scheint, dass ein heftiges Gewitter im Anmarsch ist", erwiderte Niska und drehte sich um. Genau in diesem Moment zuckte ein Blitz und erhellte seine Glatze, die Ansätze von kleinen, braunen Haarstoppeln aufwies. Vor kurzer Zeit hatte er sich den Kopf kahl rasieren lassen, doch der lange, braune und buschige Bart war der Schere nicht zum Opfer gefallen. Es schien, als wäre er stolz darauf, so ein Ungetüm, das jede Regung verdeckte, im Gesicht zu tragen. Seine kühlen, braunen Augen lagen nachdenklich auf Stella, die bei dem Blitz und dem dunklen Donnergrollen zusammengezuckt war. Niska wirkte sehr arrogant und unnahbar. Er sprach nur, wenn es notwendig war. Selbst auf der Versammlung, als es um Sadis Strafe gegangen war, hatte er nicht sehr viel gesagt.

Es klopfte und Stellas Kopf fuhr in Richtung Tür, die sich einen Spalt öffnete. Ihr Dienstmädchen Ria steckte den Kopf hinein und erkundigte sich, ob sie ihnen eine Kleinigkeit zum Essen und zum Trinken bringen sollte. Mit klopfendem Herzen nickte Stella und legte zwei Finger an die Schläfen, um die aufkommenden Kopfschmerzen zu lindern. In der Nacht hatte sie wieder Albträume gehabt, die sie seit dem grausamen Fund ihres Dorfes hatte.

Die Tür schloss sich wieder und Stella wandte sich an die beiden Handelsberater. "Wie haben die Istoker und Barater es bisher geschafft, ihre Waren zu tauschen?", wollte sie wissen. Darüber zerbrach sie sich den Kopf, denn die Istoker lebten im Nordosten im Eisgebiet, die Barater im Westen in der Wüste.

Zwischen ihnen waren die Gebiete der Blitzdrachen und der Feuerdrachen. Keiner wagte es, sich dort aufzuhalten, denn der Vulkan mit seiner ständig auslaufender Lava war sehr gefährlich, genauso wie die Blitze, die im angrenzenden Gebiet im Sekundentakt in der Erde einschlugen und kleine Erdbeben verursachten.

Dragons of Avalon - Drachenhand (Band 2) [Leseprobe]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt