Kapitel 2
Es verging nur etwa eine Stunde, bis sich Stella von Dylan in die Halle führen ließ. Diese war klein, aber gut ausgeleuchtet. Zudem bot sie genug Platz, um sich frei bewegen zu können.
Ihren Rundgang hatte sie absichtlich klein gehalten, weil sie wusste, dass sie noch Energie brauchen würde. Draakon war bereits da und sie lächelte leicht, als sie sich auf ihn zubewegte. Auf dem Weg hierher hatten sie und Dylan nicht gesprochen, aber das war normal. Irgendwie fühlte sie sich bei ihm immer eingeschüchtert. "Was möchtest du denn machen, Draakon?", fragte Stella, als sie ihrem Mann einen Kuss auf die Wange gegeben hatte.
"Ich möchte mit dir ein paar Übungen für deine Beine machen", erklärte er. "Trägst du ein Korsett darunter?"
"So wie immer", erwiderte Stella stirnrunzelnd. Seit sie wieder im Schloss waren, trug sie jeden Tag eines.
"Dann zieh es bitte aus. Du musst dich richtig bewegen können", sagte er und musterte sie nachdenklich.
Auffordernd, dass er ihre Schnüre öffnete, drehte sich Stella mit dem Rücken zu ihm und hielt ihre braunen, langen Haare, die wellenartig ihren Körper umspielten, nach oben. "Kannst du bitte helfen?"
Ohne ein Wort zu verlieren, löste Draakon die Schnüre. "Vielleicht wäre auch ein anderes Kleid besser", murmelte er nachdenklich. "Aber das sollte auch gehen."
Sobald das Korsett ausgezogen war, atmete Stella tief durch. In all den Wochen, in denen sie bereits im Schloss lebte, hatte sie sich immer noch nicht ganz daran gewöhnt. Was wohl an ihren breiten Hüften lag. Wenigstens war das Tragen ein wenig angenehmer geworden, aber sie hatte nichts dagegen, es auszuziehen. Sie legte es auf eine Bank, die sich am Rand der Halle befand und kam dann zu ihm zurück. "Welche Übungen möchtest du genau machen?"
"Ich möchte mir erst einmal deine Beine ansehen", sagte Draakon ernst. "Am besten du machst das nach, was ich vormache."
Ohne zu widersprechen nickte Stella und konzentrierte sich auf die Bewegungen ihres Mannes. Sehr schnell zeigte sich deutlich, dass sie einige Probleme hatte, beide Beine gleichmäßig zu belasten. Da die Muskeln an ihrem verletzten Bein stärker geworden waren, belastete sie dieses zurzeit mehr.
Draakon stellte sich auch auf ein Bein und schätzte ab, wie lange Stella stehen konnte. Sie hatte ein paar Probleme damit, das Gleichgewicht zu halten, doch mehr mit ihrem unverletzten Bein. Es wirkte bei weitem schwächer.
Was sehr merkwürdig war, denn dieses hatte sie bisher immer gut belastet. Ihm fiel auf, dass sie ab und zu ein wenig schwankte und sogar ihre Arme ausbreitete, um das Gleichgewicht zu halten. Jedoch zeigte sich auch, dass sie noch schiefer stand als zuvor.
Draakon rieb sich das Kinn. "Ich denke, dass du in dem Bein mehr Muskeln hast, als zuvor."
Seine Frau ließ die Arme sinken und sah ihn fragend an, zuckte jedoch heftig zusammen, als draußen ein lauter Donner erklang und ein Blitz die Halle erleuchtete. "Meinst du unter deiner Haut?"
Draakon zuckte kaum, musterte Stella aber ausgiebig. "Ja, unter der Haut."
Die Braunhaarige nickte. "Ich glaube, daher belaste ich im Moment das Bein auch mehr und bekomme stärkere Rückenschmerzen", gestand sie. Das hatte sie sich bisher nicht anmerken lassen, weil sie irgendwie ihre Gefühle und Gedanken zurzeit für sich behielt.
Draakon bat sie darum, dass sie sich umdrehte und dann kontrollierte er mit den Fingern ihren Rücken. "Es wäre besser, wenn du dich ausziehst, damit ich alles genau sehen kann", bemerkte er, da es durch das Kleid sehr schwer war.
Hätte sie sich früher geweigert, sich auszuziehen, öffnete sie langsam ihre Knöpfe an ihrem Oberkörper, bevor sie den Stoff über die Schultern zog. Und das alles ohne Widerrede.
Draakon betrachtete sie dabei sehr genau und wartete nicht, bis das Kleid zu Boden gefallen war, sondern lief schon währenddessen um sie herum. Dabei wirkte er beunruhigt. "Streck bitte deine Arme nach vorn aus und halt sie."
Gehorsam kam sie der Bitte nach und legte den Kopf schief. "Was ist los?", fragte sie alarmiert. So, wie ihr Mann reagierte, musste etwas nicht stimmen.
"Du belastest deinen Körper ziemlich schlecht", bemerkte er. "Mich wundert es, dass du nicht heftige Rückenschmerzen hast. Ich glaube du brauchst dringend eine Massage."
Ruhig stand Stella da und nickte. "Du hast Recht. Ich spüre, dass ich ihn seit der Sache mit dem Bein noch schlechter belaste", sagte sie, ging aber auf das mit den Rückenschmerzen nicht noch einmal ein. Das hatte sie davor schon angedeutet, dass sie stärkere bekommen hatte.
"Ich glaube, wir müssen dafür sorgen, dass du ein bisschen anders läufst, sonst könnte das sehr schlechte Konsequenzen haben", murmelte er. "Und du wolltest, dass ich dich in Kampfkunst unterrichte. Willst du schon anfangen?"
Ein ernster, kämpferischer Ausdruck erschien plötzlich bei seiner Frage in Stellas Augen. Energisch nickte sie und meinte, dass sie viel zu lange gewartet hatten. Je früher sie kämpfen lernte, desto eher konnte sie ihre Familie und ihr Dorf rächen.
"Dann wirst du dich aber nicht beschweren, wenn ich dich bis zum Äußeren antreibe", warnte er. "Ich bin ein strenger Lehrer."
"Ich werde mich nicht beschweren", versicherte Stella und klang, als hätte sie Draakons Worte für einen Befehl gehalten. Sie hatte auch nicht vor, sich zu beschweren, sondern zu lernen.
Zufrieden nickte Draakon. "Dann fangen wir heute damit an, dass ich mir anschaue, wie es um deine Ausdauer steht", sagte er und Stella wusste in diesem Moment noch nicht, was das für sie hieß. Am Abend würde sie jeden einzelnen Muskel in ihrem Körper spüren.
DU LIEST GERADE
Dragons of Avalon - Drachenhand (Band 2) [Leseprobe]
FantasyStella lebt sich ein. Sie ist nun die Königin der Drachen, obwohl sie ein Mensch ist. Damit hat sie viele neue Aufgaben. Unter anderem muss sie ihren Mann unterstützen und mit ihm reisen. Dass sie nicht beliebt ist, weiß sie, doch mit dem, was sie...