Kapitel 2

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Ich ermahnte mich innerlich, mich zusammen zu reißen. Ein letztes Mal blickte ich mir im Spiegel in meine braunen, vor Schreck geweiteten Augen. Dann erleichterte ich mich in einer der beiden Kabinen.
Noch einmal tief durchatmend trat ich wieder in den Hauptraum der Bar. Ich straffte meine Schultern, wie ich es oft tat, um mir mein Selbstbewusstsein in das Gedächtnis zu rufen.
Zielstrebig lief ich auf Lars zu, der nach wie vor an dem Tisch saß, er hatte anscheinend zwei neue Getränke bestellt, diesmal waren es Cocktails.
Ich ließ mich auf den Stuhl fallen, Lars sah mich an, legte dabei seinen Kopf schief: "Alles gut?"
Ich nickte nur, machte eine abwinkende Handbewegung: "Wahrscheinlich der Alkohol."
Wir hatten erst zwei Bier getrunken, ich wusste, dass meine innere Unruhe und Aufregung auf keinen Fall vom Alkohol kam, trotzdem klang mir das wie die plausibelste Ausrede für meinen Zustand.
Meine Wangen fingen an Feuer zu fangen, so fühlte es sich zumindest an. Ich wollte nur noch hier raus.
Ich trank einige Schlücke des Cocktails, welcher erstaunlich gut schmeckte, der darin enthaltene Alkohol ließ mich ein wenig runterfahren.
"Lass uns dann nach Hause.", meinte ich an Lars gewandt, als ich mein Glas geleert hatte.
Dieser nickte und antwortete mit: "Ich geh noch eben auf die Toilette. Kannst du noch zahlen?"
Er streckte mir einen fünfzig Euro Schein entgegen.
"Ich kann auch selber za-"
"Das passt schon. Das nächste Mal zahlst du, okay?", er unterbrach mich, erhob sich dann und ging in Richtung WC.
Mit zittrigen Fingern faltete ich den Schein kleiner, dann wieder auseinander.
Ich wusste, dass jetzt der Moment gekommen war, indem wir wieder aufeinander treffen würden.
Mein Blick ging zur Theke, an der er und seine Freunde noch immer saßen.
Sie schienen in ein Gespräch mit der Kellnerin verwickelt zu sein, die Kellnerin, bei der ich bezahlen musste.
Mein Herz rutschte mir in die Hose, ich befahl mir, mutig zu sein.
Vielleicht würde er mich nicht erkennen, schließlich hatte ich mich auch verändert.
Ich erhob mich von meinem Stuhl, bahnte mir meinen Weg auf die Theke zu.
Ich stellte mich circa einen Meter neben ihn und seine Freunde, räusperte mich, um die Aufmerksamkeit der Kellnerin zu erlangen, diese war jedoch gerade dabei, ihm schöne Augen zu machen. Marten vernahm das mit einem selbstgefälligen Grinsen. Mein Magen kribbelte, besser gesagt mein ganzer Körper, als ich ihn ansah.
Seine schönen Zähne machten sein Lächeln nur noch wunderbarer, seine ozeanblauen Augen ließen mein Herz auch jetzt, wie früher, höher schlagen.
"Kann ich helfen?", ich vernahm die Stimme der Kellnerin, plötzlich lagen alle Augen auf mir, inklusive Martens.
Mir wurde übel, mein Atem ging schneller.
"Ich.. äh..", seine Augen weiteten sich, ich wusste, dass er mich erkannt haben musste, Marten musterte mich.
Unfähig etwas zu sagen streckte ich ihr den Schein entgegen. Ich ballte meine Hand zu einer Faust, meine Fingernägel bohrten sich dabei in mein Fleisch.
Sie legte mir das Wechselgeld auf die Thekenfläche, ich klaubte es schnell zusammen, wollte mich gerade zum Ausgang begeben, als eine Hand sich um meine Schulter schloss.

Ich brauchte mich gar nicht umzudrehen, um zu wissen, wer mich da gerade vom Gehen abhielt.
Sein Duft stieg mir in die Nase, verdammt dieser Duft fühlte sich nach all der Zeit immernoch nach Zuhause an.
Mein Puls schoss in die Höhe, ich hatte fast Angst zu kollabieren.
Innerlich betete ich, bitte war das alles nur ein böser Traum, aus dem ich gleich erwachen würde.
Doch dass es alles andere als ein Traum war, zeigten mir seine Worte, die mir eine Gänsehaut über jede erdenkliche Stelle meines Körpers jagte: "Emma. Was machst du hier?"
Er klang nicht wütend, nicht verletzt, seine Stimme war ausdruckslos, trotzdessen machte mein Herz einen Hüpfer.

Langsam drehte ich mich zum Hünen hinter mir um, ich musste aufsehen, um in sein Gesicht blicken zu können.
Die Luft blieb mir weg, er war immernoch so wunderschön. Sein leichter Bartansatz stand ihm, ließ ihn noch furchteinflößender wirken.
"Marten.", meine Stimme glich kaum mehr einem Flüstern, ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, das war alles viel zu surreal.
Er hielt mich immernoch an meiner Schulter fest, welche unter seinen Händen anfing zu prickeln.
Eine Weile lang sahen wir uns nur an, keiner sagte etwas, es lag eine Spannung zwischen uns.

Lars riss uns aus der Starre, indem er Marten unsanft von mir wegschob.
"Emma, alles okay? Lass sie in Ruhe!", er legte beschützend einen Arm um meine Schultern, der sich für mich jedoch anfühlte wie ein Fremdkörper.
Der Blick meines Gegenübers wechselte zwischen mir und Lars hin und her.
Allmählich nahmen seine Augen ein wütendes Funkeln an, ich kannte diese Ruhe vor dem Sturm.
"Was willst du denn jetzt?", Martens Stimme klang bedrohlich, ich schüttelte Lars' Arm ab.
Er baute sich vor Marten auf, war ihm natürlich klar unterlegen, trotzdem versuchte er, mich zu schützen.
"Lars, hör auf. Alles gut, ich kenne ihn.", Lars drehte sein Gesicht über die Schulter zu mir, das war der Moment, in dem Marten ihn am Kragen seines Hemdes packte.

"Marten!", ich sah ihn maßregelnd an.
"Hat da jemand seine feige Stimme wiedergefunden, hm?", er grinste mir hämisch zu. Seine Worte taten mir mehr weh, als sie sollten.
Trotzdem bemühte ich mich, mir nichts anmerken zu lassen.
"Lass ihn runter.", ich zog meine Augenbrauen abwartend in die Höhe.
"Was krieg ich dafür?", er lachte, diesmal war es nicht sein schönes Lachen, es war ein abfälliges.
Ich seufzte, nahm all meinen Mut zusammen und hoffte auf meine feste Stimme: "Marten von Frieling. Ich sage dir das jetzt noch einmal, lass ihn runter oder ich lasse hier die gesamte Polizeibelegschaft von Hamburg antanzen. Und ich bin mir sicher, dass ihr alle Drogen oder irgendwas anderes dabei habt, womit wir euch drankriegen können."
Ich verschränkte meine Arme vor der Brust, wohlwissend, dass das die dümmsten Worte waren, die ich in seiner Gegenwart wählen konnte. Alle Augen richteten sich auf uns.
Marten warf mir einen vernichtenden Blick zu, ehe er Lars losließ, dieser brachte einige Meter Abstand zwischen sich und den Riesen.
"Willst du mich verarschen?", er ballte seine tätowierten Hände zu Fäusten, "Bist also immernoch bei den Bullen?"
"Lass uns gehen, Emma.", Lars griff nach meiner Hand.
Ich nickte, warf Marten noch einen letzten Blick zu. Er hatte seine Lippen zu einem schmalen Strich verzogen.
Die Wut brodelte merklich in ihm, es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ausbrach, ich musste unbedingt verschwinden.
Schnell liefen Lars und ich nach draußen.
Mein Herz schien zu zerbersten, so schnell klopfte es in meiner Brust.
Das Adrenalin pumpte durch meine Adern, ich war so wach, als hätte ich einige Kaffees getrunken.

"Wer war das?", unterbrach Lars die Stille, nachdem wir einige Meter zwischen uns und die Bar gebracht hatten.
Ich räusperte mich, der Abend war sowieso schon ruiniert, warum sollte ich also nicht ehrlich sein: "Mein Exfreund."
Lars schnappte nach Luft: "Du weißt aber schon, dass der bei der Polizei bekannter ist, als jeder andere?"
Ich fuhr mir erschöpft über das Gesicht, sagte nichts dazu. Natürlich war ich mir im Klaren darüber, dass Marten polizeibekannt war, durch mich war er doch erst in die ganze Scheiße hineingeraten.

Love Me Again | MartenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt