Kapitel 16

2.2K 91 45
                                    

Die Essiggurken fanden ihren Weg in meinen Einkaufswagen und ich machte mich auf den Weg in die Süßwarenabteilung, ich brauchte unbedingt noch Schokolade.
Gerade als ich nach meiner heißgeliebten Schokolade griff, spürte ich einen starrenden Blick in meinem Rücken.
Hastig drehte ich mich um, ehe mein Herz mir fast stehen blieb.

Zwei wunderschöne blaue Augen bohrten sich in meine, seine Hände steckten in den Taschen seiner schwarzen Jacke und ich fragte mich, was er hier machte, saß er nicht mehr in Untersuchungshaft?

"Emma.", sein Bart war gewachsen, was ihn irgendwie älter aussehen ließ, trotzdem war er immernoch verdammt attraktiv.
Meine Stimme war nicht mehr vorhanden, nur noch mein Herzschlag, der unaufhörlich in meiner Brust zu spüren war, übertönte alle Gedanken in meinem Kopf.
Wir sahen uns einfach nur an, ich konnte seine Blicke nicht deuten, war er wütend?
Mein Bauch begann zu kribbeln, wie automatisch legte ich meine Hand auf die kleine Wölbung, die bereits entstanden war und die wahrscheinlich nur ich bemerkt hatte.

"Können wir reden?", seine tiefe Stimme jagte eine Gänsehaut über meine Arme und ich musste schlucken, ich hatte jede Reaktion von ihm erwartet, von wütend, zu mich anschreiend, zu Ignoration aber nicht diese. Er schien in sich gekehrt, gefasst, nicht einmal Wut erkannte ich in seinen Augen. Und das machte mir Angst.

"O-okay.", brachte ich nur hervor, es nervte mich selbst, dass ich so unsicher war, doch irgendwie war die Stimmung zwischen uns seltsam.
Eilig begaben wir uns zur Kasse, an der ich meine wenigen Einkäufe bezahlte, eigentlich fehlte noch die Hälfte, jedoch wollte ich nicht mit Marten im Schlepptau durch den ganzen Laden marschieren, er machte mich auch so nervös genug.

Als ich endlich die Einkäufe in meinem Kofferraum verstaut hatte, wandte ich mich dem dunkelhaarigen Riesen.
"Bist du mit dem Auto hier?", ich schloss den Kofferraum meines BMW's und drehte mich zu ihm, ehe ich meine Hände in meinen Jackentaschen vergrub.
Mein Gegenüber nickte, musterte mich einmal, wusste er vielleicht schon, dass ich schwanger war?
"Treffen wir uns bei mir?", ergriff er das Wort und ich war froh, dass er das vorschlug, denn bei mir lagen tausende von Broschüren herum, die sich um die Schwangerschaft und Babys im Allgemeinen drehten.
"Okay.", erwiderte ich also, es war seltsam, ihm auf einmal wieder gegenüber zu stehen, vorallem jetzt, wo ich unser Kind in mir trug.

Ich folgte seinem schwarzen Benz durch die Straßen Hamburgs und fragte mich, was ich hier eigentlich tat.
War es eine gute Idee, einfach mit ihm nach Hause zu gehen, um zu reden?
Ich war mir sicher, dass er mir nie etwas antun würde, trotzdem konnte ich seine aktuelle Stimmung sehr schlecht einschätzen und wollte kein Opfer seiner Wut werden.

Vor seiner Wohnung parkte ich meinen Wagen neben seinen, atmete noch einmal tief durch, stieg dann aus und folgte ihm wortlos in das Innere des Gebäudes.
"Ich dachte, du wärst noch in U-Haft.", innerlich ohrfeigte ich mich dafür, dieses Gespräch mit einer so dummen Aussage zu starten, aber es interessierte mich dennoch.
Marten steckte seinen Schlüssel in das Türschloss seiner Wohnung, die Tür sprang auf und wir betraten seine vier Wände.

"Wurde entlassen, weil die denken, dass ich nicht abhaue.", sein Schlüssel klimperte in seinen Händen, als er den Bund auf der weißen Kommode ablegte.
Es wunderte mich, dass sie ihn doch gehen lassen hatten, aber so wie ich die Jungs kannte, hatten sie ziemlich sicher einen der besten Anwälte eingeschaltet.

Ich folgte dem Riesen in sein Wohnzimmer und es war ein seltsames Gefühl ihm wieder gegenüber zu stehen.
Er fuhr sich verlegen durch seine dunkelbraunen Haare, welche mal wieder einen Friseurbesuch nötig hatten.
"Ich dachte, du würdest es tun.", brachte er dann hervor und ich war verwirrt, was meinte er?

Ich ließ mich auf die Couch fallen, in letzter Zeit tat mein Rücken ziemlich weh, ich fragte mich, wie das erst werden sollte, wenn ich so richtig schwanger war.

"Was meinst du?"
Ich verflocht meine Finger miteinander, ließ meine Daumen umeinander kreisen. Von einem der Nägel splitterte bereits der beige Lack ab.

"Ich dachte, du schießt auf mich.", seine Augen suchten meine und mein Herz wurde schwer, seine Schultern sanken, in diesem Moment sah der sonst so selbstsichere Marten aus wie ein kleiner Schuljunge.
"Das ist mein Job, Marten. Nur weil ich dich mag, kann ich nicht zusehen, wie du meinen Kollegen abstichst.", was hätte ich sonst tun sollen?
"Ich weiß.", war das Einzige, was er dazu zu sagen hatte.
Diese Unterhaltung war seltsam auf einer anderen Ebene, ich hätte wirklich erwartet, dass er mich anschreien würde oder anderweitig ausrasten würde, aber er schien so gefasst, fast schon gleichgültig.

Eine Weile lang sahen wir uns einfach nur an, mir kam es vor, als hätte er noch mehr an Muskelmasse dazu gewonnen, die teure Uhr an seinem Handgelenk glitzerte im Sonnenlicht, welches, durch die bodentiefen Fenster, auf Marten fiel.

"Was hast du mit denen zu tun?", unterbrach ich dann die Stille, die sich im Raum ausgebreitet hatte, in meinem Bauch kribbelte es, wenn ich Marten ansah und ich war mir sicher, dass es nicht nur an meiner Aufregung lag, die ich in diesem Moment verspürte.
"Mit den Angels?", der Hüne verschränkte seine Arme vor der breiten Brust und ich nickte.
Ein Schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, ich wusste nicht, wie ich dieses deuten sollte, irgendwie sah es abschätzig aus.

"Bin einer von denen. Als ob du das nicht wusstest, redet ihr auf dem Revier da nicht drüber?", eigentlich wusste ich es schon, nach dem Einsatz hatten wir das herausgefunden, ich wollte es nur noch einmal aus seinem Mund hören.
Ich wunderte mich selbst darüber, dass mir seine ganzen Tattoos im Bezug auf die Angels bisher nicht aufgefallen waren, vielleicht hatte ich ihm auch einfach zu schnell wieder blind vertraut.

"Denkst du, die buchten mich ein?", es wunderte mich, dass er mich das fragte, ich war kein Richter, außerdem wusste er wohl selbst zu gut, für was man verurteilt wurde und für was nicht.
"Gut möglich.", sagte ich also nur, schließlich war sein Vorstrafenregister kein kleines.

"Über was wolltest du reden?", ergriff ich dann das Wort, bisher hatten wir nur eine belanglose Unterhaltung geführt und mir war klar, dass das nicht der Grund war, warum er mich hergebracht hatte.

Marten schien mit sich selbst zu ringen, ballte seine Hände zu Fäusten, spannte sich merklich an, nur um sich dann wieder etwas zu lockern.
"Du musst dich von mir fernhalten.", platzte es aus dem Dunkelhaarigen heraus und ich verstand nur Bahnhof.

Genauso musste mein Blick wohl auch gewesen sein, denn Marten erläuterte seine Worte: "Wir haben doch jetzt schon zum zweiten Mal gesehen, dass wir einfach nicht zusammen passen. Das mit uns geht nicht. Dir ist dein Job viel zu wichtig, und ich will nicht, dass du ihn wegen mir verlierst. Außerdem hab' ich keinen Bock drauf, dass du wieder petzen gehst."

Seine Worte versetzten mir einen Dämpfer, ich verstand ihn, ich verstand ihn wirklich, unsere Beziehung zueinander war alles andere als einfach, aber ich hatte gedacht, dass auch auf seiner Seite wieder Gefühle für mich entstanden waren. Mein Bauch zog sich unangenehm zusammen und ich legte meine Hand auf diesem ab.

"Fang was mit diesem Lars an, oder was weiß ich. Unsere Welten sind einfach zwei komplett verschiedene, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen. Wir sind ohne einander besser dran.", wieso schienen ihm diese Worte so leicht über die Lippen zu gehen?
Waren alle seine Taten und Sätze etwa gelogen gewesen?
Die Übelkeit kroch in mir hoch, meine Finger kribbelten unangenehm und mir fiel es schwerer, zu atmen.

"Aber...", fing ich an, doch war es jetzt der richtige Moment, um ihm von meinem, unserem Kind zu erzählen?
Er hielt seine Hand hoch, um mich zu unterbrechen.
"Emmi, lass.", brummte Marten und versetzte mir damit einen weiteren Stich.
Ich musste aus dieser stickigen Wohnung raus, sonst würde ich ihm wohl noch vor die Füße kotzen.

"Marten.", versuchte ich es noch einmal, holte tief Luft, doch es schien mir nicht zu gelingen.
"Ich bin schwanger.", und plötzlich entglitt ihm der entschlossene Gesichtsausdruck.

Love Me Again | MartenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt