Kapitel 7

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Ich sah in seine blauen Augen: "Wie meinst du das?"
Meine Hand malte seine Tattoos nach, inzwischen gab es kaum mehr einen freien Fleck auf seiner Haut.
"Wieder etwas unternehmen, dich zu den Jungs mitnehmen, eben nicht nur  Sex.", inzwischen hatte ich das Gefühl, er war wieder nüchtern, obwohl das wohl eher nicht der Fall war, so betrunken wie er hierher gekommen war.
Seine Worte schmeichelten mir, er wollte, dass es wieder so wurde, wie früher. Doch konnte es das? Waren die Jungs nicht auch sauer auf mich? Und vorallem, konnte er mir verzeihen?

"Sag was.", er griff nach meiner Hand, um sie in ihrer Bewegung zu stoppen. Ein Seufzen entwich mir: "Können wir einfach so wieder von vorne anfangen? Nach all der Scheiße?"
Marten wusste genau, was ich ansprechen wollte. Er löste seinen intensiven Blick und schien nachzudenken.
Dann räusperte er sich: "Wenn wir es nicht versuchen, wissen wir nie, obs geklappt hätte."
Das klang plausibel, trotzdem hatte ich Angst, verletzt zu werden. Wie absurd war es, nach dieser langen Zeit und den Dingen, die noch zwischen uns standen, einfach einen Neuanfang zu wagen?
Wieder unterbrach Marten meine Gedanken: "Wie wärs, wir gehen morgen mit den Jungs zum Essen und wenns dir nicht gefällt, bring' ich dich nach Hause."
Ich war schon immer gut mit den Jungs ausgekommen, irgendwie hatte ich auch sie vermisst, was sprach also dagegen? Marten und ich mussten uns ja nicht als das verliebte Paar geben, wir waren schließlich auch noch nicht wieder an diesem Punkt angekommen.
Ich willigte also ein: "Na gut."
Zufrieden entspannte Marten sich sichtlich und zog mich noch ein Stück näher zu sich.

Am nächsten Abend stand ich vor meinem Badezimmerspiegel und versuchte die vereinzelten dunkelblauen und - lilanen Male an meinem Hals zu überschminken. Marten hatte schon immer eine Vorliebe für solche Dinge beim Sex gehabt, nur leider war ich die "Leidtragende".
Mein Blick fiel auf meine Armbanduhr, ich hatte noch zwanzig Minuten, bis Marten mich abholen würde.
Es war an diesem Morgen fast wie früher gewesen, er war die Nacht über bei mir geblieben, wir hatten sogar zusammen gefrühstückt, es hatte sich so surreal angefühlt, diesem Mann wieder gegenüber zu sitzen.
Gekonnt zog ich mir einen Lidstrich, sprühte noch einige Spritzer Parfüm auf meine Haut, packe dann hastig meine Tasche.
In mir herrschte eine innere Unruhe, ich war so aufgeregt, alle wieder unter "normalen" Umständen zu sehen. Was, wenn sie mich nicht dabei haben wollten, wenn sie immernoch sauer auf mich waren, wegen damals?
Das Klingeln der Tür riss mich aus meinen Gedanken und Ängsten.
Sofort beschleunigte sich mein Herzschlag. Ich befahl mir selbst, einmal tief durchzuatmen, bevor ich die Tür öffnete.
Marten stand mir gegenüber. Er trug eine schwarze Cap auf seinem Kopf, was er sonst kaum tat. Sein bunt bedruckter Hoodie gefiel mir, passte zu seiner schwarzen Jogginghose und seinen ebenso schwarzen Sneaker.
Ein Lächeln zierte seine Lippen: "Hey, gut siehst du aus."
Ich sah an mir herunter, ich trug einen senfgelben Cordrock, der mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel ging, darunter eine schwarze Strumpfhose. Oben hatte ich ein weißes Shirt und einen grauen Wollcardigan an.
Meine Füße steckten in herbstlichen Boots, ich liebte den Herbst dafür, dass man sich immer warm anziehen konnte.
"Danke.", murmelte ich nur verlegen, ich war es nicht gewohnt, Komplimente aus seinem Mund zu hören.
Schnell griff ich noch nach meiner schwarzen Jacke, trat dann aus meiner Tür und schloss sie hinter mir.
Marten und ich gingen still nach unten, zu seinem Wagen.
Ich setzte mich auf den Beifahrersitz des schwarzen Benz, Marten musste wohl inzwischen ziemlich viel Geld haben, so ein Auto war nicht günstig.
Er warf mir einen Blick zu, bevor er den Motor startete.
"Aufgeregt?", ich knetete meine Hände, biss mir auf die Lippe und nickte.
Marten schmunzelte, griff über die Mittelkonsole hinweg nach meiner Hand, um diese kurz zu drücken.
"Die Jungs sind nicht nachtragend Emmi, wenn ich dir verzeihen kann, dann alle anderen auch."
Ein Gefühl der Wärme durchfuhr mich, dieser Mann schaffte es immer wieder, mich um den Finger zu wickeln.
Er parkte seinen Wagen rückwärts aus, fuhr dann in den Hamburger Verkehr.
Rapmusik tönte leise durch die Lautsprecher des Autos. Ich erkannte Johns Songs, Marten supportete seinen Cousin schon immer, was irgendwie süß war.
Er fuhr uns zu einem kleinen Italiener in der Stadt, früher war hier ein Dönerladen gewesen.
Ich sah bereits eine kleine Gruppe aus Männern vor dem Restaurant stehen, sofort wurde mein Puls wieder schneller.
Marten manövrierte seinen Benz in eine der Parklücken, stellte den Motor aus und wandte seinen Blick mir zu.
"Bereit?", seine blauen Augen strahlten mich an, ich seufzte. Eigentlich war ich überhaupt nicht bereit, aber jetzt gab es sowieso kein Zurück mehr.
"Bereit.", erwiderte ich also, griff nach meiner Tasche und stieg aus dem Auto.
Marten und ich gingen auf die Jungs zu. John war der Erste, der uns entdeckte.
Er grinste: "Emma, so schnell sieht man sich wieder."
Ich streckte ihm die Zunge heraus, unser letztes Treffen lag doch schon eine Weile zurück. John zog mich, zu meiner Verwunderung, in eine Umarmung. Ich erwiderte diese schwach, war froh, dass er mein Gesicht nicht sehen konnte, welches vor Aufregung glühte.
Dann wandte ich mich Alex zu, der eine Zigarette zwischen seinen Lippen hatte.
"Schön, dass wir dich auch mal wiedersehen.", auch er umarmte mich, war meine ganze Aufregung etwa umsonst gewesen?
"Jetzt lasst mich die Kleine mal sehen.", Jonas drückte Alex weg und grinste sein idiotisches Grinsen, welches auch früher schon sein Markenzeichen gewesen war.
"Em, hättest dich ruhig früher mal blicken lassen können.", er lachte und meine ganze Anspannung fiel von mir ab, die Jungs waren nicht sauer, zumindest ließen sie es sich nicht anmerken.
Auch Jonas schloss mich in eine Umarmung.
Marten teilte mir, als wir das Restaurant betraten, mit, dass Maxwell erst später dazustoßen würde.
Wir setzten uns an einen der vielen Tische, das Restaurant war wirklich schön, ich fühlte mich sofort wohl.
Marten setzte sich auf den linken, freien Platz neben mir, Jonas setzte sich zu meiner Rechten.
Ich bestellte mir ein Glas Rotwein, damit ich ein wenig lockerer wurde, denn die Anspannung wohnte immernoch in mir.
"Und Emma, bist du noch bei den Bullen?", es störte mich nicht, dass er meine Amtsbezeichnung ins Negative zog. Schließlich hatten die Jungs wohl kaum gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht.
Ich nickte: "Jap. Und ihr? Immernoch Musik?"
Alle nickten heftig, inzwischen waren sie ziemlich berühmt geworden, das war auch mir nicht entgangen. Ich war froh, dass Marten nicht zu den Rappern gehörte, sondern sich eher im Hintergrund hielt.
Unsere Getränke wurden gebracht, ich nippte an meinem Rotwein, nannte dem Kellner meine Essensbestellung und wandte mich dann wieder dem Gespräch zu.
"Wo wohnst du jetzt eigentlich?", John richtete seine Aufmerksamkeit auf mich.
Ich drehte das Weinglas mit meinem Daumen und Zeigefinger.
"Altona. Hab' dort eine kleine Wohnung gefunden.", ich sah auf, um meinem Gesprächspartner ins Gesicht zu sehen.
Er stoß ein Pfeifen durch seine Zähne aus: "Man verdient wohl gut, wenn man für den Staat arbeitet, hm?"
Innerlich verdrehte ich die Augen, eigentlich hatte ich keine Lust dieses Gespräch auf meinen Job zu lenken.
Eine weitere Stimme unterbrach das Gespräch: "Ja, der Staat hält einem wirklich die besten Wohnungen frei, oder Marten? Erzähl ihr doch mal, wie schön du es im Knast hattest.", mein Herz setzte aus, als ich aufblickte und in das hasserfüllte Gesicht Maxwells blickte.

Love Me Again | MartenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt