Kapitel 14

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Ich strich mir meine fettigen Haare aus dem Gesicht, nach dem ich mich bereits das dritte Mal an diesem Tag übergeben hatte.
Wie schlimm konnte eine  Magenverstimmung sein? Ich konnte zurzeit kaum eine Mahlzeit bei mir behalten.

Aber nicht nur das belastete mich, Marten hatte sich seit dem Vorfall nicht mehr gemeldet, was ich natürlich verstand.
Trotzdem wollte ich nicht wahrhaben, dass ich ihn womöglich schon wieder verloren hatte.
Ich hatte jedoch herausgefunden, dass er sich seit dem Vorfall, also seit drei Wochen in Untersuchungshaft befand, da der Richter nicht ausgeschlossen hatte, dass Marten untertauchen würde.

War das alles nur meine Schuld? Zumindest machte ich mir fast jeden Tag Vorwürfe, dabei hatte ich doch einfach nur meinen Job gemacht.

Ich lehnte meinen Kopf an die kalten Fliesen der Badezimmerwand und schloss die Augen.
Er fehlte mir so sehr, es tat schon fast weh. Es war doch gerade alles so glatt gelaufen, warum musste dann wieder so etwas passieren?

Ich wusste nicht, wie lange ich so in meinem Badezimmer saß und die Fliesen anstarrte, die ich inzwischen schon zehn Mal gezählt hatte. Alles in mir war schwer und als meine Klingel ertönte, zuckte ich zusammen.
Wer könnte das sein?

Mühsam erhob ich mich, meine Beine zitterten, und schlurfte zur Tür, die ich dann öffnete.
Meine Augen weiteten sich, als mein Gegenüber mich musterte.
"Was machst du hier?", meine Stimme war kratzig und hörte sich gar nicht nach mir an.
John räusperte sich: "Hey."
Mir wurde heiß und wieder kalt, was wollte er hier? Hatte Marten ihn geschickt?
Automatisch wich ich einen Schritt zurück.

Mein Gegenüber seufzte: "Kann ich reinkommen?"
Er war bereits in meine kleine Wohnung getreten. Ich verschränkte meine Hände miteinander.
"Was gibt's?", es fühlte sich seltsam an, John in meiner Wohnung zu haben, wenn ich doch Marten lieber bei mir hätte.
Ich ließ mich auf einen meiner Stühle nieder, ich fühlte mich schwach.
"Was ist passiert?", fragte er nur und setzte sich mir gegenüber, die Stimmung war angespannt und ich verstand seine Frage nicht.
"Marten spricht nicht darüber, was passiert ist. Um ihn aus der Scheiße rauszukriegen, muss ich wissen, was passiert ist.", er war lauter geworden, was mir irgendwie Angst machte.

"I-ich.. Er...", die Worte wollten meinen Mund nicht verlassen, die Übelkeit in mir wurde nur noch stärker und mein Herzschlag verschnellerte sich.
"Ich hätte fast auf ihn geschossen.", quetschte ich endlich die Worte hervor, traute mich nicht, mein Gegenüber anzusehen.
"Was?", John klang jetzt vollkommen verwirrt und so erzählte ich, wie der Einsatz abgelaufen war und dass die Chancen, in den Knast zu wandern, für Marten ziemlich hoch waren.

Als eine kurze, eher unangenehme Stille entstanden war, sagte Martens Cousin nur: "Fuck."
Dem war nichts mehr hinzuzufügen, die Situation war verdammt beschissen und ich wusste nicht, ob, beziehungsweise was, ich dagegen tun konnte.
"Kannst du da nicht irgendwas machen?", John schien verzweifelt, was ich verstand, aber ich war Beamtin und wollte meinen Job nicht riskieren, schüttelte also nur den Kopf.
"Tut mir leid.", brachte ich nur hervor, ich stand quasi zwischen zwei Stühlen und erst jetzt wurde mir klar, dass ich Marten und meinen Beruf nie miteinander vereinbaren konnte. Für diese Erkenntnis war es nur leider schon viel zu spät.

John sah mich an, schüttelte dann den Kopf, ehe er sich erhob.
"Muss es nicht. Man sieht sich.", brummte er nur, verließ dann hastig meine Wohnung und ließ mich mit meinen Schuldgefühlen zurück. Alles in mir zog sich zusammen, ich wollte Marten bei mir haben, aber augenscheinlich hatte ich, zum zweiten Mal, alles vermasselt. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg meine Wangen hinab.

"Füchschen, so geht das nicht weiter.", besorgt strich mir meine Mutter über die Stirn.
Mir ging es nach wie vor eher weniger gut, mir war die meisten Tage übel und ich war unglaublich müde, deshalb war ich auch seit einigen Tagen krankgeschrieben.
Ich seufzte leise, es nervte mich doch selbst, aber was sollte ich tun?
Meine Mutter stellte mir eine Tasse Tee auf den Couchtisch und sah mich weiterhin besorgt an.
Sie schien mit sich zu ringen, denn sie öffnete ihren Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder.

"Was?", krächzte ich also, wollte wissen, was in ihrem Kopf vor sich ging.
Sie presste ihre wunderschönen Lippen aufeinander, meine Mutter war die schönste Frau, die ich kannte.
Doch ihre nächsten Worte nahmen mir fast die Luft: "Mir ging es genauso, als ich mit dir schwanger war."
"Du meinst ich bin...", ich konnte den Satz nicht beenden, eine riesige innere Unruhe hatte sich in mir breit gemacht.
Merkte man es denn nicht, wenn man schwanger war?

Ungläubig sah ich meine Mutter an, deren Lippen ein schwaches Lächeln zierte.
"Ich weiß es nicht, aber das scheint mir die logischste Erklärung für deinen Zustand zu sein, mein Schatz.", sie setzte sich auf die Sofakante und griff nach meiner blassen Hand.
"Soll ich dir einen Test besorgen?", ihre, vom vielen Arbeiten rau gewordenen, Hände streichelten sanft über meine und in mir war alles leer.
Konnte es wirklich sein, dass ich ein Lebewesen in mir trug?
Und vorallem eines, dessen Vater Marten war?
Plötzlich herrschte in meinem Kopf ein riesen Chaos, ich wusste nicht, was ich fühlen sollte.

Mit zittrigen Finger legte ich den Test auf den Rand des Waschbeckens. Ich stützte mich mit meinen Händen an eben diesem ab und befahl mir ruhig zu atmen.
"Füchschen...", meine Mutter legte ihre Hand auf meinem unteren Rücken ab, ich war froh, dass sie bei mir war.
"Egal, was dieser Test jetzt für ein Ergebnis hat, ich bin immer für dich da, das weißt du.", ihr Geruch stieg mir in die Nase und ich wollte mich einfach nur in ihre Arme werfen und stundenlang weinen.
"Danke Mama.", ich schloss die Augen, versuchte mich zu beruhigen, aber es gelang mir nicht.
Ein Sturm tobte in meinem Inneren und ich wusste nicht, wohin mit meinen Gedanken und Ängsten.

Was, wenn der Test wirklich positiv war? War ich überhaupt bereit für ein Kind? Konnte ich diese riesige Verantwortung stemmen?
Was würde Marten dazu sagen? Würde ich ihn überhaupt noch einmal sehen? Oder würde er ins Gefängnis wandern?

Die Hände meiner Mutter schlichen sich in mein Blickfeld und griffen nach dem Schwangerschaftstest.
Mein ganzer Körper kribbelte unangenehm, es fühlte sich an, als hätte ich vergessen, wie man atmete.
"Füchschen, schau es dir an.", sie drückte mir den Test in die Hand.
Ich hatte eine unglaubliche Angst, diesen anzusehen, schließlich könnte dieser Test mein ganzes Leben in nur wenigen Sekunden verändern.

Love Me Again | MartenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt