Kapitel 13

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Nach meinem Geburtstag hatten Marten und ich ein wunderschönes Wochenende in Amsterdam verbracht. Wir hatten uns viel von der Stadt angesehen, Marten war in den diversen Coffeeshops auf seine Kosten gekommen. Es hatte sich viel zu gut angefühlt, Hand in Hand mit diesem Mann durch diese wunderschöne Stadt zu schlendern.
Einen Tag verbrachten wir einfach nur auf unserem Zimmer, lagen uns in den Armen, hatten Sex, bestellten uns Essen vom Zimmerservice. Es war wie in einem Traum.

Leider hatte mich die Realität danach wieder viel zu schnell eingeholt.
Ich musste wieder einige Schichten mit Lars arbeiten, der kaum noch mit mir sprach. Es war mir eigentlich recht, jedoch zogen sich die Stunden so noch mehr, als sowieso schon.
Es war ein verregneter Samstag, als wir zu einem Einsatz gerufen wurden, welcher alles verändern würde.
Lars raste durch die Straßen Hamburgs, die Sirene und das Blaulicht ließen meinen Puls in die Höhe schießen.
Die Zentrale hatte uns nur über eine Versammlung der Hells Angels informiert, die wohl aus dem Ruder gelaufen war.
Mit diesen Leuten war definitiv nicht zu spaßen, ich empfand sie als gefährlich und gerade deswegen machte sich ein unwohles Gefühl in meinem Magen breit.
Auf dem Kiez angekommen standen bereits einige Streifenwägen am Ort des Geschehens, es waren viele, was überhaupt kein gutes Zeichen war.
Lars brachte den Wagen zum Stehen, sah kurz zu mir.
"Bereit?", ein aufmunterndes Lächeln zierte seine Lippen, ich war froh, dass er sich mir gegenüber nicht gehässig oder wütend verhielt.
Ich griff nach der Pistole an meinem Gürtel, nur um sicherzugehen, dass sie an Ort und Stelle war.
"Bereit."

Wir stiegen aus, bereits von hier drang lautes Geschrei an meine Ohren. Ich atmete einmal tief ein und wieder aus, bevor wir uns in das Geschehen stürzten. Es schien mir, als wäre hier eine Massenschlägerei ausgebrochen, die unbedingt beendet werden musste.
Meine Kollegen versuchten bereits einige der Männer zu Boden zu drücken, diese wehrten sich jedoch lautstark.
"Emma, hilf mir mal hier!", Lars und Yannick versuchten gerade, zwei prügelnde Muskelprotze auseinanderzuziehen.
"Lass mich los, du Bastard!", diese Stimme ging mir durch Mark und Knochen. Das konnte nicht wahr sein. Was machte er hier?
Lars versuchte gerade Marten zu Boden zu drücken, ich stand einfach nur da, mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
Was sollte ich tun?

"Der hat ein Messer!", eine der schaulustigen Passanten riefen mir das zu und erst jetzt erkannte ich das Butterflymesser in Martens Händen.

Fuck, fuck, fuck, FUCK!

"Leg das Messer weg!", schrie ich, als Marten dieses auf Lars richtete. Er zuckte zusammen, als er meine Stimme hörte.
Ich zog meine Pistole aus dem dafür vorgesehenen Halster und richtete sie auf Marten, auch wenn sich gerade alles in mir dagegen wehrte.
Das hier war mein Job und dieser bestand daraus, andere zu schützen.

Martens Augen weiteten sich kaum merklich, er hielt das Messer jedoch noch in seinen Händen.
"Leg das Messer weg!", rief ich noch einmal, meine Hand zitterte, ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Alles um uns herum schien stillzustehen, in meinen Ohren rauschte es.
"Willst du mich verarschen?", Martens Stimme war so voll von Hass, dass mir übel wurde.
Ich musste mich dazu zwingen, einmal tief durchzuatmen, ich stand völlig neben mir.
"Nimm dieses verdammte Messer runter.", nachdrücklich richtete ich meine Pistole genauestens auf ihn aus, in mir zog sich alles zusammen.
Marten lachte bitter auf, seine Augenfarbe hatte einen Ton angenommen, die ich noch nicht kannte.

"Du verdammte Schlampe.", zischte er durch seine Zähne, ich musste schlucken. Er ließ das Messer fallen, hob dann seine Hände neben seinen Kopf. Sein hasserfüllter Blick jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Lars stürzte sich sofort auf ihn, drückte ihn zu Boden, das Klicken der Handschellen hallte in meinen Ohren.
Die Pistole fand ihren Platz an meinem Gürtel wieder.
Übelkeit kroch in mir hoch, als Lars und ein anderer Kollege kurze Zeit später Marten abführten.

Er sah mich nicht mehr an, sein Blick richtete sich gen Boden. Alles schien sich zu drehen, wieder musste ich mich selbst ermahnen, durchzuatmen. Was war gerade passiert? Was machte Marten hier? Warum hatte er ein verdammtes Messer dabei? Und warum verdammt nochmal hatte ich meine Waffe auf ihn richten müssen?

An diesem Abend lag ich in meinem Bett, ich war vollkommen am Ende mit meinen Nerven. Auf der Wache hatten wir unsere üblichen Schreibarbeiten nach dem Einsatz gemacht. Selbst dort war ich schon nicht mehr bei der Sache gewesen, die Szenen, die sich am heutigen Tag abgespielt hatten traten mir immer wieder vor mein geistiges Auge. Und was am meisten schmerzte, waren seine Worte und Blicke.
Es war, als wäre er ein anderer Mensch gewesen, ich hatte Marten noch nie so hasserfüllt erlebt. Ich wusste nicht, was das jetzt für uns bedeutete, ich hatte ihn mit einer gottverdammten Pistole bedrohen müssen. Ich hätte auf ihn schießen müssen, hätte er Lars etwas mit diesem Messer angetan.

Wieder kroch die Übelkeit in mir hoch, so schnell wie ich konnte stand ich auf, rannte schon fast in mein Badezimmer, in dem ich mich geräuschvoll übergab.
Außer Atem drehte ich den Wasserhahn des Waschbeckens auf, ließ das kalte Wasser über meine Hände laufen. Mir war unglaublich heiß, ich konnte nicht richtig denken, nicht richtig atmen. Alles in mir schmerzte, vorallem mein Herz.
Nachdem ich meine Zähne geputzt hatte, legte ich mich wieder in mein Bett, welches sich so schrecklich leer anfühlte.

Zum bestimmt hundertsten Mal blickte ich auf mein Smartphone, ich hatte unendlich viele Nachrichten an Marten geschrieben, er hatte keine davon gelesen. Wahrscheinlich befand er sich noch auf der Wache. Wieder schossen mir die Bilder in meinen Kopf.
Was hatte Marten mit diesen Typen zu tun? War er einer davon? Und welche Folgen würden ihn jetzt erwarten? Schließlich war er kein unbeschriebenes Blatt Papier.
Irgendwann fiel ich in einen unruhigen Schlaf, immer wieder schreckte ich hoch, sah seinen hasserfüllten Blick vor mir, hörte seine Worte in meinem Kopf.
Alles in mir sehnte sich nach ihm, nach seinen Berührungen, nach seiner Nähe, aber ich wusste nicht, ob er mich überhaupt jemals wieder in seine Nähe lassen würde.

Love Me Again | MartenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt