Endlich erreiche ich die Station wo ich aussteigen muss und eile schnell nach Hause. Ich musste stundenlang in dem Gerichtssaal sitzen, bis die endlich kapiert haben, dass ich Mirall nicht umgebracht habe. Ich habe ihnen die ganze Zeit gesagt wer es war, dass ich ihn gesehen habe. Doch sie haben mir nicht geglaubt, bis sie es dann doch eingesehen haben.
Sally ist nun in ein Krankenhaus eingewiesen worden, wo sie nach weiteren Wanzen untersucht und wegen der schlimmen Verletzungen behandelt wird. Wenn sie wieder nach hause kommt, muss ich sie unbedingt fragen, wann das geschehen sein könnte. Das mit der Wanze.
,,Da bist du ja. Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Du solltest doch direkt nach hause kommen.", beklagt sich Mom, als ich zur Tür rein komme. Sie drückt mich fest, doch ich mache mich schnell aus ihrer Umarmung los. ,,Ich gehe hoch in mein Zimmer.", sage ich und verschwinde nach oben.
In meinem Zimmer schmeiße ich mich aufs Bett und mustere das goldene Ding von allen Seiten. Die im Kolium wollten es mir abnehme, doch ich konnte es verstecken. Ich weiß was das ist. Ich habe die Gewehrpatrone selbst hergestellt. Und ich habe sie nur einem gegeben. Ich weiß genau warum er da war. Ich habe zu viel gesagt, ich habe sie verraten.
Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken, als ich an ihn denken muss. Drill. Er wollte mich töten, doch hat stattdessen Mirall erwischt. Ich kann immer noch seinen widerlichen Mundgeruch riechen und den schrecklichen Druck auf meinem Hals durch sein Messer spüren.
Hat Sally die Wanze noch vor Dads Festnahme bekommen oder als sie schon hier bei uns war? Die Fragen schießen mir durch den Kopf und lassen mich nicht in Ruhe. Die Angst wächst jeden Tag und vermischt sich mit der Wut und der Panik.
Ich will nicht mehr alleine sein. Die Gedanken lassen mich nicht mehr in Ruhe und plagen mich. Ich fürchte mich vor ihnen, fürchte mich vor den Antworten. Ich tippe Cessy eine Nachricht, ob wir uns treffen wollen und nach einigen Minuten stimmt sie zu.
,,Ich geh raus in den Park. Ich treff mich mit Cessy.", sage ich Mom Bescheid und schlüpfe nach draußen. Wenn man nur alles vergessen könnte. Alles hinter sich lassen. Die Sonne strahlt und der Himmel ist wolkenlos. Es ist ein wunderbarer Tag, doch er passt überhaupt nicht zu meinen Gefühlen und meiner Stimmung.
Wenn es nach ihnen ginge, gäb es keine Sonne, nur einen grauen, fast schwarzen Himmel über den die Gewitterwolken ziehen und alles in ungewisshafte und Schrecken erregende Dunkelheit tauchen.
Ich brauche unbedingt eine Ablenkung. Ich weiß nicht wie lange ich das noch durch halte. Es sind noch nicht mal drei Tage vergangen und schon glaube ich, dass ich verrückt werde.
Ich erreiche den Park und erkenne Cessy auf einer grünen Bank auf der Wiese sitzen. Über die wiesen tollen Hunde, Frauen unterhalten sich, Kinder klettern auf Bäume und Männer spielen mit ihren Söhne Fußball. Es ist schon warm. Die Sonne fällt durch die hohen Baumkronen der verschieden Bäume, die auf der Wiese und am Wegesrand wachsen.
Ich schlendere zu Cessy rüber. Sie ist nicht alleine. Sie unterhält sich mit einer Gestalt in einer schwarzen Jacke. Ich bekomme Gänsehaut und ein eiskalter Schauer kriecht mir über den Rücken. Ich glaube sogar schon den widerlichen Gestank von Blut zu riechen.
Doch als ich das Gesicht der Gestalt sehe, atme ich erleichtert aus. Es ist Maltes. Nicht Drill. Ich hatte schon das schlimmste befürchtet, dass Cessy mit ihm unter einer Decke steckt, dass sie gegen mich ist. Schnell schlage ich mir den Gedanken aus den Kopf.
Ich versuche auch alle anderen düsteren Gedanken zu verbannen, doch sie sind wie in mein Gehirn gebrannt. Ich werde sie keine Sekunde los und immer tauchen Bilder vor meinem inneren Auge auf.
Ich lächle Maltes zu und setze mich neben ihn und Cessy. Jetzt erst erkenne ich, dass er eine schwarze Lederjacke trägt und keinen schwarzen, zerrissenen Umhang wie Drill. Ich bin so erleichtert und froh ihn zu sehen. Ich will ihn gerade glücklich umarmen, als er aufsteht und sich ein paar Schritte abseits von mir und Cessy hin stellt.
Ich sehe Cessy fragend an, doch die zuckt nur unwissend mit den Schultern. ,,Was hat er denn nur?", frage ich mich laut. Ich stehe ebenfalls auf und folge ihm.
,,Hey. Was ist denn?", frage ich und lege meine Arme um seinen Hals. Er sieht mich erst durchdringend an, dann weicht er einen Schritt zurück. Besorgt mustere ich ihn, er starrt an mir vorbei.
,,Ich hab deinen Vater im fernsehen und in der Zeitung gesehen. Du kamst auch heute morgen im fernsehen. Ich kann es nicht glauben.", beginnt er leise. Ich starre ihn an. Ich hatte ihm nicht erzählt, dass mein Dad ein Terrorist war. Das muss schwer für ihn sein.
,,Jedes mal als ich bei euch war habe ich einem Terroristen die Hand geschüttelt, mit ihm geredet, mit ihm gegessen.", fährt er fort. Er hält eine Blütenknospe in der Hand, die er langsam zerreißt. Nun dreht er langsam den Kopf und starrt mich an. Seine Augen glänzen und sind rot um die Iris. Als hätte er lange geweint.
Er streicht mir über die Wange und fährt mit seiner Hand durch mein Haar. Ich mache einen Schritt auf ihn zu. ,,Aber am wenigsten hätte ich das von dir erwartet. Ich war mit einer Terroristin zusammen!", ruft er aus und ich weiche schnell vor ihm zurück. ,,Warte was? Ich bin keine Terroristin, ich bin immer noch die gleiche Person die du kenmst. Und was meinst du mit war? Wir SIND zusammen.", meine Stimme hebt sich langsam an und wird lauter.
Doch zu meinem Entsetzen schüttelt er den Kopf. ,,Was soll das heißen? " Maltes schließt die Augen und seufzt. ,,Ich mache Schluss. Das ist ein Verbrechen! Du bist ein Verbrechen. Und damit sie keinen Grund bekommen um mich fest zunehmen würde ich es auch abstreiten mit dir zusammen gewesen zu sein. Ab jetzt kenne ich dich nicht mehr und das ist auch besser so. Das war doch nie etwas ernstes zwischen uns.", flüstert er.
Ich kneife die Augen zusammen und fixiere ihn. Wir waren so lange zusammen und jetzt sagt er, dass er es sogar abstreiten würde, dass er mich nicht mehr kennen will! Ich bin hier her gekommen um auf andere Gedanken zu kommen und nicht um noch mehr schlechte Sachen zu hören.
Die Wut brodelt in mir und ich kann meine Hand nicht kontrollieren. Sie holt aus und schlägt Maltes mit voller Wucht ins Gesicht. Er keucht und weicht vor mir zurück. Und dann renne ich weg. Cessy ruft mir nach, doch ich drehe mich nicht mehr um. Ich will nur noch weg. Ich will alles hinter mir lassen. Meine Probleme, meine Angst, meine Wut.
Doch ich weiß, dass sie mich immer verfolgen werden. Mein ganzes Leben lang.

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Prisoner - Die Gefangene
Misterio / SuspensoAmanda lebt in einer Welt wo nur die Reichen das Sagen haben. Ihr Vater ist der Anführer einer Terroristengruppe, die gegen die schreckliche Regierung kämpfen. Sie selbst weiß nicht ob sie die Arbeit ihres Vaters gutheißen soll oder nicht. Manchmal...