Kapitel 32

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Ich legte meine Hände an ihr Gesicht und vertiefte unseren Kuss, bis ich drohte mich zu verlieren. Erst dann ließ ich langsam von ihr ab. „Jetzt können wir gehen", lächelte sie und ließ mich los. Ich hingegen wusste nicht, ob ich bereit war zu gehen. Aber mir blieb keine Zeit zu überlegen; Emma öffnete die Tür und zog mich hinter sich her. Sie ließ erst meine Hand los, als wir die Crew reden hörten. 

Alle hatten sich vor dem Bus versammelt und warteten scheinbar nur noch auf uns. Es war natürlich klar, dass es dumme Sprüche hageln würde. „Na, fertig mit duschen?", meinte Manni und wackelte mit den Augenbrauen. Ich sah zu Emma und beide rollten wir mit den Augen. Egal, was wir sagen würden, es würde alles nur noch schlimmer machen. Also ließen wir all die dummen Sprüche über uns ergehen. 

„Wenn dann jeder seinen Kommentar losgeworden ist, können wir ja dann einsteigen", sagte ich und deutete in Richtung der offen stehenden Bustür. Im Gänsemarsch traten wir ein und schmissen erst unsere Rucksäcke in unsere Betten, bevor wir den gemütlichen Teil einläuteten. Wir tranken ein, zwei Bier und ließen den Abend Revue passieren. Ich sah immer wieder zu Emma, die müde, aber glücklich in die Runde schaute. Jedes Mal, wenn sich unsere Blicke trafen musste ich wegschauen. 

Als wir uns alle geschlossen in die Betten verzogen, gingen die blöden Sprüche wieder los. „Jeder bleibt in seinem Bett", befahl Benni. „Es gibt Sachen, die will ich selbst von dir nicht hören", meinte Manni zu mir. Emma drehte sich um und stand nun uns Jungs gegenüber. 

„Leute, im Ernst...könnt ihr bitte aufhören uns aufs Vögeln zu reduzieren? Ich fühl mich sonst echt wie so ne Prostituierte", sagte sie ernst. Aber manchmal musste man brutal ehrlich zu den Jungs sein. Leicht beschämt schauten sie in die Runde. Ich konnte nichts sagen, zu perplex war ich über Emmas Coolness und ihre Wortwahl. „Sorry, Emma", kam es wie aus einem Mund von Manu, Benni, Flo und Manni. Ich war erstaunt. Emma grinste. „Gut. Dann, husch husch, ab ins Körbchen und gute Nacht", sagte sie und krabbelte in ihre Koje. 

Sie legte sich auf die Seite und sah zu mir hoch. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und setzte mich zu ihr ans Bett. Sanft strich ich ihr durch die Haare. Ich wusste, ich müsste mich in mein eigenes Bett legen. Ich beugte mich zu ihr runter und hauchte ihr einen kurzen Kuss auf die Schläfe. „Schlaf gut, Süße", sagte ich und krabbelte hinüber in mein Bett. „Du auch, Wince", erwiderte sie lächelnd und zog dann den Vorhang zu. Ich tat es ihr gleich und starrte an die Decke. Urplötzlich fiel mir ein, was ich gerade gesagt hatte. Süße? Gedanklich schlug ich mir die flache Hand gegen die Stirn. Seit wann rutscht mir sowas raus? Ich drehte mich auf die andere Seite und starrte an die Wand. Bis mein Handy vibrierte.

E: Du darfst immer Süße zu mir sagen.♥️

Automatisch musste ich lächeln, auch wenn es ein bisschen unheimlich war, dass sie scheinbar meine Gedanken hören konnte. Ohne eine Antwort schloss ich ihre Nachricht und erst dann fiel mir das Hintergrundbild auf, das Emma scheinbar vorhin eingestellt hatte. Es war das letzte Foto, dass ich von ihr gemacht hatte, bevor ich im Winter ins Studio gefahren bin. Sie lag in meinem Bett und hatte mir ihren freien Rücken und ihren halb bedeckten Hintern zugedreht. Die Sonne schien durch die halb geöffneten Jalousien und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten ein wahrer Profi hat das Foto geschossen. 

Und ausgerechnet dieses Foto stellt sie mir ein? Um mich bei jedem Blick auf mein Handy an ihren unfassbar heißen Körper zu erinnern? Um mich an sie zu erinnern? An diese Sache zwischen uns? Oder um ihr Revier zu markieren? Egal, was sie vor hatte, es funktionierte auf jeden Fall. Ich änderte auch das Foto nicht und meine Gedanken hingen direkt an ihr. Shit

Wir waren uns doch einig. Wir hatten eine Abmachung. Keine Gefühle. Aber die hatte ich ja auch nicht, oder? Meine Trennung von Yvonne war noch nicht mal ein Jahr her, wir waren fünf Jahre lang zusammen. Ich konnte mich noch nicht wieder auf etwas Neues einlassen. Nicht auf etwas Festes. Ich würde Emma sowieso nur enttäuschen. Ich könnte ihr nichts bieten, außer ständig nicht Zuhause zu sein. Niemand hat das verdient und Emma erstrecht nicht. 

Ich schüttelte diese Gedanken ab. Da ist nichts. Nicht mehr als Freundschaft. Ich hatte Emma zu gern, als dass ich unsere Freundschaft kaputt machen könnte. Da ist nichts

Irgendwann musste ich wohl doch eingeschlafen sein, denn ich wurde erst von lautem Gelächter im vorderen Bereich des Busses wieder wach. Ich strich mir über das Gesicht und warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Puh, schon kurz vor Mittag. Wir müssten längst angekommen sein. Ich rollte mich aus meiner Koje und streckte mich erstmal. Tatsächlich war ich wohl der Letzte, denn alle anderen Vorhänge waren aufgezogen. Ich schlüpfte in meine Jogginghose und trottete langsam zu den Anderen nach vorne. 

„Na du Schlafmütze", begrüßte mich Emma und damit richteten sich alle Augen auf mich. „Moin", brummelte ich und nahm den Kaffee, den sie mir hinhielt. Ich bin einfach kein Morgenmensch, war ich noch nie und werde ich auch nie sein. Und jeder weiß das und lässt mich erstmal wach werden. Emma unterhielt sich mit Amelie, Flo tippte irgendwas auf seinem Handy und Benni verschlang mal wieder ein Sandwich. Wir waren ein bisschen wie eine kleine Familie, wenn wir unterwegs waren. 

„Warum fahren wir eigentlich nicht?", fiel es mir irgendwann auf. Amelie hob ihren Kopf und schaute mich an. „Weil wir seit zwei Stunden im Stau stehen. Vollsperrung. Keine Ahnung wie lange noch", meinte sie trocken. Meine Augen wurden immer größer, je mehr sie redete. 

„Und warum bist du so entspannt? Wir werden es niemals rechtzeitig zum Konzert schaffen", brummte ich. „Wincent, ich wär nicht deine beste Tourmanagerin der Welt, wenn ich nicht schon alles geregelt hätte. Lea spielt für uns und du kriegst die letzte Show. Bis dahin sollten wir das auf jeden Fall schaffen", erklärte sie mir. Ich entspannte mich direkt. 

„Du bist halt doch die Beste", grinste ich und warf ihr einen Luftkuss zu. Letzte Show, das hieß ich beendete das Festival. Eine große Aufgabe für einen so kleinen Künstler wie mich. Scheiße. Ich kriegte direkt schwitzige Hände. „Wir machen das schon", versuchte Manu mich zu beruhigen und tätschelte meine Schulter. Mich ließ das Gefühl nicht los, dass er auch zumindest ein bisschen aufgeregt wäre. 

Bis dahin würden wir noch unzählige Stunden auf der Autobahn stehen. Amelie hing irgendwann an ihrem Laptop, Manni hatte sich für ein Mittagsschläfchen verzogen und Flo und Benni spielten Karten. Ich war irgendwie rastlos geworden. „Ich geh mir n bisschen die Beine vertreten", sagte ich in die Runde und machte mich auf den Weg raus aus dem Bus. Tatsächlich stand alles um uns und es war kein Ende in Sicht. Es war schon Ewigkeiten her seit der letzte Polizeibus vorbeigefahren war. Ich kletterte über die Leitplanke und schlenderte über den Grünstreifen. 

„Hey, warte auf mich", hörte ich Emmas Stimme hinter mir. Sofort kriegte ich ein Grinsen ins Gesicht. Ich blieb stehen und wartete, bis sie mich eingeholt hatte. Sie trug nur eine Shorts und ein lockeres weißes Top, ihre Haare waren wild zusammengebunden und sie hatte eine große Sonnenbrille auf der Nase. Kurzum, sie sah süß und heiß zugleich aus. Wie selbstverständlich legte ich meinen Arm um ihre Schulter und so gingen wir ein paar Schritte. 

„Du bist so still heute. Ist alles okay bei dir?", fragte sie irgendwann. „Mhm", machte ich nur und zog sie wieder näher an mich. Ich war froh, dass wir weitergingen, denn ich wusste nicht, was mit mir passieren würde, wenn sie mich angesehen hätte. 

Nicht mit dir und nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt