Kapitel 30

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° Emma °

Die Größe der Location und der ganzen Veranstaltung hatte mich fast erschlagen und ich fühlte mich ziemlich klein. Ich bin eigentlich wirklich nicht auf den Mund gefallen, aber als mich Wincent bei diesen wildfremden Menschen abgestellt hatte, war ich kurz einen Moment unsicher. Ich blickte um mich und versuchte die Jungs zu studieren, die gerade dabei waren unzählige Kartons her zu schleppen, umzustellen oder auszupacken. Irgendwie beachteten die mich gar nicht. Ich tippelte von einem Fuß auf den anderen. Irgendwann musste ich was sagen. 

„Ähm...Hi, ich bin Emma. Kann ich irgendwie helfen?", sagte ich dann und ich hoffte ich hörte mich selbstbewusster an, als ich mich fühlte. Drei Köpfe schossen in die Höhe und sahen mich an. 

„Nico", stellte sich der eine vor und hielt mir die Hand hin. „Schau einfach die Kartons durch. Zähl die Shirts und schreib die Anzahl und die Größe auf den Karton", meinte er und hielt mir einen Stift hin. Okay, perfekt, einfache Aufgabe, das kriege ich hin. Es entwickelte sich doch dann ein recht entspanntes Gespräch zwischen uns, während wir die Shirts sortierten und dann den Merch-Stand dekorierten. Es war klar, dass irgendwann die Frage aller Frage kommen musste. 

„Und woher kennst du Wincent?", fragte Nico dann. Mittlerweile waren wir alleine und ich pinnte gerade die Shirts an die Korkwand. 

„Aus der Schule tatsächlich. Wir haben zusammen Abi gemacht", antwortete ich wahrheitsgemäß. „Wir haben uns letztes Jahr beim Klassentreffen auf dem Weihnachtsmarkt wieder getroffen und nachdem ich momentan eh keinen Job habe, hat er mich gefragt, ob ich nicht mitkommen will. Und ja...deswegen bin ich hier". Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken, aber mehr als ein ‚Achso' erwiderte er nicht. Bin ich eine so schlechte Schauspielerin, dass mir kein Mensch diese Antwort abkaufen würde? 

„Und was machst du hier?", fragte ich stattdessen und stieg von der Leiter. Ich lachte ihn an und hoffte ihn damit auf ein anderes Thema lenken zu können. Nico erwiderte mein Lachen und erzählte davon, wie er zu Wincent gekommen war. Männer sind so leicht zu manipulieren, lachte meine innere Stimme. Wir quatschten über Gott und die Welt, über die Familie und über die Musik. Nico machte selber auch Musik und würde vielleicht ein paar Mal als Support bei Wincent auftreten. 

„Ich muss zugeben, ich kenne nichts außer ‚Musik Sein'", flüsterte ich ihm zu, als wir uns einen Kaffee holten. Nico sah mich mit großen Augen an, bevor er in Gelächter ausbrach. Ich musste schmunzeln. 

„Na da wirst du aber überrascht sein heute Abend", meinte er. Würde ich das? Auf jeden Fall war ich gespannt. Ich war gespannt auf den Musiker Wincent, ich kannte ja nur den Trottel, der beim Mathe-Abi eingeschlafen war. Und den Typen, der mich um so manche Nacht gebracht hatte. Ich zuckte richtig zusammen, als mir jemand sanft an die Schulter tippte. 

„Hey", machte Nico, „nicht träumen". Direkt wurde ich knallrot. Wo war ich nur mit meinen Gedanken? Schnell griff ich nach dem Shirt, das er mir hinhielt und befestigte es über mir. Nachdem wir nach gefühlten drei Stunden alle Shirts ausgepackt und sortiert hatten, betrachteten wir stolz unser Werk. 

„Bereit für heute Abend", meinte Nico und deutete mir an zu gehen. Als Frau war ich scheinbar echt eine Attraktion, denn beim Catering versammelten sich die Jungs nur so um mich. Jeder quetschte mich aus, was ich hier machte und jeder zweite zog eine Augenbraue in die Höhe, als ich erzählte, dass ich Wincent aus der Schule kannte. Ich war mir nicht sicher, was sie erwartet hatten. Dass ich ernsthaft seine Freundin war? Das hier war seine Crew, da würden wir doch ehrlich sein, wenn es so wäre. Aber so war es ja nicht. Nachdem mich Nico entlassen hatte, tingelte ich etwas übers Gelände, bis ich Musik von der Bühne hörte. 

Nicht mit dir und nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt