Kapitel 55

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° Wincent °

„Sag mal was ist eigentlich los?", lallte ich, während mich Yvonne hinter sich her zog. Ich hatte echt Mühe mich auf den Beinen zu halten. Sie drehte sich zu mir um und seufzte. Es war doch gerade lustig geworden. „Geh einfach weiter", schnauzte sie mich an und zog weiter an meiner Hand. Wir stiegen ins nächste Taxi und ließen uns zu mir nach Hause fahren. Während die Landschaft so an mir vorbeizog, muss ich wohl ein bisschen eingenickt sein. Yvonne rüttelte unsanft an meinem Arm. „Wincent, steh auf jetzt. Wir sind da", meckerte sie weiter. Ich rollte mit den Augen und quälte mich aus dem Sitz. Ich torkelte neben meiner Freundin zu meiner Wohnung und suchte den Schlüssel in meiner Jackentasche. Scheiße, wo ist das blöde Teil?

Ohne Vorwarnung schob Yvonne ihre Hand in meine Hosentasche und zauberte meinen Haustürschlüssel hervor. „Da is er ja", lallte ich und beugte mich zu ihr. „Du hättest deine Hand da ruhig lassen können", brummte ich. Wortlos drehte sich Yvonne um, schloss die Tür auf und schob mich in meine Wohnung. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und ihrer Jacke und verschwand schnurstracks im Bad. Ich brauchte ewig bis ich es geschafft hatte mich auszuziehen und ich war nur froh, als ich in meinem Bett lag. Kurz darauf tauchte Yvonne im Türrahmen auf und sie sah so gut aus in meinem Shirt. Sie löschte das Licht und krabbelte zu mir unter die Decke. 

„Gute Nacht", murmelte sie nur und drehte mir den Rücken zu. Sicher nicht, Madame. Ich rutschte näher zu ihr und schob meine Hand unter ihr Shirt an ihren Bauch. Ich verteilte Küsse auf ihrem Hals und ließ meine Hand höher wandern. Ich hörte Yvonne seufzen. Hab ich dich, dachte ich. Aber sie griff meine Hand und schob sie weg. „Alter, Wincent, hör auf damit. Ich will das nicht", sagte sie ernst und rutschte wieder von mir weg. Frauen! Ich verdrehte die Augen und rollte mich auf die andere Seite. Meine Umgebung verschwamm zu einem einzigen Karussell, also hielt ich einen Fuß aus dem Bett. Als es langsam stehen blieb, konnte ich auch in einen tiefen Schlaf fallen. 

Am nächsten Morgen erwischte mich mein Kater direkt mit voller Breitseite. Ich hatte es echt übertrieben. „Oh fuck", stöhnte ich und hielt mir den Kopf, als ich mich zu Yvonne umdrehte. Sie saß bereits am Kopfende gelehnt und tippte irgendwas in ihr Handy. „Na? Kopfschmerzen?", fragte sie ohne mich anzusehen. Ich rieb mir die Augen und je klarer mein Blick wurde, desto mehr fiel mir ihre Angespanntheit auf. Oh, was hab ich nur getan gestern? Alles fiel mir wieder ein. Ich robbte zu ihr und legte meinen Kopf auf ihren Bauch. „Sorry", machte ich nur und erst dann legte sie ihr Handy weg und strich mir durch die Haare. „Was genau meinst du?", fragte sie nach und kraulte mich am Hinterkopf. Wie sehr ich das mochte. „Gestern", antwortete ich nur knapp. Ich war zu verkatert, um schon jetzt eine Diskussion zu überstehen. 

Yvonne gab sich geschlagen. Das dachte ich zumindest. Sie reichte mir eine Schmerztablette und ein Glas Wasser. Erst dachte ich noch wie fürsorglich sie doch wäre, aber als Beides in meinem Magen angekommen war, prasselten direkt die Fragen auf mich ein. „Was war das mit Emma? Und was sollte das mit dem One-Night-Stand? Wincent, wir waren getrennt, du hättest es ruhig sagen können, dass du einmal mit ihr im Bett warst", hörte ich Yvonne sagen. Mein Schädel pochte noch immer. Ich wollte jetzt nicht über Emma reden. „Da war nichts mit Emma", verteidigte ich mich direkt. Ich spürte Yvonnes bohrenden Blick auf mir. „Und ich fand es super blöd über einen One-Night-Stand zu reden, wenn meine Freundin neben mir sitzt. Das ist doch scheiße", brummelte ich. Ich war überrascht, dass mir überhaupt irgendwas zu dem Thema einfiel, was nicht ganz der Wahrheit entsprach. 

„Es war auf jeden Fall jedem klar, dass du gelogen hast und dass Emma dein One-Night-Stand war. Und scheinbar ist sie nicht cool damit", philosophierte Yvonne. Ich wollte nicht darüber reden. Nicht jetzt. Und wahrscheinlich auch nicht in hundert Jahren. Aber Yvonne redete weiter. Irgendwann hatte ich echt den Faden verloren und nickte nur gelegentlich. Sie störte das gar nicht, also ließ ich meine Gedanken abdriften. „Hörst du mir eigentlich zu?", meldete sich Yvonne und stieß mir in die Seite. „Was? Ja....", log ich. Ich hob meinen Kopf und sah sie an. Sie hatte sich scheinbar richtig in Rage geredet. „Und was sagst du dazu?", fragte sie weiter und hob eine Augenbraue. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete und was sie sich da zusammen gesponnen hatte. Also entschied ich mich für eine klitzekleine Notlüge, von der ich dachte sie würde sie mit Sicherheit glauben. 

„Na gut...also das mit Emma war so nicht. Ich hatte sie auf der Tour dabei, weil wir uns echt gut verstanden haben. Sie war genauso unglücklich getrennt wie ich und wir taten uns irgendwie ganz gut. Ich hab von Anfang an gesagt, dass ich nicht mehr als ne Freundschaft kann und sie sah das genauso...bis wir irgendwann mal feiern waren und dann haben wir uns geküsst. Aber mehr war da nicht. Ich hab sie abblitzen lassen, weil ich das nicht konnte, und dann ist sie gegangen. Sie hat sich da wohl etwas verrannt...Linda ist ihre beste Freundin und sie mag mich ganz besonders gerne", lächelte ich schwach. Ich wunderte mich wo diese Worte überhaupt herkamen. Warum ich ohne zu zögern meine Freundin so anlügen konnte. Ob sie mir auch glaubte, konnte ich echt aufgrund meines Katers nicht so ganz einschätzen. Ich nahm ihre Hände und strich über ihre Handrücken. „Ich liebe dich, Babe. Okay?", sagte ich noch abschließend. Ihre Augen leuchteten mich an. Scheinbar glaubte sie mir. „Ich dich auch", erwiderte sie und schlang ihre Arme um mich. Drama gerade nochmal abgewendet. 

Wie sollte das nur werden, wenn ich wieder unterwegs bin? Das hatte ich ihr noch gar nicht gestanden. „Ich muss nächste Woche übrigens wieder Vollgas arbeiten....", murmelte ich. Ich betete, dass nicht gleich das nächste Donnerwetter über mich hereinbrechen würde. „Ich weiß", erwiderte sie nur und ich sah sie fragend an. „Naja, in vier Wochen beginnt die Tour, also war das ja anzunehmen", führte sie aus. Klang so, als würde sie damit umgehen können. Ganz anders als noch im letzten Jahr. „Ich besuch dich einfach oft und vielleicht krieg ich ein bisschen frei", erzählte sie und ihre Augen leuchteten. Automatisch musste ich lächeln. „Das wär schön", meinte ich und zog sie fest an mich. „Wir kriegen das dieses Mal besser hin", murmelte ich in ihre Haare. 

Nicht mit dir und nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt