Kapitel 29

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° Wincent °

Ja, es wäre wohl nicht das Blödeste gewesen uns vorher zu überlegen, wie wir unterwegs miteinander umgehen wollen. Ich würde es niemals schaffen, Emma nicht anzufassen, nicht mit ihr rumzublödeln und wahrscheinlich auch nicht sie nicht zu küssen. Umso froher war ich irgendwie, dass sie mir die Entscheidung abnahm. Sie wollte von Anfang an mit offenen Karten spielen. Und wenn wir mal ehrlich sind, würde Amelie unsere Bettgeschichte auch niemals für sich behalten können. „Bist du dir sicher?", fragte ich Emma, bevor wir uns zu den Jungs gesellten. Sie nickte und gab mir einen langen Kuss zur Antwort. „Oh...ähm...ich...sorry", unterbrach uns Flo. 

Das mit dem Verstecken hätte ja wunderbar funktioniert. Ich grinste Emma an, sie grinste mich an und dann grinsten wir Flo an. „Schon gut", meinte ich und klopfte ihm auf die Schulter, „das hätte eh nie geheim bleiben können". Wir ließen Flo an uns vorbeigehen und gingen die paar Stufen zurück in den Sitzbereich. Vier Augenpaare beobachteten uns, als wir uns nebeneinander auf einen der Sitze fallen ließen. Irgendwie dachte ich wohl ich wäre cooler, aber ich spürte genau, wie meine Ohren rot wurden. Es herrschte Totenstille. Zum Glück stahl Flo uns kurz einen Moment die Show, als er wieder zurück kam und seine sockigen Füße auf den Tisch knallte. 

„Was?", fragte er. Als ich meinen Kopf drehte, sah ich Emma nur grinsen. 

„Oh Gott, Leute", begann sie, „wir sind doch alle erwachsen, also...um das von Vornherein klarzustellen...wir sind nicht zusammen". Flo sah wohl am Verwirrtesten aus, Manni hob nur eine Augenbraue und Benni kriegte nicht so richtig was davon mit. Er hatte sich längst seinem Sandwich gewidmet. Meine Hände wurden ganz schwitzig, warum auch immer. Ich fühlte mich, als würde ich meiner Mum von meiner ersten Freundin erzählen. Oder meiner Freundin von meiner Affäre. Seltsames Gefühl. 

„Aber vielleicht...ganz vielleicht teilen wir gelegentlich das Bett miteinander", beendete Emma ihren Satz und legte ihre Hand in meine. Alle starrten uns an. 

Bis Benni alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Er verschluckte sich so krass an seinem Sandwich, dass er mir die Hälfte in den Schoß spuckte. Sofort klopfte Amelie ihm auf den Rücken, bis er sich beruhigt hatte. „Gehts wieder?", fragte ich und als sich unsere Blicke trafen, musste ich automatisch lachen. Ihm standen Tränen in den Augen und er war knallrot. Vor Anstrengung natürlich. „Alter, mach das nie wieder", stöhnte er und wischte sich die Tränen von den Wangen. Ich schaute Emma an, die sich ebenso ein Lachen zu verkneifen versuchte. 

„Sorry", sagten wir beide gleichzeitig. „Aber nachdem uns Flo eh gerade schon erwischt hatte, war klar, dass wir auch gleich mit offenen Karten spielen können", schob ich noch nach. Okay, bis gerade eben war ich nicht so cool, aber jetzt...

Nach Bennis spontanem Zwischenfall mussten wir erstmal den Tisch säubern und mir eine neue Hose verpassen. Als ich wieder zurückkam, versammelten sich alle Jungs uns gegenüber. Ich fühlte mich wie bei einem Verhör. 

„Und ihr seid nicht zusammen?", fragte Manu. Wir schüttelten den Kopf. 

„Aber ihr schlaft miteinander?", fragte Flo. Wir nickten. 

„Aber warum?", meinte Manni lachend. Wir zuckten mit den Schultern. 

„Hat sich so ergeben", meinte ich. Emma sah mich prüfend an. 

„Also eigentlich war das ganze meine Idee", brüstete sie sich. Vielen Dank. Schmunzeln auf allen Gesichtern um mich. Schon klar, diese Offenheit hätten sie mir niemals zugetraut. 

„Wir können das ziemlich gut miteinander, also hielten wir das für keine schlechte Idee", fuhr sie fort. 

„Okay, gut, das geht zu weit", mischte ich mich ein. Es reichte, dass die Jungs davon wussten- was genau wir taten, ging sie nun wirklich nichts mehr an. Damit war das Thema erledigt und wir widmeten uns anderen Dingen, bis wir Stunden später an der ersten Location ankamen. 

Die Sonne schien uns mitten ins Gesicht, als wir den Bus verließen. Während die Jungs zum Aufbau verschwanden, zeigte ich Emma die Location. Dafür dass sie eigentlich eine große Klappe hatte, war sie eben verdächtig ruhig. Ich würde sie gerne in den Arm nehmen, aber hier draußen funktionierte das nicht. Ich stellte sie bei Nico am Merchstand ab und machte die Beiden miteinander bekannt. Dort würde sie einige Stunden beschäftigt sein und ich konnte mich auf den Soundcheck konzentrieren. „Wenn was is, ruf mich an", meinte ich noch und ließ sie dann stehen. 

Als ich auf dem Platz vor der Bühne stand, kam ich erst richtig an. Ich staunte über die Größe der Bühne, die vielen Menschen, die darauf arbeiteten und über den ‚Ausverkauft'- Stempel auf meinem Foto. Krass. Meine erste eigene Tour und schon ausverkauft. Könnte die Tour noch besser starten? 

„Was grinst du so?", meinte Manni, als er neben mir auftauchte. 

„Schau dir das an...ist das nicht heftig?", erwiderte ich und zeigte auf die Bühne und den großen Platz um uns. Er nickte nur. 

„Ich dachte schon es wäre wegen Emma...", murmelte er. Puh, wie viele solcher Gespräche würden wohl noch auf mich zukommen? Prüfend sah ich ihn an. 

„Komm schon, schieß los. Ich seh doch, dass du bald platzt", witzelte ich. Wir kannten uns jetzt lange genug. Er wusste, dass ich eigentlich nicht der Typ für belanglose Bettgeschichten war. Vor Emma. 

„Ich will alles wissen", meinte er und setzte sich neben mich auf den Rasen. Also erzählte ich ihm alles. Warum auch nicht? Es war ja kein Geheimnis. 

„Und das fühlt sich gut für dich an?", fragte er nach. Ich nickte. 

„Ich weiß was du denkst. Ich bin nicht soweit. Ich bin nicht über Yvonne hinweg. Mein Herz hängt noch an ihr, das weiß ich, aber mit Emma ist alles so einfach. Sie ist unglaublich. Sie ist für mich da, ohne was von mir zu erwarten. Sie fängt mich auf und sie bringt mich zum Lachen. Und du solltest sie mal...", abrupt stoppte ich. „Nein, solltest du nicht, aber...sie ist so heiß", grinste ich. Ich wollte Emma nicht auf das Körperliche reduzieren, schließlich war sie so viel mehr als das. 

„Dann freu ich mich für dich. Du siehst wirklich glücklich aus", grinste Manni und klopfte mir auf die Schulter. Mit Emma war ich das auch. „Aber das Ganze bleibt unter uns...nichts davon darf irgendwie nach außen gelangen...", meinte ich noch. Unter keinen Umständen durfte irgendjemand uns zusammen sehen. Ich musste Emma aus der Öffentlichkeit raushalten. Ich konnte nicht zulassen, dass wieder jemand daran zerbricht.

Nicht mit dir und nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt