Kapitel 62*

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° Emma °

Nach allem, was zwischen uns passiert war, konnte und wollte ich Wincent auf keinen Fall in seiner jetzigen Situation alleine lassen. Klar, hatte er mir wehgetan, als er mich am Ende der Sommertour so abgesägt hatte. Und natürlich war ich verletzt. Aber das spielte in diesem Moment keine Rolle mehr. Ich hatte ihn vermisst, ich mochte ihn immer noch genauso und ich musste für ihn da sein. Unsere Freundschaft war uns Beiden wichtig, wir hatten das nur kurz vergessen. Schon kurz nachdem der erste Teil von Fast&Furious startete, bereute ich meinen Vorschlag. Ich konnte diesen Filmen eigentlich noch nie etwas abgewinnen. Aber es waren Wincents Lieblingsfilme, also ließ ich alle folgenden Teile einfach über mich ergehen. Bestimmt legte ich den ein oder anderen Power-Nap ein, aber ihn störte das gar nicht. 

Irgendwann mussten wir wohl beide eingeschlafen sein, denn als ich mitten in der Nacht aufwachte lief mal wieder ein Abspann im TV vor uns, aber Wincent schnarchte neben mir. Er atmete ruhig und seine Gesichtszüge wirkten entspannt. Es schien so als schliefe er ganz gut. Ich machte mich auf den Weg ins Bad, ging kurz pinkeln und band meine Haare zusammen. Während ich so mein Spiegelbild betrachtete, überkam mich alles, was hier passiert war am Anfang des Jahres. Oft stand ich hier, sehr oft, aber nie fühlte ich mich so emotional angespannt wie gerade eben. Ich war völlig durcheinander. Aber ich wollte für ihn da sein, als seine beste Freundin, die er gerade so sehr brauchte. Allen anderen Gefühlen durfte ich keine Beachtung schenken, nicht heute und auch nicht in Zukunft.

Mir fiel Yvonnes Parfum und ihr Duschgel ins Auge und ich hielt es für eine gute Idee, beides im Müll verschwinden zu lassen. Ich an Wincents Stelle würde nicht gerne am Morgen nachdem ich mich von meiner Freundin getrennt habe, sofort ihr Duschgel riechen wollen. Ich betete ich würde ihn schnell über sie hinweg trösten können- also emotional. Meine Gedanken kreisten, bis es an der Tür klopfte. Erschrocken fuhr ich zusammen. „Emma? Alles gut?", hörte ich Wincents Stimme. Ich schüttelte mich kurz und betätigte die Klospülung. „Klar, alles gut", antwortete ich. Ich sah meinem Spiegelbild nochmal kurz in die Augen, während ich meine Hände mit eiskaltem Wasser wusch. Komm runter, Emma, mahnte ich mich. Unbewusste atmete ich tief durch, als ich die Badtür öffnete. 

Wincent stand direkt davor, sodass ich fast in ihn hineinlief. „Huch", machte ich und sah zu ihm auf. Er trat keinen einzigen Zentimeter von mir weg. Seine Augen blitzten auf, als sie auf meine trafen und ich spürte schon wieder diese Anziehung zwischen uns. Das war doch keine Einbildung! Aber das geht nicht, mahnte mich meine innere Stimme. Ich seufzte und ich wusste, dass er das ebenso gehört hatte. Er strich mir die Haare aus dem Gesicht und legte seine Hand an meine Wange. Es war wie früher. Und ich genoss das. Ich hasste mich dafür, dass ich mich nicht im Griff hatte. 

Gefühlt standen wir minutenlang so da, dicht an dicht mitten in seinem Flur. Und wir starrten uns die ganze Zeit an. Keiner tat irgendwas, weder in die eine noch in die andere Richtung. Es war als wollten wir beide nicht den ersten Schritt machen, wohin auch immer. Mein Herz pochte wie verrückt in meiner Brust. So sehr ich mich zwang meinem Gefühl nicht nachzugeben, es funktionierte nicht. Null. Nicht, wenn mich Wincent so ansieht

Er machte es mir auch nicht unbedingt leicht, denn in seinem Blick konnte ich so gar nichts lesen. Was wollte er eigentlich? „Ich ähm...", fing ich an und ich hoffte, er würde irgendwas sagen oder tun. Mir die Entscheidung abnehmen oder so. Aber er wollte diese Entscheidung scheinbar auch nicht treffen. Ich bekam fast Atemnot. Wie automatisch schlang ich meine Arme um ihn. Jetzt war ich ihm auch nah genug, um seinen schnellen Herzschlag zu spüren. Jeglicher Verstand verabschiedete sich bei mir. Es war still zwischen uns, so still wie noch nie. 

Irgendwann konnte ich nicht mehr. Und ich wollte auch nicht. Ich wusste, dass wir nur wenige Stunden vorher besprochen hatten, dass das so nicht mehr funktionierte, aber das war mir in diesem Moment egal. Ich hatte keine Chance aus der Situation zu fliehen und ich setzte alles auf eine Karte. „Küss mich", flüsterte ich und ging auf die Zehenspitzen. Wincent seufzte und schluckte. „Meinst du das ist eine gute Idee?", erwiderte er ebenso leise. Es machte mich fast wahnsinnig. Wenn er das nicht wollte, hätte er doch schon längst von mir abgelassen? Wenn er mich nicht wollte, würde er mich nicht so ansehen. „Bitte", flehte ich. 

Langsam beugte er sich zu mir runter. Mich durchzog ein Feuerwerk, als er mich wieder küsste. Erst sanft, aber irgendwann konnte auch er sich nicht mehr wehren. Er presste mich gegen die Wand und ich verlor mich in Sekunde eins unserer Knutscherei komplett. „Ich hab dich vermisst", flüsterte ich, als seine Hand auf dem Weg unter mein Shirt war. Ich genoss es so, wie er mich berührte. Keiner konnte mich so anfassen wie er. Ich schob meine Hände unter sein Shirt und über seinen immer noch trainierten Bauch zu seiner Brust. Er löste seine Lippen kurz von meinen, damit ich ihm sein Shirt über den Kopf ziehen konnte, und sah mich dann wieder so an. Ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen und ich war mir so sicher, dass das hier eine gute Idee war. Ich wollte einfach nur mit ihm schlafen, an etwas Anderes konnte ich nicht denken. 

Also ließ ich meine Hand weiter südwärts gleiten und legte sie an seinen Hosenbund. „Ich kann gleich für nichts mehr garantieren", seufzte Wincent. Ich grinste ihn an. „Dann schlaf mit mir", flüsterte ich und schob meine Hand in seine Hose. Er seufzte und legte seine Stirn an meine. Komm schon, mehr kann ich dir nicht geben, dachte ich. Er rang offensichtlich mit sich und ich verstand nicht warum. Wir wollten das, absolut. Und das hatte er auch endlich eingesehen. Endlich küsste er mich wieder und nahm mich direkt hoch, um mich ins Schlafzimmer zu tragen. Und während wir knutschten und uns gegenseitig auszogen, war alles wieder wie früher. 

„Du bist so schön", flüsterte Wincent, als er sich über mich beugte. Seine Worte gingen runter wie Öl, ich fühlte mich wieder unglaublich begehrt, wenn er sowas sagte. Ich lächelte ihn an und fädelte meine Finger in seine Haare. Er legte seine Lippen wieder auf meine und dann schliefen wir endlich wieder miteinander. Und es war, als wären die letzten paar Monate nicht passiert. Als hätte es Yvonne nicht gegeben und als würden wir direkt da anknüpfen, wo wir am Ende der Sommertour aufgehört hatten. Aber all das blendete ich aus und genoss es einfach nur, dass ich scheinbar meinen Wincent wieder hatte. Ich strich über seinen Rücken, als ich spürte, dass wir uns dem Höhepunkt näherten. Er vergrub seine Nase in meiner Halsbeuge, als er kam und nur wenige Sekunden später überrollte auch mich eine lange Welle, die mir den Atem raubte. 

Schwer atmend starrte ich an die Decke und ließ eine Hand in seinen Nacken wandern. Er ließ sich mit seinem ganzen Gewicht auf mich sinken und küsste meinen Hals. Ich kraulte seinen Hinterkopf und musste automatisch lächeln. Wincent brummte irgendwas Unverständliches und hielt dann meine Hand fest. Er hob seinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. Mein Lächeln schwand, als er anfing zu sprechen. 

Nicht mit dir und nicht ohne dichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt