Kapitel 12 (überarbeitet)

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„Sie haben das Abendessen verpasst.", sagte Elias Williams, der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste, als ich mich am nächsten Morgen zur Großen Halle begab, „Geht's Ihnen gut?" 

„Ja, alles bestens, wieso fragen Sie?", erwiderte ich. Normalerweise wechselte er mit mir kein Wort. 

„Sie haben meine Ansprache verpasst.", sagte er schnippisch. 

„Oh, okay? Um was ging es denn?" 

„Ich verlasse die Schule." 

„Sie verlassen die Schule?", wiederholte ich verwirrt, „Wieso das denn?" 

„Persönliche Gründe.", sagte er kurz angebunden, „Ich dachte, Sie sollten das wissen." 

Dann ließ er mich stehen. Er war ein alter, kleiner und dicker Mann mit schütterem Haar. Eigentlich redete er kaum ein Wort mit jemandem und war sehr verschlossen. Verwirrt schaute ich ihm hinterher, schüttelte dann den Kopf und ging zum Lehrertisch. 

„Guten Morgen zusammen.", sagte ich in die Runde. 

„Guten Morgen, Neyla.", begrüßte Neville mich.

„Na wie geht's dir?", fragte ich ihn lächelnd. 

„Gut soweit und dir?", erwiderte er. 

„Mir auch." Er schaute verlegen auf sein Essen. 

„Ron hat mir geschrieben.", murmelte er. 

„Wieso hat Ron dir geschrieben?", fragte ich verdutzt. 

„Es tut mir leid, er macht sich sicher nur Sorgen, aber er hat geschrieben, dass du dich wohl mit Draco getroffen hast und dass ich dir ihn ausreden soll." 

„Was soll der Blödsinn, ich verstehe es nicht.", sagte ich gereizt. Meine Stimmung verdüsterte sich augenblicklich.

„Draco ist kein guter Mensch, Neyla. Wirklich nicht, glaub mir.", versuchte Neville mir zu erklären, doch ich unterbrach ihn. 

„Vielleicht ist er gar nicht so, wie ihr alle glaubt. Ihr seid so verbissen in eure Vorurteile, dass ihr schon im Voraus alles zerstören und zerfressen müsst. Ich will nicht wissen, was zwischen euch vorgefallen ist. Es interessiert mich nicht, glaub mir.", rief ich aufgebracht, „Wisst ihr denn, wie er jetzt ist? Vielleicht bereut er, was er damals getan hat? Haben wir nicht alle Dinge getan, die wir später bereut haben?" 

„Doch, haben wir bestimmt...", fing er an. 

„Aber es ist einfacher, andere zu verurteilen, nicht wahr? Es nervt mich!" Ich hatte nicht gemerkt, dass meine Stimme immer lauter geworden war. Den letzten Satz schrie ich Neville ins Gesicht. Die ganze Große Halle starrte uns an. Wütend stand ich auf und rannte hinaus. Das Wetter passte zu meiner Stimmung. Es war verregnet und kalt. Ich setzte mich auf eine Bank am See und starrte in die Leere. Der Regen trommelte auf meinen Kopf, doch es war mir egal. Ich konnte nicht verstehen, wieso jeder meinte, er könne sich in mein Leben einmischen. 

Die letzten Ferientage vergingen wie im Flug und am ersten Abend danach, stand das erste Quidditch Spiel an. Gryffindor gegen Ravenclaw. Wie immer pfiff ich das Spiel. Emily und Neville verfolgten es aus dem Lehrerturm. Nach dem Spiel, Gryffindor gewann, bat Minerva mich um ein Gespräch. 

„Neyla, es gibt da etwas, über das ich mit dir reden wollte.", begann sie. Ich nickte, schulterte meinen Besen und folgte ihr Richtung Schloss.

„Soweit ich mich erinnern kann, warst du damals in der Schule in Verteidigung gegen die Dunklen Künste nicht schlecht. Von allen Lehrern, die zurzeit in Hogwarts sind hattest du die besten Noten in der UTZ Prüfung." 

„Wenn du das sagst, kann das gut sein. Worauf möchtest du denn hinaus?", fragte ich sie. Ich hatte bereits eine Vorahnung. 

„Könntest du dir vorstellen...", Minerva atmete tief durch, „Ich weiß, du liebst deinen Unterricht und Quidditch und ich frage dich auch nicht leichtfertig, es ist nur so du bist die Beste, die mir hier in den Sinn kommt. Ich könnte Madame Hooch fragen, ob Sie für dieses Jahr deinen Unterricht übernimmt und bis zum nächsten Jahr finden wir einen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste und du kannst dich wieder deinen Flugstunden widmen. Quidditch könntest du natürlich trotzdem weiterhin als Schiedsrichterin pfeiffen. Es wäre nur..." 

Ich unterbrach sie: „Es wäre nur für ein Jahr. Minerva es schmeichelt mir wirklich, dass du in diesem Fall an mich denkst, doch ich bin mir nicht sicher, ob ich hierfür die Richtige bin. Ich muss darüber nachdenken." Sie nickte verständnisvoll. 

„Bitte überlege es dir gut, aber gib mir bis spätestens Ende der Woche Bescheid, damit ich genügend Zeit habe, mich nach einem Ersatzlehrer umzuschauen." 

„Mache ich. Danke.", erwiderte ich und begleitete sie noch bis zur Großen Halle. Danach trennten sich unsere Wege. 

„Gute Nacht, Neyla. Schlaf gut.", sagte Minerva und machte sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Ich schaute ihr nachdenklich nach. Natürlich war ich keine schlechte Schülerin in Verteidigung gegen die dunklen Künste gewesen. Doch dies war ein Zag und UTZ relevantes Fach und ich wusste nicht, ob ich eine so gute Lehrerin sein konnte. Ich wandte mich in Richtung meines Zimmers und lief Emily über den Weg. 

„Was wollte Minerva mit dir besprechen?", fragte sie mich. 

„Sie hat mich gefragt ob ich für Elias Williams einspringen möchte für dieses Jahr.", erklärte ich ihr. 

„Was? Wirklich? Das ist ja der Hammer! Du warst damals so gut in Verteidigung gegen die Dunklen Künste! Es wäre eine Schande, wenn du es nicht machen würdest", rief sie freudig. 

„Denkst du? Ich weiß nicht, ob ich dafür gut genug bin. Schülerin und Lehrerin zu sein sind zwei paar Stiefel." 

„Ich verstehe dich, aber sieh es doch als Herausforderung? Immerhin wird einem sowas doch nicht jeden Tag angeboten. Du traust dir selbst viel zu wenig zu. Damals warst du auch einfach nur eine gute Fliegerin und hast Quidditch gespielt und jetzt bist du Lehrerin für Besenflugstunden und Schiedsrichterin. Es war damals auch nur ein Hobby und ist jetzt dein Beruf." 

„Ja, vielleicht hast du Recht, Ems. Ich muss es mir überlegen. Irgendwie macht mir das ja auch ein bisschen Angst." 

„Das ist keine Angst, dass ist vielleicht Respekt vor der großen Aufgabe, aber ich denke, du solltest das Angebot annehmen." 

„Ich muss darüber schlafen.", sagte ich und küsste sie auf die Wange, „Bis morgen. Schlaf gut Ems und danke." Ich öffnete meine Türe. 

„Schlaf gut, Neyla." Sie drückte meine Hand und ging in ihr Zimmer. Ich ging ebenfalls nach drinnen und setzte mich aufs Bett. Emily hatte Recht, es war wirklich eine großartige Gelegenheit, um mich zu beweisen. Ich verstaute meinen Besen in seiner Vitrine und ging unter die Dusche. Dann zog ich mich um und kuschelte mich in mein Bett.

Teil 1: Zwei Seelen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt