"Morgen werden wir die Welt stürmen.", flüstere ich ihr ins Ohr. Meine Hand liegt auf ihrem Bauch. Sie lacht leise in sich hinein, streicht mir durchs kurze Haar und dann seufzt sie stumm. Sie befreit sich von meiner Hand, setzt sich auf die Bettkante und schaut aus dem Fenster, das ihr die verregnete Welt eröffnet. Ich sehe ihren nackten Rücken, ihr langes Haar, harte Kanten, die im Regen zerfließen. Sie steht auf. Ich bleibe liegen und schaue ihr nach.
"Wir haben kein Morgen mehr.", sagt sie und wenn sie stehen geblieben ist, dann muss es in einer anderen Welt gewesen sein, denn sie tat es nicht in dieser, noch nicht mal im Türrahmen.Und sie behielt Recht. Wir hatten kein Morgen mehr und die Welt, die ich hatte stürmen wollen, war auf eine neue Art wertlos geworden. Es gab keinen Sinn mehr hinter dem Wille des Neuformens dieser Welt, denn wirklich, sie war bloß harte Kanten und Regen.
10/11/20
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Seelenseide
PoetryPOESIE Das ist die Seide meiner Seele, zart und warm, versuchend sich selbst zu heilen. ALL RIGHTS RESERVED! NO PUBLIC DOMAIN!