Erstaunt

342 24 4
                                    

Das schwarze Brett war erstaunlich leicht zu finden. Zu verstehen, was mir die ganzen Zettel sagen sollten, war deutlich schwerer. Ich machte von allen Seiten Fotos mit meinem Handy. Vielleicht würde Eva sich dazu überreden lassen, es mir zu erklären, bevor ich ihr auch sagen musste, dass ich ein Fuchs war.

Der Weg zurück zum Wohnheim war nicht so schlimm, wie befürchtet. Die meisten Schüler zogen sich wohl bei Einbruch der Dunkelheit in ihre Zimmer zurück. Zum ersten Mal seit ich an diesem Morgen hier eingetroffen war, ließ ich die Schule auf mich wirken. Ich hörte das Säuseln des Winds in den Baumkronen ringsum. Ich hörte die entfernten Stimmen von Schülern, die sich noch immer von ihrem Sommer erzählten. Ich atmete den Duft von frischem Gras und Wildblumen. Schmeckte das ferne Aroma von Tannen und Eichen auf meiner Zunge. Ja, dieser Ort könnte ein Traum sein - wenn man kein Fuchs war.

Ich stand vor meinem Zimmer, als mir klar wurde, dass ich mehr als eine Stimme hinter der Tür hörte.
"Du hättest sie sehen sollen! Helena war außer sich. So habe ich sie noch nie gesehen. Sie hätte Kyle und Nathan fast abgeschüttelt!"
"Sie war mit Jennifer befreundet. Warum wundert es überhaupt jemanden, dass sie Kassandra nicht mag? Ich wäre nicht anders, wenn jemand dich ersetzen würde."
"Oooouuh das hast du süß gesagt."
"Geh runter von mir!"

Ich hatte genug gehört und griff möglichst laut nach der Türklinke. Ich wollte nicht zeigen, dass ich gelauscht hatte. Sofort sprangen die beiden auf. Der Junge mit großen Karamellaugen und Blau gefärbten Haaren war der erste an dieser Schule, der mich ohne Hintergedanken ansah. "Du bist Kassandra", stellte er fest.

"Ja, die Neue und ich bin ein Fuchs." Ich war zu müde um noch mal das Spiel zu spielen. Ab sofort würde ich jedem gleich von vorneherein auf die Nase binden, dass ich ein Fuchs war. Das würde sehr viele verletzte Gefühle verhindern. Nicht zuletzt auch bei mir. Erschöpft fiel ich auf mein Bett. Fuck. Ich musste es noch beziehen.

"Ich weiß. Du hast ne ziemliche Show mit Helena geliefert. Oh. Ich bin übrigens Thomas und ein schwarzer Kater. Ich verspreche, ich bringe kein Unglück." Er kam zu mir herüber und streckte mit seine Hand hin. Wie konnte ich da ablehnen?

Ich schüttelte seine Hand und war erstaunt, wie warm und weich sie war. "Katzenpfoten", lachte er, als wäre meine Reaktion normal und er zwinkerte mir zu. "Harter erster Tag, mh?" Er ging zurück zu dem Stuhl, den er neben Evas Bett gestellt hatte.

"Kann man wohl so sagen. Wie schlimm ist mein erster Eindruck?" Ich stecke Kissen und Decke in ihren Bezug und ließ sie achtlos auf den Boden fallen, während ich mit der Matratze kämpfte, um ihr ein Spannbettlaken zu verpassen.

"Oh eigentlich gar nicht so schlecht. Ich meine - viele haben Vorurteile, weil du ein Fuchs bist. Eva hätte verhindern sollen, dass du mit Rebecca losziehst." Er warf seiner Freundin einen bösen Blick zu, den sie komplett ignorierte. "Rebecca ist nämlich das größte Klatschmaul der ganzen Schule. Sie hatte schon zwei dutzend Schülern erzählt, dass du ein hinterhältiger Fuchs bist, ehe du dich an den Alphatisch gesetzt hattest."
"Wow, das nenne ich effizient."

"Aber gerade weil du dich an den Tisch gesetzt hast, hast du Becca ganz schön die Show gestohlen." Thomas lachte gehässig, als wäre es das beste, was ihm je passiert war. "Und dann erst dieser Beinahe-Kampf. Was genau war eigentlich der Auslöser? Hatte sie Angst, dass du ihr die Rolle als Sexiest Single Woman weg nimmst? Du bist doch Single oder?"

Ich ergab mich dem aussichtslosen Kampf und ließ das Bettlaken zurück schnappen. "Fragst du für dich oder einen Freund?" Der Konter wäre wahrscheinlich besser gewesen, wenn ich die Kraft gehabt hätte, gehässig zu klingen und nicht absolut gleichgültig.

Thomas kam erneut lachend zu mir. "Du bist die falsche Seite des Ufers für mich." Er zog das Laken mühelos zurecht. "Aber falls du noch mal zum Alpharudel zurück gehst, kannst du Nathan meine Nummer zustecken."

Ich lachte trocken und zu meinem erstaunen lachte Eva vom anderen Bett mit. "Mit einem Hetero-Schwarm wirst du Kyle nicht eifersüchtig machen können."

The FoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt