Besorgt

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"Wo seid ihr gewesen!" Thomas kam uns entgegen gerannt, barfuß und nur im Schlafanzug. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Solche Auftritte waren zu meinem Markenzeichen geworden.

"Wir haben was neues ausprobiert", erklärte ich, damit Eva nichts sagen musste. Sie hatte versucht, Kontakt mit ihrem Uhu aufzunehmen, aber mehr als ein hysterisches Kreischen war dabei nicht heraus gekommen. Nach Jahren des Kampfes war ihr inneres Tier nicht sehr gut auf sie zu sprechen.

"Ihr müsst sofort mitkommen! Die suchen dich, Kass."
"Wer sucht mich?"
"Leute von der Polizei."

"Was ist passiert?", krächzte Eva und klang noch nicht wieder wie sie selbst.
"Jemand hat Luisa angegriffen."
"Luisa?", fragte ich, obwohl das nicht die wichtigste Information an der Situation war. Wenn die Polizei mich suchte, konnte das nur bedeuten, dass sie annahmen, ich wüsste etwas darüber. Oder schlimmer noch. Ich hätte es getan.

"Sie sitzt in Biologie vor uns", erklärte Eva. "Sie hat gerade diese seltsame Affäre mit Kyle." Kyle, der Alphalöwe. Unwillkürlich zog sich mein Magen zusammen und ich musste mich an Eva festhalten.
"Wieso suchen sie mich?"
"Das weiß keiner." Thomas schüttelte hilflos den Kopf. Da kamen auch schon zwei Männer auf uns zu.
"Kassandra Maibach?" Ich nickte. "Bitte folgen Sie uns ins Büro des Schulleiters. Wir haben ein paar Fragen." Ich drückte Eva ein letztes Mal, dann folgte ich den Männern.

Gefühlt die ganze Schule war auf den Beinen. Es waren so viele Schüler auf den Fluren, dass die Polizisten uns Platz machen mussten, damit wir durchkamen. Toll, dachte ich. Als wäre mein Ruf nicht schon schlecht genug.

Auf dem Flur vorm Büro erwartete mich die nächste Überraschung. Das Alpharudel saß der Reihe nach auf den unbequemen, grauen Stühlen. Kyle hatte sein Gesicht in den Händen vergraben. Seine Schwester rieb ihm beruhigend den Rücken. Neben ihr saß Jenna. Ihr sonst so gefasstes Gesicht wirkte hier im grellen Licht der Neonröhren abgespannt und müde. Dunkle Ringe säumten ihre Augen und sie starrte vor sich ins Leere. Nathan hingegen starrte nicht ins Leere. Er kaute an seinem Daumennagel und sah zu mir herüber, die dunklen Brauen tief in die Augen gezogen. Ich hatte keine Zeit etwas zu sagen, etwas anzudeuten. Die Polizisten führten mich direkt in das geräumige Büro.

Noch bevor ich mir das Zimmer genauer ansehen konnte, erkannte ich die Frau vor mir, die sich mit einer Polizistin unterhielt. "Doktor Stöer?" In ihrem Arztkittel war sie eine respekteinflößende Frau, doch auch in einem schlabbrigen Pullover und ausgewaschenen Jogginghosen verlor sie nichts von dieser Ausstrahlung. Ich fragte mich instinktiv, welches Tier sie wohl war.

"Ah Kassandra. Man hat Sie gefunden." Sie lächelte freundlich. Ein gutes Zeichen, hoffte ich. "Wie geht es ihrem Fuß."
"Besser, danke." Ich fragte mich noch, ob ich hätte lügen sollen. Jemand, der nicht laufen konnte, konnte keine Verbrechen begehen. Aber die Polizisten hatten mich ja laufen sehen. Also verwarf ich diesen Gedanken.

"Kassandra, ich habe eine Frage und du musst ehrlich antworten." Sie ergriff meinen Arm und zog mich von den Polizisten weg. "Als du dich verletzt hast, hast du mir gesagt, dass dich niemand angeriffen hat." Sie war ganz selbstverständlich zum Du gewechselt, als hätte sie alle Etikette in Anbetracht der Situation vergessen.

"Das stimmt", beeilte ich mich, zu sagen. Saßen die Alphas da draußen, weil man sie verdächtigte? "Es war diese Pflanze im Wald!"
"Hanfnesseln?", unterbrach mich die Polizistin.
"Oh die heißen wirklich so?"

Die beiden Frauen tauschten eine Blick aus, ehe die Ärztin wieder mit mir sprach. "Ist diese Pflanze im Wald gewachsen? Oder lag etwas davon rum?"
"Da wachsen welche. Eine ganze Menge, ehrlich gesagt."
"Kannst du uns dahin führen?"
Natürlich konnte ich das. "Aber", ich zögerte. "Darf ich fragen was eigentlich passiert ist? Ich habe gehört, dass eine Mitschülerin angegriffen wurde."

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