Versöhnlich

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Gemeinsam fanden wir unseren Weg zu dem kleinen Badezimmer. Nathan kannte sich erstaunlich gut in diesem Teil des leerstehenden Hauses aus. Auf Anhieb fand er Waschlappen für uns und in einem Schrank sogar die erwarteten Bademäntel. Wir hielten uns noch immer an den Händen, was es unnötig kompliziert machte, aus dem Pullover heraus zu kommen, aber keiner von uns wollte loslassen.

Schließlich hing mein Pullover nur noch über unseren Händen und wir hatten zeitgleich die selbe Idee. Wir nahmen uns an der anderen Hand, ehe wir die Hände unterm Pullover frei gaben. Wir kicherten wie zwei Kinder. Nur als ich auch das Unterhemd ausziehen wollte, drehte Nathan sich plötzlich weg.

"Keine Sorge, ich seh nicht viel im Dunklen", wollte er mich beruhigen, doch ich hielt inne.
"Da ist nichts, was du nicht schon gesehen hast", stellte ich trocken fest. Wir hatten uns in jener Nacht im Wald nackt zwischen den Hanfnesseln gegenüber gestanden. Es gab nicht mehr viel Neues zu entdecken.

"Da hatte ich ganz andere Sorgen, als dich anzusehen", gestand Nathan kleinlaut und ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen.
"Also ich hab hingeguckt."
"Ist das dein Ernst?!" Nathan war entsetzt und ich lachte schallend, dass es von den gefliesten Wänden hallte.

"Du hast es faustdick hinter den Ohren, Fräulein Fuchs." Die Art, wie er sich abwandt, damit ich ihn nicht grinsen sehen konnte, ließ mein Herz einen Schlag lang hüpfen. Auch wenn er gerne der geheimnisvolle Held sein wollte, war er eigentlich gar nicht so selbstbewusst.

Ich zog sowohl mein dünnes Hemdchen, als auch meine Jeans aus, ehe ich mich mit kaltem Wasser abwusch. Nathan hielt sich an seinen Vorsatz, nicht hin zu sehen und so tat ich es ihm gleich, als er dran war.

Obwohl er eben noch gesagt hatte, dass er nicht wisse, wie mit der Situation umgehen sollte, bewies Nathan ein unglaubliches Fingerspitzengefühl. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, mir körperlich näher zu kommen. Eine zufällige Berührung hier, da unbeabsichtigt nackte Haut über nackte Haut streifen lassen. Ich hätte vielleicht sogar nachgegeben, nur um die Erinnerung an zuvor zu übertünchen. Aber Nathan unternahm keinen Versuch. Er hielt sogar seine Augen auf meine Hand gerichtet, als wir vor dem Kamin im Schlafzimmer hockten und er mir erklärte, was ich zu tun hatte, um mit ihm gemeinsam den Kamin anzuzünden, obwohl der Bademantel weit aufklaffen musste.

Ich hatte nicht geahnt, wie kalt mir war, bis ich die Wärme des Feuers auf meinem Gesicht spürte. Ich rollte die verspannten Schultern und bewegte meinen versteiften Nacken.

"Gut, mh?" Er sah sehr stolz aus. "Tja, meine Eltern wissen, wie man Luxus auf kleinsten Raum bringt."

Wir ließen uns gegen das Fußende des Bettes fallen und lauschten dem Knistern des Feuers. Langsam aber sicher kehrte wieder Ruhe in mich ein. Die Aufregung, die Anspannung - sowas konnte kein Körper für immer aufrecht halten. Ich gähnte herzhaft und schloss für einen Moment die Augen.

"Fürchtest du mich immer noch?"

"Wieso ist dir das wichtig?" Träge öffnete ich die Augen und beobachtete die Reflektion der Flammen in seinen. Er würde schrecklich tiefe Sorgenfalten bekommen, wenn er ältere wäre, dachte ich und unterdrückte den Impuls seine Stirn zu berühren.

"Ich frage mich nur, weil du vorhin so.... Ich habe dir vorhin eine heiden Angst gemacht. Und jetzt sitzen wir hier. Ich will nur wissen, wo wir stehen."

Länger konnte ich den Augenkontakt nicht aufrecht halten. Ich senkte den Kopf, nur um unsere verschränkten Finger zu sehen. "Du warst das kleinste Übel?", tastete ich mich an die Wahrheit heran. "Ich habe", meine Stimme brach und ich musste mich mehrfach räuspern, bevor ich mich wieder traute, zu sprechen. "Vorhin da... ich habe den Kopf verloren und ich wusste, dass ich nicht mehr in der Lage war, eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Ich wusste, dass ich Hilfe brauchte."

The FoxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt