William (Williams POV)

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Ich wachte auf, als die hübsche Brünette neben mir sich ihre Hose wieder anzog. Ich setzte mich auf, ließ die Bettdecke provokant von meinem Oberkörper rutschen und grinste sie frech an. „Du muss noch nicht gehen."

„Doch genau genommen muss ich gehen", antwortete sie. „Und ich sollte nicht nochmal mit jemanden schlafen, der so jung wie du ist", fügte sie hinzu.

„Auf wie alt schätzt du mich denn?", fragte ich anzüglich. Wenn ich mich doch nur an ihren Namen erinnern könnte. Ich war mir sicher, dass sie ihn gestern irgendwann erwähnt hatte. Ivonne? Oder doch lieber Isabella?

„Älter als siebzehn bist du bestimmt nicht. Und ich bin zwanzig."

Autsch, das tat weh. Schließlich war ich ein tausende Jahre altes Wesen und wollte mich nicht immer mit minderbemittelten sechzehnjährigen rumschlagen, weil die älteren Frauen mich für zu jung hielten. „Naja, ich bin neunzehn, glaube ich. Aber so sicher bin ich mir nicht, ich bin schon zu lange auf dieser Welt."

„Ähm, bitte was? Sag mir bitte nicht, dass du dich umbringen willst", antwortete sie und sah mich genervt an. „Auf so ne Nummer habe ich gar keinen Bock."

„Nein, Isabella. Wie kommst du nur auf sowas?", fragte ich entrüstet.

„Mein Name ist nicht Isabella."

„Dann eben Ivonne."

„Rose."

„Was?"

„Mein Name ist Rose. Und du bist ein Arschloch. Und wenn du noch einen Satz sagst, rufe ich die Polizei. Du machst mir Angst und ich kann nicht glauben, dass ich mit dir mitgegangen bin..."

Bevor sie weiterreden konnte, legte ich ihr seufzend zwei Finger auf die Stirn. Es war immer dasselbe mit diesen Menschen. „Ich bin ein Engel des Herrn. Keine weiteren Fragen. Kennst du eine Kate, achtzehn Jahre alt?"

„Nein", antwortete sie eingeschüchtert.

„Gut, dann schlaf!" Als ich meine Finger von ihrer Stirn nahm, sank sie schlafend zu Boden. Diese Menschen. Sie waren so schwach. Ich verstand immer noch nicht, warum ich mich für einen von ihnen ausgeben musste, um Michaels Tochter zu finden. Wo wir gerade beim Thema Michaels Tochter waren – ich hatte den ersten Schultag verpasst.

Ja, ich ging zur Schule. Ich war tausende Jahre alt, hatte in zwei Himmeln gedient und musste zur Schule gehen. Seit sechzehn Jahren wechselte ich jedes halbe Jahr die Schule. Beziehungsweise früher war es ein Kindegarten gewesen und meine Aufgabe war es gewesen mit diesen nervigen kleinen Biestern, die die Menschen Kinder nannten, zu spielen.

Auf Menschen hatten diese kleinen Wesen anscheinend eine magische Auswirkung, die mir als Engel nicht klar wurde. Ich war so froh gewesen, als Kate alt genug gewesen war, so dass ich als Schüler auf eine Schule gehen konnte, um nach ihr zu suchen. Kein dämliches Aufpassen mehr. Aber es war nicht besser geworden. Statt auf die Kinder aufzupassen, war ich jetzt aus Sicht der Lehrer ein weiteres dieser nervenraubenden Biester. Es war mir schwergefallen, dass mich jeder wie ein kleines Kind behandelt hatte.

Während ich mich anzog, dachte ich an den Himmel. Ich hatte den Himmel immer gehasst, doch mittlerweile vermisste ich ihn. Es war ja nicht so, als ob das Rumhuren, die Drogen und der Spaß auf der Erde nicht amüsant wäre, aber ich wollte nachhause. Wollte meine Flügel ausbreiten, wollte fliegen, wollte unter Gleichgesinnten sein. Aber abgesehen von gelegentlichem Kontakt zu Michael gewährte man mir keinen Kontakt zum Himmel. Wenn wir gerade beim Thema Michael waren, ich sollte ihm vielleicht mitteilen, dass ich den ersten Schultag verpasst hatte.

Michael und ich brauchten ruhige Orte, um uns auszutauschen. Meistens gingen wir dafür in den Wald. Also ich ging in den Wald und kontaktierte den wunderbaren, vor Herrlichkeit strotzenden Erzengel. Meistens antwortete er, auch wenn er mittlerweile die Hoffnung aufgegeben hatte, dass ich irgendwann positive Nachrichten verkünden konnte.

Also machte ich mich auch heute auf den Weg in den nächsten Wald. Als ich mir sicher war, dass mich keiner war, zog ich die Lederjacke aus und erlaubte meinen Flügeln sich auszubreiten. Mein Oberkörper verzog sich vor Schmerzen, als meine Flügel sich nach drei Wochen endlich wieder ausbreiten konnten. Es lag Schnee auf dem Boden der Erde und mir wurde kalt.

Helles Sonnenlicht brach durch die Wipfel der Bäume und schien auf mein strahlend weißes Gefieder. Ich reckte den Kopf gen Sonne und genoss dieses warme Gefühl auf meinen Federn. Bis das Licht gleißend hell wurde und ich die Augen schließen musste, um nicht zu erblinden. Es gab nur eine Macht, mit der ich in Kontakt war, die stark genug war, um einen Engel erblinden zu lassen.

„Was willst du, Michael?"

„Ich frage mich, warum du nicht in der Schule bist. Wenn ich mich richtig erinnere, sollst du nach meiner Tochter suchen. Stattdessen fand ich dich heute Morgen nackt in einem Bett. Eine Frau war bei dir. Kannst du mir erklären, was das soll? Wenn ich mich richtig erinnere, sollst du meine Tochter suchen und dich nicht prostituieren."

„Probiere doch du mal bitte sechzehn Jahre unter Meschen zu leben, ohne dabei wahnsinnig zu werden. Manchmal muss man sich eben ein bisschen Spaß gönnen. Wie mit Rose heute Morgen."

„Rose?"

„Der Name des Mädchens. Sie schien ziemlich wütend gewesen zu sein, weil ich ihn nicht mehr gekannt habe, als sie aufgewacht ist."

Michael verdrehte die Augen. „Dir ist auch wirklich nicht mehr zu helfen, oder?"

„Die interessante Frage ist doch: Warum solltest du mir helfen können, wenn du mich auf die Erde geschickt hast, weil du meine Hilfe brauchst?", fragte ich mit einem sarkastischen Lächeln zurück.

Okay, vielleicht war das Lächeln eins zu viel gewesen, wurde mir klar, als Michael mich am Hals packte und in die Luft hob. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst. „Wenn du mir meine Tochter nicht bald zurückbringst, werde ich dafür sorgen, dass du nie wieder in den Himmel zurückkommst."

Ich schnappte nach Luft. Es war keine leere Drohung. Es war möglich, dass Engel für immer aus dem Himmel verbannt wurden. Gefallene Engel, wie Luzifer. Nur wäre ich nicht aus freien Stücken gefallen.

„Ich glaube, wir können uns darauf einigen, dass ich dir freiwillig helfe", murmelte ich und griff an meinen Hals.

„Gut", antwortete Michael. „Hast du dir eine neue Schule ausgesucht, an die du gehen willst?"

Ich nickte. „St. Josephine Schule."

„Eine reine Mädchen-Schule? Da hätte sie ihre Mutter niemals hingeschickt. Sie hat sich immer so für Gleichberechtigung eingesetzt."

Ich nickte. Gut, dass ich mir immer mehrere Schulen aussuchte. „Friedrich-List-Gymnasium."

„Gymnasium klingt gut. Sie ist meine Tochter, sie wird überdurchschnittlich intelligent sein", verkündete Michael stolz. Arroganter Penner. „Ich bin mir sicher, dass du sie bald finden wirst. Es ist ja schon die zweiunddreißigste Einrichtung, die du besuchst."

Ich nickte. Das war es in der Tat und mir wurde schlecht bei der Vorstellung noch eine weitere Schule besuchen zu müssen.

„Wir haben dir natürlich mithilfe der Kirche ein Haus ausgesucht, in das zu ziehen kannst. Du kennst die üblichen Geschäftsbedingungen ja. Keine Menschen in diesem Haus schwängern, generell keine geschlechtlichen Zeremonien in diesem Haus und so weiter und so fort. Keine Drogen und keine Verstöße gegen das Gesetz der Menschen."

„Und ich hoffe ihr kennt mich mittlerweile so gut, dass mich nur die erste Regel interessiert. Ich habe nicht vor so ein kleines nerviges Ding in die Welt zu setzen. Auch wenn es wunderschön wäre, das müsstest du schon zugeben", murmelte ich und zwinkerte Michael zu.

Michael schüttelte nur den Kopf und schob mir einen Zettel zu. Es war die Adresse des Hauses. Eine neue Stadt. Gut, dass ich sowieso keine Freundschaften schloss. Nichts, was Engel brauchen würden.

Zwei Stunden später stand ich vor meinem neuen zuhause. Es war ziemlich heruntergekommen, aber geräumig. Die Kirche gab mir die Gebäude immer vollausgestattet für ein halbes Jahr. Alles, das ich mitnehmen musste, war meine Garderobe. Was auch gut war, sonst würde ich vermutlich rumlaufen müssen, wie einer dieser Pinguine von Pfarrern. Nicht, dass ich etwas gegen Pfarrer hätte, aber ich hasste die Tatsache, dass sie Gott hinterherrannten und der festen Überzeugung waren, dass es ihn geben musste. Es gab keinen Gott und das sollten sie endlich akzeptieren.

Zumindest keinen Gott,der sich für uns interessierte.

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