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Mir liefen die Tränen über die Wangen. Ich weinte still und leise. Mein Zimmergenosse Jeongin bekam also nichts mit. Und ich wollte auch nicht, dass er wusste, wie beschissen es mir ging. Ich wollte im Moment nur sterben. Ich war nicht traurig; ich spürte in mir eine extreme Leere. Und dieses Gefühl hielt ich nicht mehr aus. Ich hatte versucht, mich von diesem Gefühl abzulenken, aber das hatte überhaupt nicht funktioniert. Egal, was ich tat, das leere Gefühl blieb.
Ein Schluchzen entkam meinem Mund. Ich hörte, dass sich Jeongin in seinem Bett bewegte. Fuck.
Ich sah hinüber und bemerkte, dass sich Jeongin aufgesetzt hatte. Er schaltete sein Nachtlicht an und musterte mich. Nach paar Minuten stand Jeongin auf und kam auf mich zu. Er setzte sich auf die Bettkante und sah mich weiterhin an.
"Du kannst mit mir reden, Hyung", sagte Jeongin und griff nach meiner Hand. Ich schüttelte mit dem Kopf. "Wieso nicht?", fragte Jeongin.
Ich senkte den Kopf, ich konnte nicht sprechen; ich konnte gerade gar nichts. Am liebsten würde ich einfach nur schreien. Die Anspannung wuchs in mir. Ich riss mich von Jeongin los, stand auf und schnappte mir die Schere, die in der Schreibtischschublade war. In meinen Ohren rauschte es. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Kurz bevor ich mir die Schneide an meinem Arm ansetzen konnte, nahm mir Jeongin die Schere aus der Hand. Ich sah ihn wütend an.
"Gib sie mir wieder her", schrie ich ihn an. Ich war auf hundertachtzig. Ich musste mich selbst verletzen, sonst werde ich es nicht aushalten.
"Nein", sagte er. Daraufhin verließ ich das Zimmer.
Wütend lief ich den Flur entlang und ging anschließend ins Erdgeschoss in den Eingangsbereich. Obwohl ich noch nicht allzu lange dort war, kannte ich mich recht gut aus. Ich überlegte kurz und benutzte den Hinterausgang; der war offen.
Ich ging an der Straße entlang. Es war schon recht spät, aber es waren immer noch Autos unterwegs. Ich kicherte und ging auf die Straßenbahn, ohne zu überlegen. Hinter mir hörte ich ein Auto heranfahren. Es wurde nicht langsamer. Und plötzlich spürte ich einen tief sitzenden Schmerz und mir wurde schwarz vor Augen.

Leicht öffnete ich meine Augen. Es war dunkel. Ich starrte an die Decke. Ich blinzelte paar Mal und fragte, wo ich genau war.
In meiner Ellenbeuge steckte eine Nadel. Uff, ich bekam wieder eine Injektion.
Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewohnt und nun erkannte ich das Krankenzimmer von der Klinik. Unter anderem bemerkte ich, dass zwei Personen an meinem Bett waren. Beide hatten ihre Köpfe auf die Bettkante gelegt. Es waren Jeongin und Chan. Was machten die denn hier? Ich rollte mit den Augen.
Ich setzte mich auf und schwang meine Beine aus dem Bett. Gerade als ich aufstehen wollte, hielt mich jemand am Arm fest. Ich wandte mich um und sah Chan. Seine Locken fielen ihm ins Gesicht. Mir war schon mehrmals aufgefallen, dass er tiefe Augenringe hatte.
"Ich habe mit Jeongin geredet", flüsterte er. "Du kannst uns allen vertrauen." Dann ließ Chan mich los.

Am nächsten Morgen hatte ich ein Gespräch mit dem leitenden Arzt, Dr. Seo, und mit der Psychologin Ms Kang. Es war ein Einzelgespräch.
"Wir haben dich in den letzten Tagen beobachtet und wir haben ein Verdacht, was es mit deiner Diagnose auf sich hat, aber natürlich können wir nur sicher sein, wenn wir eine ausführliche Anamnese machen", erklärte mir Dr. Seo. Ich nickte.
Also stellten sie unzählige Fragen. Es dauerte recht lange, gefühlte hundert Stunden. Außerdem war ich den Tränen nahe. Das bemerkte auch Ms Kang und gab mir Taschentücher.
Nachdem das Gespräch vorbei war, durfte ich gehen. Genau genommen war es jetzt Zeit fürs Mittagessen, also ging ich in den Speisesaal. In diesem waren schon die anderen Patienten.
Ich setzte mich neben Jeongin, der mich besorgt musterte. Ich ignorierte es.
Auf dem Tisch stand schon das Essen, aber ich hatte keinerlei Appetit. Das Gespräch mit Dr. Seo und Ms Kang hatte mich angestrengt und ausgelaugt.
"Willst du nichts essen?", fragte Seungmin. Ich verneinte. Die Aufmerksamkeit lag auf mir, was mich nervös machte.
"Alles okay?", fragte Jisung und hielt inne beim Essen. Ich nickte nur und ließ mein Kopf gesenkt.

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