Der Aufbruch

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Erstaunt fuhr ich herum und sah hoch in die Äste einer riesigen, alten Eiche (war es eine Eiche? Ich glaube schon). Dort saß wie bestellt der große Vogel.

Es freut mich, dass ihr diesmal alle gekommen seid. Ich hoffe doch es hat keine Umstände gemacht.

"Nein, nein. Es hat uns keine Umstände gemacht", versicherte Silberpfote.

Gut. Ich hoffe ihr habt Zeit mitgebracht. Das könnte länger dauern. Je nachdem wir ihr es auffasst.

Etwas nervös blickte ich zum Himmel. Der Mond war aufgegangen, aber durch die dicken, dunklen Wolken drang kaum Licht hindurch. Mein Bruder stand neben mir und schaute mit offenem Maul zum Adler hinauf, während Silberpfote zwar Abstand zwischen sich und den Baum brachte, aber weder verstört noch erschrocken, zum Adler heraufblickte.

Also. Ich weiß es ist eine große Bitte, aber ihr müsst mit mir kommen.

Mein Bruder, der bisher nur unhöflich gestarrt hatte, fing sich und antwortete entsetzt: "Was? Das kommt gar nicht in Frage. Ich weiß nicht was du bist, aber ich werde ganz sicher nicht mit einem riesen Vogel mitkommen."

Der Adler musterte Sturmpfote mit seinen gelben Augen.

Ich kann euer Misstrauen verstehen, aber ich bitte euch mir zuzuhören. Danach könntet ihr eure Meinung geändert haben.

Wohl kaum, dachte ich bei mir und als ich zu Sturmpfote rüber blickte, war mir klar, dass er mit mir einer Meinung war. Silberpfote allerdings sah nur mit verschlossener Miene hinauf zum Adler und schien darauf zu warten, dass dieser weiterredete.

Sicherlich habt ihr euch schon gefragt, warum wir uns verstehen können. Tja, das kommt daher, dass wir Woodwalker sind.

"Wir sind was?", fragte ich ratlos.

Woodwalker! Menschen mit einer Zweitgestalt eines Tieres.

"Menschen?", fragte Sturmpfote verwirrt.

"Zweibeiner", half Silberpfote ihm auf die Sprünge.

"Woher weißt du denn das?", neckte ich sie.

"Tja. Ich kann es halt", kam es zurück. (So laufen die Unterhaltungen zwischen mir und meinen Freunden auch immer)

Wie ich schon sagte: Ihr seid Woodwalker und ich denke, dass ziemlich viele der übrigen Katzen auch Wandler sind.

"Du redest ja im Kopf mit uns. Können wir das dann auch?", fragte ich interessiert.

Ja das und vieles mehr. Aber das alles hier und jetzt zu lernen ist unmöglich. Ich habe vor drei Jahren eine Schule eröffnet. Eine Schule für Woodwalker. Ich bin Lissa Clearwater. Die Leiterin der Schule. Ich reise durchs ganze Land, um Wandler aufzuspüren und auf meine Schule zu bringen. Deswegen bin ich jetzt hier und frage euch: Hättet ihr Interesse auf die Schule zu gehen? Denn, wenn das der Fall sein sollte, müssen wir noch heute aufbrechen.

Schnell verstand ich, dass eine Schule sowas, wie ein Lager für Zweibeiner sein musste. Aber mitkommen? Gerade als ich das Maul aufmachen wollte, um zu sagen, dass das auf keinen Fall stattfinden würde, antwortete Silberpfote: "Klar! Ich hätte Interesse und würde mir die Schule echt gerne ansehen." (Sie ist viel zu schnell zu begeistern...wie ich :)

Überrascht sah ich zu meiner Schwester. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Aber auch meine Neugierde war geweckt. Ich grub meine Krallen in die Erde. Ich konnte Silberpfote nicht alleine mitkommen lassen. Was wenn das Ganze eine Falle war? Auch wenn meine Schwester es niemals sagen würde, war sie eine furchtbare Kämpferin.

„Ich komme auch mit", miaute Sturmpfote zu meiner Überraschung.

„Ich würde ganz gerne mal mehr als nur den See sehen", fügte er hinzu, als er meinen verwirrten Blick sah.

Meine Schwester schnurrte und schaute zu mir.

„Komm doch mit, Rosenpfote. Ohne dich wird es doch langweilig."

Nach kurzer Überlegung nickte ich. Auch ich war neugierig auf die Welt, die hinter dem See lag.

Nun gut. Dann los. Folgt mir!

Mit diesen Worten, oder besser Gedanken, erhob sich der Adler in die Lüfte und flog langsam Richtung SchattenClan Territorium. Wir nickten uns kurz zu und rannten hinterher. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch lief ich über den Baumstamm und hoffte, dass die anderen es sicher darüber schafften. Aber meine Sorge war unbegründet. Sturmpfote eilte mit festen Pfotenschritten über den kahlen Stamm und auch Silberpfote flitze leichtfüßig über die Brücke. Gemeinsam preschten sie dem Vogel nach und ich hoffte, dass wir ihn nicht am langsam immer heller werdenden Himmel verlieren würden.

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