Kapitel 14

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Kurze Erinnerung, die Sprache ist weiterhin Sindarin, bis ich es anders vermerke :)
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Am nächsten Morgen streckte sich Evie genüsslich und blinzelte ins Dunkel. Sie brauchte eine Weile, um sich darüber klarzuwerden, wo sie war, und was am letzten Tag passiert war. Überwältigt ließ sie sich zurück in die Kissen fallen. Verdammte scheiße, sie war tatsächlich in Mittelerde! Plötzlich runzelte sie verwirrt die Stirn. Warum war es denn dunkel? Wenn sie sich richtig erinnerte, hatte es diesem Zimmer keine Vorhänge gegeben. Vorsichtig setzte sie sich auf. Überraschenderweise konnte sie alles genau erkennen, obwohl sie zugleich wusste, wie dunkel es eigentlich war. Eine Vorahnung erfasste sie und sie hob schnell die Hände zu den Ohren. Ihre Augen weiteten sich und ihre Kinnlade fiel herunter. Ihre Ohren waren spitz, wie die einer Elbin. Evie lachte laut auf und wäre sie ein Mensch gewesen, hätte sie sicher vor Freude geweint. Vorsichtig stand sie auf und ging in den angrenzenden Raum. Es war das Badezimmer. Erfreut bemerkte Evie, dass es einen Spiegel und sogar eine Wanne gab, auch, wenn diese leer, und nicht mit Wasser gefüllt, war. Evie ging zu der keinen Kommode, die unter dem Spiegel stand und durchsuchte sie. Als erstes nahm sie eine Bürste und kämmte sich die Haare. Zwar hatten diese noch immer die gleiche goldene Farbe und Länge, schienen sie doch zu strahlen und eventuell einen weiß-silbernen Schimmer bekommen zu haben, sodass sie aus verschieden Blickwinkeln unterschiedlich schimmerten. Evie drehte grinsend ihren Kopf im Spiegel hin und her. Sie konnte schon sagen, dass es ihr gefiel. Nicht, dass sie eingebildet wäre, aber es war halt wunderschön. Nun betrachtete sie ihr restliches Gesicht im Spiegel näher. Es hatte sich nicht viel verändert. Vielleicht standen ihre Wangenknochen noch minimal stärker hervor und ihre Haut wies nun nicht einmal mehr einzige Untereinheiten auf, aber das war auch schon alles.

Als nächstes sah Evie an sich herab. Sie trug noch ihre Sportsachen und runzelte die Stirn. Möglicherweise bildete sie es sich ein, aber war sie gewachsen? Sie konnte es nicht genau sagen, aber selbst wenn, konnte es nicht viel sein. Nur ein paar Zentimeter, sodass sie ungefähr 1,65m groß war. Immernoch ziemlich klein.

Inzwischen schienen vereinzelte Sonnenstrahlen in den Raum. Evie ging zurück in das Schlafzimmer und auf den Balkon, den sie jetzt erst entdeckte. Sie trat an die Brüstung, schloss die Augen, atmete tief ein und aus, während sie den Kopf leicht in den Nacken legte. Entspannt genoss sie die frische Luft und hörte den Tieren im Wald zu. Mit milder Überraschung bemerkte sie, dass sie, auch wenn sie nicht viele Stunden geschlafen haben konnte, nicht im Geringsten müde war. Im Gegenteil, sie fühlte sich so wach, wie nur zuvor. Hatte definitiv seine Vorteile, ein Elb zu sein.

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Verwundet ging Evie hinein und öffnete diese. Herein kam eine scheinbar junge Elbin. Wäre sie ein Mensch, hätte Evie sie auf ungefähr 17 geschätzt. Die Elbin hatte hellblondes Haar mit einem leichten Rotstich, blau-graue Augen und ein blasses Gesicht. Sie war zierlich und offenbar ziemlich energiegeladen. Jedenfalls stürmte sie einfach in Evies Zimmer, kaum dass diese die Tür geöffnet hatte. Sie ließ ein Bündel, dass sie wohl offenbar auf dem Arm getragen hatte, auf's Bett fallen, stemmte die Hände in die Hüften und drehte sich schwungvoll um, um Evies Kleidung missbilligend zu mustern. Um ehrlich zu sein, konnte Evie es ihr nicht verdenken. Die fremde Elbin trug ein schlichtes, hellgrünes Kleid, mit einer braunen Schärpe um die Taille, weiten Ärmeln an den Unterarmen und einen, ab der Hüfte ebenfalls weiten Rock. Oberhalb war das Kleid eng geschnürt und betonte wunderbar ihre schlanke Figur.

Dennoch lächelte die Elbin Evie an. "Ich bin Avelis. Und du?" Avelis hatte ein kindliches, strahlendes, naives Lächeln, bei dem Evie unwillkürlich an Johanna denken musste und nicht anders konnte, als zurück zu lächeln. "Ich bin Evie." Avelis schien verwirrt. "Ich will nicht unhöflich sein..., aber das ist ein ungewöhnlicher Name. Darf ich fragen, wo du herkommst?". Evie antworte freundlich:" Klar darfst du. Auch wenn es etwas schwierig zu erklären sein könnte... Es ist so, dass ich eigentlich ein Mensch bin. Ich habe bis vor ein paar Stunden auf der Erde gelebt, wo mein Name ganz normal ist. Und naja. Jetzt bin ich hier, warum auch immer. " Avelis sah sie bewundernd an. "Wow. Aber du bist doch eine Elbin, oder sehen die Menschen auf deiner Erde anders aus, als die hier?" "Nein, ich glaube, wir sehen alle gleich aus. Aber anscheinend bin ich, als ich her gekommenen bin, irgendwie elbisch geworden." Evie zuckte die Achseln. "Wie auch immer. Gibt es einen besonderen Grund, dass du hier bist, oder solltest du mich nur wecken?" Avelis schlug entsetzt die Hände vor den Mund. "Bei den Göttern, ja! Ich sollte dir helfen, dich fertig zu machen, der König will dich sehen! Oh nein, wir dürfen ihn auf keinen Fall warten lassen!" Panisch bedeutete die Elbin Evie, sich zu entkleiden. Überrumpelt kam diese der Aufforderung nach und bekam sofort ein Kleid über den Kopf gestülpt. Und während sie noch versuchte, in schwarze, ballerinaartige Schuhe zu schlüpfen, flocht Avelis ihr schon die Haare zu einem langen, lockeren Zopf. Als sie fertig war, hatte Evie einen kurzen Augenblick Zeit, in den Spiegel zu sehen. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, welches bis zu den Ellenbogen eng war, sich aber zu den Handgelenken weitete. Das Dekolleté war mit weißer Spitze besetzt und mit ebenfalls weißen Bändern geschnürt. Zum Glück, war der Ausschnitt nicht all zu weit. Wie bei Avelis lag der Stoff bis zur Hüfte eng an, wurde aber immer weiter. Evies Kleid war allerdings länger. Es reichte gerade bis ein paar Millimeter über den Boden. Die Ballerinas waren schlicht und schwarz, wenn auch aus, für Evie, undefinierbarem Material. Darüber trug sie einen schwarzen Umhang, mit zurückgeschlagener Kapuze, der ein paar Zentimeter auf dem Boden schliff und nicht am Hals, sondern an den Schultern mit jeweils einer silbernen Brosche an ihrem Kleid befestigt war. Dazu hatte Avelis ihr eine schlichte und dünne, silberne Kette mit einem tropfenförmigen Saphiranhänger umgelegt, der in einer silbernen Fassung lag. Auch trug sie an ihrem linken Ringfinger einen dazu passenden silbernen Ring mit einem, diesmal großem, Saphir.
Schüchtern hob Evie den Blick, um Avelis anzusehen. Es kam nicht oft vor, dass sie Kleider trug. Eigentlich nur zu sehr besonderen Anlässen, wobei eine Audienz beim König der Elben wohl dazu gehörte. Ihre neue Freundin strahlte. "Du siehst einfach fantastisch aus!" Evie verdrehte lachend die Augen. "Müssen wir nicht los? Du musst mir doch noch den Weg zeigen."

Ruhig machten sich die beiden auf den Weg. Anscheinend hatte Avelis mit ihrem Zeitdruck wohl ziemlich übertrieben. Obwohl Evie das Schloss am vorherigen Tag bereits gesehen hatte, war sie trotzdem erneut überwältigt. Durch ihre neue, verbesserte Sicht, konnte sie all die kleinen Details innerhalb der Verzierungen besser erkennen. Sie war so auf ihre Umgebung fixiert, dass ihr erst nach einer Weile auffiel, dass sie nicht allein waren, sondern ganz im Gegenteil, viele Elben an ihnen vorbei liefen, fleißig ihren Geschäften nachgehend. Doch all das vergaß sie schnell wieder, als Avelis sie eine Treppe hinauf führte, dessen Geländer wunderschöne, echte, Rosen zierten.

Avelis beobachtete sie dabei belustigt. Sie verstand nicht wirklich, wie man von Kunst so begeistert sein konnte. Klar, die Gestaltung des Schlosses war schön, aber Evies Faszination war beinahe gruselig. Aber dieser bewundernde Ausdruck in ihren Augen war auch irgendwie niedlich. Avelis bemerkte, wie die, ihnen entgegen kommenden, Elben auf den Fluren Evie anstsrrten. Vor allem die männlichen. Avelis grinste in sich hinein. Es war lustig zu sehen, wie manche, gut aussehenden, Elben sich die Köpfe nach ihr verrengten, während sie die Wand bewunderte. Avelis schüttelte leicht den Kopf. Menschen. Die kann man einfach nicht verstehen.

Legolas stand nervös neben dem Thron seines Vaters, während dieser mit einem Soldaten sprach. Er erinnerte sich an das vorherige Gespräch mit seinem Vater. Es war erstaunlich gut gelaufen. Thranduil hatte ihm kaum Vorwürfe gemacht, nein er schien sogar erleichtert gewesen zu sein, Legolas wieder zu haben. Bis dann allerdings die Sprache auf Evie kam. Sein Vater war beinahe ausgerastet, als er erfahren hatte, dass sein Sohn einen Menschen mit ins Schloss gebracht hatte. Einen Menschen, der darüber hinaus auch noch aus einer anderen Welt kam. Oh ja, er war gar nicht gut gelaunt gewesen. Trotzdem hatte es Legolas nach langer Zeit irgendwie geschafft, seinen Vater zu überreden, Evie nicht sofort wieder heraus zu werfen, sondern sie ersteinmal anzuhören. Legolas trat von einem Fuß auf den anderen. Gleich müsste sie da sein und er hatte nicht die geringste Ahnung was Evie tun könnte, um seinen Vater milde zu stimmen.

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