Teil 54: Flucht

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Ich sah mich nach meiner Uniform in dem Raum um, jedoch lag diese nicht dort, wo ich sie zurückgelassen hatte. Mit keiner anderen Möglichkeit außer dem Hemd, das ich jetzt trug, verließ ich das Zimmer. Mein Blick traf auf den blondhaarigen Mann, der das Frühstück zubereitete.
Er schenkte mir keine Beachtung und so setzte ich mich an das Feuer, um ihn stumm zu beobachten.
Was mache ich hier überhaupt...? Ich sitze hier mit nur einem Hemd außerhalb der Mauer und lasse mich von einem Titanwandler gefangen nehmen.
Sollte ich nicht versuchen, die Soldaten, die einst ihr Leben an diesen Mann verloren hatten, zu rächen?
Sollte ich nicht versuchen, zurück zu meinen Freunden zu gelangen? Zu meinem Verlobten? Zu Reiner?
Ich verstand mich selber nicht mehr. Angst war es wohl kaum, die mich hier einsperrte. War es das Problem, was mich erwartete, wenn ich wieder zurückkehren würde? Im Grunde verstand ich mich und meine Beweggründe auf einmal. Kurz bevor mich Zeke mitnahm, schien es auch so zu sein, dass mir alles Recht war, um mich nur nicht mit meinem Problem auseinander zu setzen. Ich habe meine Kollegen und mein eigenes Leben leichtsinnig aufs Spiel gesetzt. Plötzlich merke ich, wie meine Wange nass wird. Dies bemerkte Zeke ebenfalls. Erst sah er mich mit großen Augen an, doch dann näherte er sich mir, um meine Tränen weg zu lecken. Diese Geste war mir neu. War es seine Persönlichkeit? Oder war es so üblich von dort, wo er herkam? Sein Gesicht war meinem so nahe und irgendwann berührten sich unsere Nasenspitzen. Als dem so war, schreckte ich zurück mit dem einzigen Gedanken an Reiner. Zeke drehte sein Gesicht von mir weg und schien in Gedanken versunken zu sein. Kurze Zeit später schenkte er mir wieder seine volle Aufmerksamkeit und sprach überzeugt.
(Zeke) „Du bist hier, weil ich dich nicht zurücklassen werde. Du wirst an meiner Seite zurück in meine Welt kehren."
„Was meinst du; ‚an deiner Seite'?"
(Zeke) „Ich möchte, dass du die Frau sein wirst, die meinen Kindern austrägt."
Einige Sekunden lang musste ich sortieren, was er gesagt hatte.
„Ich soll deine Kinder austragen? Das kann ich nicht, denn meine Liebe und Leidenschaft gehören bereits einem Anderen."
Zeck schien unzufrieden und griff nach meiner rechten Hand an der sich mein Verlobungsring befand.
(Zeke) „Ist er von ihm?"
„Ich wünschte, doch leider ist uns eine engere Verbindung nicht vergönnt."
(Zeke) „Du scheinst nicht die Tapfere zu sein, die ich kennengelernt hatte. Und das nur, weil du nicht den Mann heiraten kannst, zu dem du dich hingezogen fühlst."
„So scheint es..."
(Zeke) „Ich kann dich vergessen lassen und dich zu mir holen."
„Was meinst du damit? Ich bin doch bereits schon bei dir."
(Zeke) „Nein, deine Leidenschaft und Liebe sind noch nicht meins. Dies kann ich nicht akzeptieren."
Eins wurde mir in diesem Moment klar: Ich muss zurück zu Reiner.

Ein weiterer Tag verging und ich schmiedete in meinen Gedanken einen Fluchtplan. Zeke ließ mich bereits für wenige Augenblicke alleine, was ich ausnutzen musste. Am frühen Morgen versteckte ich das Seil, was mir zu meiner Flucht verhelfen sollte. Zwar war es nicht lang genug, um auf dem Boden aufzukommen, jedoch würde ich am Ende des Seils mit einem Sprung nach unten es ohne Schaden überstehen. Jetzt fehlte mir nur noch der passende Augenblick. Erneut sah ich Zeke beim Kochen zu und wartete auf die perfekte Gelegenheit. Ich rechnete erst mit einem unbeobachteten Moment am nächsten Morgen und glücklicherweise schien das Schicksal auf meiner Seite zu sein. Etwas erweckte Zekes Aufmerksamkeit. Er hörte mit dem Kochen auf und lief zu der Tür, die er bei meiner Ankunft verschlossen hatte.
(Zeke) „Du bleibst hier und gibst keinen Mucks von dir."
Ohne eine Antwort von mir zu bekommen, verließ er das kleine Häuschen. Ich rechnete damit, dass er sich in seinen Titan verwandeln würde, doch kein Blitz oder lauter Knall erschien. Trotz alledem nutze ich meine Chance, um zu flüchten. Ich rannte in das Schlafzimmer und hangelte mich wie geplant mit dem Seil hinunter. Nun rannte ich so schnell ich nur konnte. Wenn ich weit genug weg wäre, könnte ich ein Pferd herbeipfeifen. Ich war mir sicher, dass ich auf eins treffen würde. Entweder dies oder es wäre mein Tod. Wenige Minuten später hörte ich zwei laute Knallgeräusche und zwei Blitze erschienen am Himmel. Nun wusste ich, dass Zeke sich verwandelt hatte. Ohne stehen zu bleiben, rannte ich weiter, doch musste schon bald feststellen, dass sich laute Schritte schnell auf mich zubewegten. Gerade als dies meine Aufmerksamkeit auf sich zog, bemerkte ich nicht, wie sich etwas Anderes mir näherte. Ich sah mir meine Umgebung zu spät um. Um mich herum hatten sich drei Fünfzehn-Meter-Klasse Titanen versammelt.
Ehe ich darauf reagieren konnte, wurde der eine Titan unter dem riesigen Fuß des bis eben noch auf mich zu rennenden Titan erwischt.
Dadurch schlug der Kopf auf den Boden und der Fuß zerquetschte diesen mit voller Wucht. Bevor ich mich zum großen Titan drehen konnte, griff eine Hand über mir den nächsten Titan und riss ihn in zwei ungleiche Stücke.
Den letzten Titan packte er am Hals und schlug mit seiner Faust auf den Schädel des kleineren Titans. Dieser zermatschte beim Kontakt mit der geballten Faust. Nun konnte ich auch den Titan erkennen, der mein Leben rettete. Es war der gepanzerte Titan, den ich so sehnsüchtig noch einmal erblicken wollte. Ich verspürte ihm gegenüber keinerlei Angst.
Ich näherte mich ihm und streckte meine Hand nach ihm aus.
Doch kurz bevor ich ihn berühren konnte, zeigte er mit seiner Hand in eine Richtung, in die ich wohl rennen sollte.
Ich schüttelte meinen Kopf, denn ich wollte bei ihm bleiben. Doch nun schrie er einmal laut auf und deutete nochmal in die gleiche Richtung. Dieser Schrei versetzte mich in eine unbegründete Urangst und ich rannte los.

Liebe in einer Kaputten Welt (Attack on Titan Reiner )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt