Prolog

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Ich spielte gerade mit einer Puppe, als Ilira zu mir kam und sie mir wegschnappte. "Hey!", beschwerte ich mich, "Die hatte ich." "Du hattest sie, ja", gab sie zu, "aber jetzt hast du sie nicht mehr, sondern ich.", entgegnete sie mit einem selbstgefälligen Lächeln zurück, drehte sich um und fing an, unbeschwert mit der Puppe, die ich bis vor zehn Sekunden noch in der Hand hatte, zu spielen. Ich schlich mich ganz leise an sie heran, so, dass sie es normalerweise nicht hätte hören können. Doch zu dieser Zeit wusste ich nicht, dass sie nicht ganz normal war.  Noch bevor ich sie überhaupt berühren konnte, knurrte sie. "Wenn du mir die Puppe wegnehmen willst, schminke es dir ab. Ausserdem, kannst du das mit dem Anschleichen lassen, auch wenn du wirklich gut darin bist.", riet sie mir. Mein Unterkiefer klappte nach unten. "Du hast mich gehört?", fragte ich nach, weil mich noch nie jemand gehört hatte, wenn ich mich anschlich. "Natürlich habe ich dich gehört. Ich habe die Ohren eines Wolfes.", erklärte sie ernst. "Ehrlich? Zeig mal.", unvorsichtig, wie ich damals war, strich ich ihr die Haare hinter die Ohren. 

Da erklang ein tiefes knurren, das sich überhaupt nicht mehr menschlich anhörte. Es hörte sich eher an, als würde ein Wolf knurren. Erschrocken wich ich zurück. Ilira drehte sich langsam mit gesenktem Kopf um. Doch sie schaute nicht auf den Boden, nein, sie sah mich mit glühend blauen Augen an. Genauso langsam, wie sie sich zu mir umgedreht hatte, kam sie auf mich zu. Ich spürte, wie mein Herz hart und in einem schnellen Rhythmus gegen meine Brust schlug. 

Ja ich hatte Angst. Noch immer kam dieses Mädchen, bei welchem ich mir aber nicht mehr sicher war, ob es Ilira ist, mit glühenden Augen auf mich zu. Dieses Mädchen hatte mich schon fast erreicht und streckte ihre Hände nach mir aus. Nur hatte sie anstelle von Fingern Krallen. Krallen! Ilira, mit den blau leuchtenden Augen, bewegte ihre Krallen in Richtung meiner Kehle. 

Wenn überhaupt möglich, pumpte mein Herz noch schneller. Doch das Blut, das durch mein Körper rauschte, konnte ich nicht gebrauchen, denn ich war wie eingefroren. Ich brachte nur ein ärmliches Wimmern über meine Lippen, als ich spürte, dass sich Iliras Krallen an meiner Kehle befanden. Ich schloss meine Augen. 

Ich dachte schon es sei vorbei, da spürte ich nichts mehr an meiner Kehle. Auch der Schatten, den Ilira auf mich geworfen hatte, verschwand. Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Ilira ist verschwunden. Noch immer ängstlich sah ich mich um. Doch von Ilira fehlte jede Spur. 

Nur die Puppe, die in einer Wiege eingebettet lag, und meine Erinnerung, sagen mir, dass das keine Halluzinationen waren. 

An diesem Abend habe ich nachgedacht, was Ilira gesteuert haben könnte. Das Einzige was mir einfiel war, dass sie ein Demon ist. Ich nahm mir vor, morgen mit ihr zu reden, wenn das überhaupt möglich war. Da ich aber Angst hatte, dass sie wieder ausrasten würde, wenn wir alleine wären, nahm ich mir vor, sie in der Frühstückspause zur Rede zu stellen. Wenn sie dann wieder ausrastet, sind da ja noch andere, die sie dann sehen werden. 


Am nächsten Morgen, sagte mir meine Mutter, dass ich von jemand anderem zum Kindergarten gebracht werden würde. Als ich fragte wen sie meinte, gab sie mir keine weiteren Informationen, abgesehen von "Die Mutter von einer deiner Kindergartenfreunde". 

Ich erzählte ihr nie, was im Kindergarten passiert, deshalb weiss sie auch nicht, was gestern passiert ist. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich es ihr auch nicht erzählen, ich weiss nicht wie sie darauf reagieren würde, da sie sehr sensiebel war. 

Seit mein Dad uns verlassen hatte, ist sie immer für mich da gewesen. Sie hat mich getrösten und ihre eigene Trauer unterdrückt. Irgendwann habe ich das gemerkt und meine Probleme für mich behalten. Ich habe gelernt sie selbst zu regeln und das schon im Alter von vier. Wenn ich das irgendjemandem sagen würde, würde diese Person mich höchstwahrscheinlich mitleidig ansehen. 

Im Eingangsbereich zog ich mir meine Schuhe an, schnappte mir meine Jacke, da es morgens immer ein wenig kühl war, nahm meinen Teddybärrucksack und verlies das Haus mit einem "Tschüss" in Richtung Küche. 

Vor unserer Garage, in welcher Mamas kleiner Fiat, keine Ahnung was, versorgt war, stand ein Jeep. Er war braun und gehörte, wie ich erfuhr, als Iliras Mutter aus dem Wagen stieg, ihrer Familie. 

Die ganze Fahrt über sass ich still neben Ilira auf dem Rücksitz. Ich sagte nichts, weil ich Angst hatte. Höllische Angst. Stattdessen richtete ich meinen Blick auf meine Füsse. Nach einiger Zeit wurde mir jedoch mulmig zumute, denn wir fuhren länger, als dass Mama und ich immer zum Kindergarten hatten. Als ich aus dem Fenster sah erschrak ich. Anstatt dass Iliras Mutter uns durch das Dorf kutschierte, fuhren wir durch einen Wald, der dicht bewachsen war und kaum Sonnenlicht herein liess. "Wo bringen sie mich hin?", fragte ich nervös. 

"An einen Ort, an dem wir dir unser Geheimnis verraten werden. Wenn du es behalten kannst werden wir dir nichts tun. Ansonsten...", Iliras Mutter sah mich über den Rückspiegel an und ich fröstelte. Ich war mir sicher, dass Mama den Tod ihrer eigenen Tochter nicht würde hinnehmen können, also beschloss ich stark zu sein. Aus den Augenwinkeln erkannte ich, dass Ilira durch ihr Fenster in den Wald starrte. Sie schien keine Angst zu haben, sondern eher nachdenklich zu sein. 

Das Auto hielt vor einem Haus mitten im Wald an. Es war mit Efeu überwuchert und passte perfeckt in die Umgebung. Als wäre das alles normal, stiegen Ilira und ihre Mutter aus dem Auto. Zögernd folgte ich ihnen. Sie liefen um das Haus auf eine grosse Wiese dahinter, dort drehten sich die beiden um und warteten, bis ich vor ihnen stand. 

Kaum stand ich vor ihnen, kamen von allen Seiten andere Menschen, die mich misstrauisch musterten, genauso wie ich sie. Einer von ihnen war mir am nächsten und betrachtete mich auch am intensivsten. Als er in meine Augen sah blieb er wie angewurzelt stehen. Wie auf ein unsichtbares Zeichen blieben seine Begleiter ebenfalls stehen.  

"Wir werden dir nichts antun, solange du versprichst unser Geheimnis für dich zu behalten.", sprach der Mann, der mir, abgesehen von Ilira und ihrer Mum am nächsten stand. Alle Anwesenden sahen mich erwartungsvoll an, doch ich verstand es nicht. Da knurrte einer der hinteren Männer. Ängstlich stolperte ich zurück und wurde von Iliras Mutter aufgefangen. "Sie wollen nur wissen, ob du uns dein Versprechen gibst oder nicht.", flüsterte sie mir ins Ohr. Vorsichtig stellte sie mich wieder auf meine eigene Füsse und sah mich ebenfalls abwartend an, das konnte ich spüren.

Der Mate meiner beste  FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt