Vorsichtig lugte ich um die Ecke. Zwar konnte man in der Dunkelheit nicht so viel entdecken, doch war ich mir sicher, dass sich momentan keiner außer mir in diesem Gang befand. Mit klopfendem Herzen huschte ich schnell auf die andere Seite und drückte mich an die kalte Steinwand. Es konnte ja immer sein, dass der Nachtwächter aus einem der anderen Gänge kommt.
Ich lief ein Stückchen weiter über den eiskalten Boden. Es war eine schlechte Idee gewesen keine Schuhe anzuziehen. Leise fluchend lief ich weiter und kam an einen Gang, der durch das Mondlicht erhellt wurde. Jetzt war ich in dem Teil des Schlosses, in dem es nicht ungewöhnlich war, nachts jemanden anzutreffen. Das bedeutete, dass ich doppelt vorsichtig sein musste. Zwar könnte ich auch die anderen Gänge, die keine Fenster hatten, benutzten, doch patrouillierten dort immer Wächter. Und genau die wollte ich vermeiden. Diese Patrouillen hatte Helena eingeführt, als sie Luna vom Thron abgelöst hatte. Sie hatte schon immer Angst vor der Dunkelheit und wagte sich auch nie ohne ihre Wachen nach draußen, da sie immer fürchtete von jemandem angegriffen zu werden. Ich verdrehte die Augen, sie war definitiv überängstlich.Das Blut rauschte in meinen Ohren als ich erstarrt stehenblieb. Die Stimmen, die ich hörte, kamen genau aus dem Gang, den ich als nächstes nehmen wollte. Mist, so konnte das nie was werden. Aber zurück wollte ich auch nicht. Mein Herz klopfte wie verrückt, als ich mich mit schwitzigen Händen an der kühlen Wand festhielt, um um die Ecke zu schauen und mir einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Es herrschte reges Treiben – und das mitten in der Nacht. Ich sah mehrere Zofen und Diener, die geschäftig herumwuselten. Was machten die alle so spät abends noch hier? Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich bereiteten sie alles für den morgigen Tag vor. An morgen wollte ich eigentlich gar nicht denken. Denn morgen wird Mair mich verlassen. Allein bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht. Sie war die Einzige hier, die mich verstand außer Charles, der mich allerdings auch schon verlassen hatte. Und morgen würde sie einfach gehen. Schnell schüttelte ich den Kopf um diesen Gedanken zu vertreiben. Ich musste mich jetzt darauf konzentrieren ungesehen durch diesen Gang zu kommen.
Der Einzige Weg zu meinem Ziel führte mitten durch diesen Gang und es gab keine Chance, dass ich ungesehen an den Zofen und Dienern vorbeihuschen konnte. Es sei denn, ich würde mich als eine von ihnen ausgeben. Mit zittrigen Händen zog ich die Kapuze meines schwarzen Mantels über meine roten Haare. Denn wenn ich das nicht täte, würde mich jeder sofort erkennen. Ich atmete einmal kurz durch und trat dann in den Gang. Kurz hatte ich den Gedanken, dass dieser Plan total bescheuert war und mich sowieso jeder erkennen würde. Doch als sich keiner zu mir umdrehte, sammelte sich mein Selbstbewusstsein wieder und ich ging mit großen Schritten an den Dienern vorbei. Nur wenige schauten kurz auf und betrachteten mich misstrauisch, doch sobald ich vorbei war, interessierte es sie nicht mehr.
Am Ende des Gangs bog ich schnell nach links ab und atmete aus. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Keine hatte mich erkannt. Das Schwerste hatte ich hinter mir, jetzt musste ich nur noch durch die Seitentür im Erdgeschoss und dann hatte ich es geschafft.
Langsam ging ich die Treppe runter, traute mich aber nicht, meine Kapuze abzusetzen. Es war eine gute Tarnung und falls ich noch jemandem über den Weg laufen würde, würde man mich zumindest nicht auf den ersten Blick erkennen. Trotzdem schreckte ich noch bei dem kleinsten Geräusch zusammen und jedes Mal schoss mein Puls in die Höhe.
Doch ich schaffte es bis zur zweiten Treppe ohne weitere Zwischenfälle. Gerade wollte ich einen Fuß auf die erste Stufe setzten, als ich rechts von mir Stimmen hörte. Für einen Moment war ich wie erstarrt, doch dann schaltete sich mein Gehirn wieder ein und ich huschte hinter einen der roten Vorhänge, die in regelmäßigen Abständen von der Decke hingen. Vielleicht nicht gerade das beste Versteck, aber was anderes gab es nicht.
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Iced Fire
Fantasi"Es gibt da eine Sache, die wir dir nie erzählt haben. Als du geboren wurdest, warst du am Erfrieren. Das Feuer hat dich gerettet, doch jetzt fängt es an, dich zu töten." Saphira - dickköpfig und unabhängig - hat ihr Leben lang als Teil des Königsha...