Ich rappelte mich auf und strich mir die nassen Spuren der Tränen aus dem Gesicht. Vorsichtig näherte ich mich mit klopfendem Herzen den Büschen. Auf einmal sprang die Person dahinter auf und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon. Es war ein junges Mädchen mit lockigen blonden Haaren, die das Gewand einer Zofe trug.
Fluchend versuchte ich mir einen Weg durch die Büsche zu bahnen, allerdings blieb mein etwas weiter ausgestellter Rock andauernd an den Dornen hängen.
„Mist! Mist, Mist, Mist!", murmelte ich vor mich hin, da die Zofe längst aus meiner Sichtweite hinter den Bäumen verschwunden war. Jetzt war es nicht nur Evelyn, die ein Problem für mich darstellte.Niedergeschlagen stand ich vor der Tür zurück ins Schloss. Eigentlich war es doch relativ egal, ob mich jemand so sehen würde, denn ich würde sowieso nur noch wenige Stunden in Calura verbringen und wer wusste, wann ich wieder zurückkehrte. Oder besser gesagt ob. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Der Schnee fiel inzwischen in dicken Flocken und blieb in meinen roten Locken hängen. Ich sollte nicht zurück ins Schloss gehen. Das wusste ich. Es wäre dumm. Und gefährlich. Vor allem nachdem sich gerade eben erst mein Arm entzündet hatte. Allerdings wäre das vielleicht das letzte Mal, dass ich mein Zimmer sehen würde oder dass ich durch die kühlen Gänge streifen würde. Vor allem gab es ein paar Dinge, die ich nicht hier lassen wollte und Evelyn oder Mair dachten bestimmt nicht daran, sie mir mitzubringen.
Mit aller Kraft hievte ich meinen Arm hoch und legte meine Hand um den Türknauf. Ich würde es tun. Mein Zimmer lag relativ weit weg von den anderen und es gab auch einen Weg dahin, der so gut wie nie benutzt wurde. Somit waren sie relativ gut geschützt. Gut geschützt vor mir.
Ich holte einmal tief Luft, öffnete die Tür und trat ein. Fast hatte ich erwartet, dass ich mich wieder entzünden würde, aber das geschah nicht.
Schlurfend ging ich den Weg bis hoch in mein Zimmer. Evelyn hatte mir erzählt, dass Fyren sich nach ihrer Verwandlung immer schwach fühlten, als hätte man ihnen das Leben ausgesaugt. Nun ja, ich hatte mich noch nicht einmal verwandelt und kam trotzdem kaum die Treppe hoch.Es fühlte sich an, als wären meine Beine mit Blei ausgefüllt, als ich mich mit dem Gesicht voran auf mein Himmelbett fielen lies.
Ächzend rollte ich mich herum, sodass ich auf dem Rücken lag und auf die gemusterte Decke schaute.
Ich konnte nicht fassen, wie sehr mein Leben momentan aus dem Ruder lief. Ironischer Weise kam ich mit der Tatsache, dass ich eine Fyre war, noch am besten klar. Die Tatsache, dass sich der Eyre in Mytandial befand, machte mir aber tatsächlich zu fassen. Keiner von uns kannte sich dort aus oder wusste wie er aussah. Ihn zu finden, wäre wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen. Ergo war es unmöglich ihn zu finden. Aber er war meine einzige Chance.Bevor ich gleich ein paar Sachen packen würde, würde ich nur einmal ganz kurz die Augen schließen. Ich war so erschöpft.
.
Ich rannte. Meine Beine brannten wie Feuer, aber ich rannte immer weiter. Es war hinter mir her. Er war hinter mir her. Mair und Charles liefen ein Stückchen hinter mir.
Da erblickte ich ihn, Lucian. Er war da. Er war meine Rettung. Ich rannte noch schneller, mein Herz pochte wie verrückt, sodass ich meinen Herzschlag in meinem Kopf hören konnte. Ich musste zu ihm. Ich konnte schon spüren, wie das Feuer sich in mir ausbreitete, wie es meinen Körper übernahm. Nach und nach floss es durch eine Ader nach der anderen. Immer weiter, bis es mein Herz erreichen würde. Ich musste zu ihm.
Mein Kopf pochte, meine Sicht verschwamm. Er verschwamm.
Nein!
Er musste bei mir bleiben, ohne ihn würde ich es nicht schaffen.
Links. Ein Geräusch, das mir in den Ohren tönte.
Rechts. Mairs gellender Schrei.
Ruckartig blieb ich stehen. Mair durfte nichts passieren. Das ging nicht. Ich brauchte sie. Und ihn auch. Ich blickte zurück zu Lucian. Er stand noch immer im Nebel. Er würde dort auf mich warten.
Schnell schaute ich zurück zu Mair. Sie war nicht mehr da. Stattdessen eine Wand aus grauem Rauch, die sich unentwegt auf mich zubewegte.
Mair!
Ich hörte sie nicht mehr, ich sah sie nicht mehr. Sie war nicht mehr da.
Nur noch Evelyns Keuchen erfüllte meine Ohren. Ich hörte nichts anderes mehr. Alles andere war weg.
Schnell drehte ich wieder um und lief weiter.
Ich musste zu Lucian. Er würde mich retten. Verzweifelt versuchte ich schneller zu laufen.
Ich blieb stecken und fiel hin. Mit dem Gesicht voran landete ich in kaltem, schlammigem Matsch. Es klebte, saugte mich fest. Ich konnte nicht aufstehen.
Lucian!
Er war ganz nah und doch so weit weg. Ich streckte die Hand aus. Er musste mich hier rausholen.
Hitze schlängelte sich durch meine Venen, mein Atem fühlte sich wie Feuer an. Es holte mich. Es dauerte nicht mehr lange.
Nebel umwaberte Lucian. Dann war er weg. Als wäre er nie da gewesen.

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Iced Fire
Fantasía"Es gibt da eine Sache, die wir dir nie erzählt haben. Als du geboren wurdest, warst du am Erfrieren. Das Feuer hat dich gerettet, doch jetzt fängt es an, dich zu töten." Saphira - dickköpfig und unabhängig - hat ihr Leben lang als Teil des Königsha...