_-5-_ Aller Anfang ist schwer

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„Evelyn, was soll das? Lass mich los!" Verzweifelt versuchte ich mich aus ihrem Griff zu befreien, aber sie zog mich rigoros weiter, bis wir die Tür passierten.

Sobald ich hinaustrat, hatte ich das seltsame Gefühl besser atmen zu können. Es war so, als hätte das Gemäuer mir die Luft zum Atmen genommen. Und jetzt war mir auch nicht mehr so warm. Seltsam.

Aber vielleicht bildete ich mir das Ganze auch nur ein, da ich jetzt mehr oder weniger wusste, dass in meinem Körper etwas anders war als bei anderen Leuten. Entschieden schüttelte ich den Kopf. Das war alles nur Einbildung.

„Was sollte das, Evelyn?" Ich bemerkte, wie sie gebührenden Abstand vor mir hielt und mich immer noch leicht verängstigt anstarrte. Was war denn los mit ihr?

„Ist das schonmal passiert?", fragte sie und ignorierte damit meine Frage. Jetzt war sie also fast wieder bei ihrem alten Ich.

„Was soll mir schonmal passiert sein?" Ich ging auf ihre Frage ein, da ich wusste, dass alles andere keinen Sinn machte.

„Dass sich kleine Flammen auf dir gebildet haben!" Evelyn wurde ganz ruhig, während ich schlucken musste.
Es hatten sich Flammen auf mir gebildet? Deswegen war mir wohl gerade eben auch so warm gewesen. Und wenn ich jetzt so darüber nachdachte, war das schon mal so. Und zwar während meines Streites mit Charles. O Gott, Charles. Ich war vorhin einfach aus dem Raum gelaufen, ohne weiter auf ihn zu achten.

Ohne weiter nachzudenken, wollte ich sofort wieder ins Schloss, um mit ihm zu reden. Es gab so vieles, was passiert war in der letzten Stunde.

Doch ich wurde wieder von Evelyn aufgehalten.

„Du kannst da jetzt nicht reingehen. Gerade eben hat es so ausgesehen, als ob du dich jeden Moment verwandeln würdest. Das kann jederzeit wieder passieren. Also wirst du jetzt nicht ins Innere gehen, wo du etwas zerstören könntest oder wo dich womöglich auch noch jemand sehen könnte." Vehement hielt sie mich zurück und so sehr ich es auch wollte, sah ich ein, dass sie recht hatte. Resigniert entfernte ich mich wieder vom Schloss. Das konnte doch jetzt nicht mein Leben sein? Ich war mehr oder weniger eine Gefahr für alle um mich herum, mich eingeschlossen.

„Aber ich kann doch jetzt nicht den Rest meines Lebens hier draußen schlafen", meinte ich resigniert. Das konnte man jetzt wirklich nicht von mir erwarten. Schließlich hatte ich die letzten Nächte ja auch in meinem Gemach verbracht und war im Schloss spazieren gewesen.
Nachdem sie nicht antwortete seufzte ich nur und strich gedankenverloren über die glatte Haut des Steines.
Evelyns Augen weiteten sich ängstlich wie bei einem Tier.

„Mach das nicht! Hör auf damit!", schrie sie mich auf einmal an. Der Schatten der Sonne, die gerade hinter den dicken Wolken hervorkam, lies ihre Augen wie ausgehöhlt aussehen. Sie erschien mir beinahe wie ein Geist.

Erschrocken stolperte ich rückwärts und landete auf der schmalen Schicht Pulverschnee. Ich hatte gar nicht realisiert, dass es geschneit hatte. Als ich zum Himmel hinaufschaute, tanzten kleine Schneeflocken herunter und landeten auf meiner Nase. Diese friedliche Atmosphäre hier draußen passte so gar nicht zu meinem aufgewühlten Inneren.

Evelyn keuchte, was meine Aufmerksamkeit wieder auf sie zog. Ihr ganzer Körper war angespannt, als wäre sie drauf und dran einfach wegzulaufen. Wie ein Tier, das gleich die Flucht ergreifen würde.
Der Gedanke, dass Evelyn nicht mehr bei mir wäre, machte mir Angst. So absurd es auch war, wenn man unsere vom Streit geprägte Vergangenheit betrachtete.

„Evelyn, geh nicht weg, ich brauche dich doch. Ich kann das nicht ohne dich", versuchte ich sie zu beruhigen, doch sie schien mich gar nicht zu beachten. Es war als würde sie einfach durch mich hindurchsehen.

Iced FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt